Für längeres Leben: Künstliche Embryonen aus Stammzellen als Ersatzteillager

Seite 2: Fast echte Embryonen

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Bemerkenswert ist, dass sich Stammzellen, wenn sie in speziell geformten Behältern gezüchtet werden, spontan zusammenschließen und versuchen, einen Embryo zu bilden, wodurch Strukturen entstehen, die als Embryoide, Blastoide oder synthetische Embryomodelle bezeichnet werden können. Viele Forscher betonen, dass diese Strukturen trotz ihres Aussehens nur eine begrenzte Beziehung zu echten Embryonen haben und sich nicht vollständig zu Lebewesen entwickeln können.

Indem er diese synthetischen Mäuseembryonen in seine mechanische Gebärmutter einsetzte, gelang es Hanna jedoch, sie weiter wachsen zu lassen als je zuvor – und zwar bis zu dem Punkt, an dem die Herzen zu schlagen begannen, Blut gepumpt wurde und sich ein Gehirn und ein Schwanz abzeichneten.

"Die Embryonen sehen wirklich großartig aus", so Hanna, dessen Studie bei anderen Wissenschaftlern durchaus Bewunderung auslöste. Man komme natürlichen Embryonen sehr, sehr nah. Erste Analysen zeigen, dass die synthetischen Varianten normalen Mausembryonen zu etwa 95 Prozent ähneln, wenn man vorhandene Zelltypen einzelnen betrachtet.

Dennoch sind die Verfahren zur Züchtung synthetischer Embryonen nach wie vor ineffizient. Weniger als einer von 100 Versuchen, ein Mäuseembryo zu schaffen, war erfolgreich – und selbst diejenigen, die sich am weitesten entwickelten, litten schließlich unter Anomalien, einschließlich Herzproblemen – vielleicht weil sie ohne eine angemessene Blutversorgung nicht weiter wachsen konnten.

In einer nächsten Versuchsreihe will Hanna seine eigenen Blut- oder Hautzellen (und die einiger anderer Freiwilliger) als Ausgangspunkt für die Herstellung synthetischer menschlicher Embryonen verwenden. Das bedeutet, dass in seinem Labor bald Hunderte oder Tausende solcher Mini-Mes leben könnten – alles genetische Klone von ihm selbst.

Hanna stört sich nicht an der Idee. Trotz der verblüffenden Tatsache, dass er in der Lage ist, die Anfänge von Säugetieren im Reagenzglas nachzubilden, betrachtet er diese als "Wesen ohne Zukunft". Sie sind wahrscheinlich nicht lebensfähig, sagt er. Außerdem gibt es derzeit keine Möglichkeit, den Schritt aus dem Reagenzglas ins wirkliche Leben zu gehen. Ohne eine Plazenta und eine Nabelschnur, die mit der Mutter verbunden ist, könnte kein synthetischer Embryo überleben, wenn er in eine Gebärmutter verpflanzt wird. "Wir versuchen hier nicht, menschliche Wesen zu schaffen. Das ist nicht unser Ziel", sagt Hanna.

Dennoch könnte es im Zuge der Weiterentwicklung dieser Technologie zu einer Debatte darüber kommen, ob synthetische Embryonen irgendwelche Rechte haben – oder ob sie aus ethischer Sicht als Grundmaterial für Wissenschaft und Medizin verwendet werden können. In den USA haben sich die National Institutes of Health in einigen Fällen bereits geweigert, Studien im Bereich synthetischer Embryonen zu finanzieren, da sie der Meinung sind, dass sie den echten Embryonen zu ähnlich seien.

Obwohl Hanna nicht glaubt, dass künstliche, aus Stammzellen hergestellte und in einem Labor herangezogene Embryoen jemals als menschliches Wesen gelten wird, hat er einen Notfallplan, um sicherzustellen, dass es keine Verwechslungen gibt: Es ist beispielsweise möglich, die Ausgangszellen genetisch so zu verändern, dass das entstehende Modell nie einen Kopf entwickelt, so gruselig das klingt.

Die Einschränkung seines Potenzials könnte helfen, ein ethisches Dilemma zu vermeiden. "Wir halten das für wichtig und haben viel in dieses Thema investiert", sagt Hanna. Es können genetische Veränderungen vorgenommen werden, die dazu führen, dass "keine Lunge, kein Herz oder kein Gehirn" entstünden.

Renewal Bio hat bereits einige von Hannas Studenten eingestellt und seine Technologie vom Weizmann-Institut lizenziert. Es wird damit beginnen, erstes Geld für die Verbesserung der Inkubatortechnik ausgeben, Sensoren zu entwickeln, um die Embryonen während ihrer Entwicklung zu beobachten – und Wege finden, ihre Überlebenszeit im Labor zu verlängern.

Laut Amirav-Drory befindet sich das Unternehmen noch in einem so frühen Stadium, dass es noch lernen muss, wofür die Technologie überhaupt eingesetzt werden könnte – und welche Anwendungen am vielversprechendsten sind. Er und Hanna, der wissenschaftliche Gründer von Renewal Bio, haben sich an andere Wissenschaftler und Ärzte gewandt, um zu erfragen, was sie ihrer Meinung nach tun würden, wenn sie Zugang zu einer großen Anzahl synthetischer Embryonen hätten, die sich über Tage oder sogar Wochen entwickeln.

"Wir haben die Leute gefragt: Stellen Sie sich vor, wir könnten diesen oder jenen Meilenstein erreichen. Was würde das freisetzen?" Bei den meisten soll es leuchtende Augen gegeben haben.

(bsc)