Funk-Empfang ohne Elektronik

Mit dem revolutionären Konzept des Atom-Funks wollen US-Forscher Funkwellen in einem breiten Frequenzband und ohne Anfälligkeit für Interferenzen empfangen.

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Funk-Empfang ohne Elektronik

Werden herkömmliche Antennen bald überflüssig?

(Bild: "From Here to There" / Alan Levine / cc-by-2.0)

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Das Grundkonzept von Funk-Antennen hat sich seit einem Jahrhundert nicht verändert. Meist bestehen sie aus einem Satz von Metallstäben in ungefähr der halben Größe der Wellenlänge, die sie empfangen sollen. Das elektrische Feld in einer vorbeiziehenden Funkwelle beschleunigt Atome in diesen Stäben, und Energie aus der Welle wird in eine winzige elektrische Spannung konvertiert, die dann verstärkt werden kann.

Nur zu gern würden Physiker Antennen herstellen, die leistungsfähiger und sicherer sind. Gut wäre zum Beispiel, wenn einfache Antennen eine größere Bandbreite an Wellenlängen empfangen könnten und weniger empfindlich gegenüber elektromagnetischer Interferenz wären.

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An dieser Stelle kommen David Anderson bei Rydberg Technologies im US-Bundesstaat Michigan und einige Kollegen ins Spiel. Sie haben Antennen von Grund auf neu erfunden. Ihre Vorrichtung funktioniert vollkommen anders als konventionelle Antennen: Sie erfasst mithilfe eines Lasers, wie Funksignale mit einer bestimmten Art von Atomen interagieren.

Die geheime Zutat in der neuen Antenne sind Rydberg-Atome. Dabei handelt es sich im Cäsium-Atome, in denen die äußeren Elektronen so angeregt sind, dass sie den Kern in großer Entfernung umkreisen. Bei diesen Distanzen liegen die potenziellen Energie-Niveaus der Elektronen extrem nah beieinander, was ihnen besondere Eigenschaften verleiht. Tatsächlich kann jedes kleine elektrische Feld sie von einem Niveau auf ein anderes befördern.

Funkwellen bestehen aus elektrischen Wechselfeldern, die bereitwillig mit jedem Rydberg-Atom interagieren, dem sie begegnen. Die werden dadurch zu potenziellen Sensoren.

Aber wie lässt sich diese Interaktion detektieren? Ein aus Rydberg-Atomen hergestelltes Gas hat eine weitere Eigenschaft, die sich als nützlich herausstellt: durch einen auf eine bestimmte Frequenz eingestellten Laser kann es durchsichtig gemacht werden. Der Laser sättigt im Prinzip die Fähigkeit des Gases zur Aufnahme von Licht, sodass ein anderer Laserstrahl es passieren kann.

Jedoch hängt die Laser-Frequenz, bei der dies passiert, entscheidend von den Eigenschaften der Rydberg-Atome in dem Gas ab. Und wenn diese Atome mit Funkwellen interagieren, verändert sich die kritische Frequenz.

Das wurde zur Grundlage der Funk-Detektion. Anderson und Kollegen erzeugten ein Gas aus zu Rydberg-Zuständen angeregten Cäsium-Atomen. Anschließend machten sie dieses Gas mit einem Laser auf einer bestimmten Frequenz transparent. Zuletzt durchstrahlten sie mit einem zweiten Laser das Gas, um zu erfassen, wie sich dessen Transparenz mit den Funkwellen in der Umgebung verändert. Das Signal einer einfachen lichtempfindlichen Fotodiode konnte dann anzeigen, wie Funksignale frequenz- oder amplitudenmoduliert wurden.

Mehr braucht es gar nicht: eine Antenne, die aus einer Wolke angeregter Cäsium-Atome besteht, angestrahlt von Laserlicht, das bei Funkwellen in der Umgebung flackert. Die Forscher sprechen von Atom-Funk.

Mit Mikrowellen haben Anderson und Kollegen ihre Vorrichtung schon getestet; nach ihren Angaben funktioniert sie gut. „Wir zeigen einen auf Atomen basierenden Empfänger für AM- und FM-Mikrowellenkommunikation“, schreiben sie.

Zu den Vorteilen gegenüber konventionellen Antennen zählt die enorme Frequenz-Bandbreite, die das Gerät erkennen kann – mehr als vier Oktaven vom C-Band bis zum Q-Band, oder Wellenlängen von 2,5 bis 15 Zentimetern. Die Antenne selbst ist eine kleine Dampf-Zelle, die zu Rydberg-Atomen angeregtes Cäsium-Gas erzeugen und halten kann.

Das Revolutionärste daran ist vielleicht, dass keinerlei konventionellen Funk-Schaltungen mehr benötigt werden. „Der atomare Funkwellen-Empfänger basiert auf einer direkten optischen Echtzeit-Detektion der Atom-Reaktion auf Signale im AM- und FM-Basisband, was traditionelle Elektronik für Demodulierung und Signalkonditionierung unnötig macht“, heißt es im Fachaufsatz der Forscher.

Damit dürfte die Vorrichtung weitgehend unempfindlich gegenüber der Art von elektromagnetischen Interferenzen sein, die konventionelle Antennen nutzlos machen kann. In Tests hat das Team sie genutzt, um AM- und FM-Mikrowellensignale einer Aufzeichnung zu empfangen, auf der eine menschliche Stimme „Mary Had a Little Lamb“ singt. „Das demonstrierte Atom-Radio zeigt eine gute Leistung über das gesamte für Menschen hörbare Frequenzband hinweg“, schreiben Anderson und Kollegen zum Ergebnis.

Die neue Antenne ist nicht perfekt. So ist ihr Dynamikumfang etwas geringer als bei Funk üblicherweise erwartet wird. Aber das Team ist optimistisch, dass sich das noch deutlich verbessern lässt. Atom-Funk ist im Kommen.

(sma)