Geht doch!
Aus gutem Grund sind Roboter meist auf Rollen oder Raupen unterwegs – so können sie leichter die Balance halten. Eine neue Generation zeigt, dass es auch andere Möglichkeiten gibt.
- Will Knight
- Gregor Honsel
Aus gutem Grund sind Roboter meist auf Rollen oder Raupen unterwegs – so können sie leichter die Balance halten. Eine neue Generation zeigt, dass es auch andere Möglichkeiten gibt.
Ein zweibeiniger Roboter untersucht in der Boxengasse einer Rennstrecke nahe Miami ausgiebig eine Tür. Dann, nach einer längeren Pause, streckt er seinen glänzenden Aluminiumarm aus, drückt die Klinke herunter und tritt langsam über die Schwelle. Was für einen Menschen simpel wirkt, ist für eine Maschine höchst anspruchsvoll. Für ihren Roboterwettbewerb Ende letzten Jahres hat sich die US-Militärbehörde DARPA noch eine ganze Reihe ähnlich ambitionierter Aufgaben einfallen lassen, wie sie etwa in einem havarierten Kernkraftwerk auftauchen könnten – beispielsweise Ventile schließen oder Leitern heraufklettern.
Eine der schwierigsten PrĂĽfungen ist es, ĂĽber einen Haufen Schutt zu steigen. Der zweibeinige, rund 150 Kilogramm schwere Atlas erledigt das ohne Probleme. Erschaffen hat ihn das US-Unternehmen Boston Dynamics, das Google im Dezember 2013 ĂĽbernommen hat.
Atlas' ausgeprägter Gleichgewichtssinn basiert auf der bahnbrechenden Arbeit von Marc Raibert, Gründer und Technikchef von Boston Dynamics. Seit den frühen achtziger Jahren verfolgt er das Ziel, Roboter zu bauen, die sich mit der gleichen Leichtigkeit bewegen wie Menschen oder Tiere. Damals gab es zwar schon reichlich Gehmaschinen. Doch einige mussten immer mehrere Beine auf dem Boden halten, um stets in einer stabilen Lage zu bleiben. Andere bewegten sich extrem vorsichtig und langsam. Oft genügte ein kleiner Schubs, um sie umzuwerfen.
Geht doch! (7 Bilder)
(Bild: Webb Chappell)
Raibert entschied sich, Instabilität nicht zu vermeiden, sondern auszunutzen. Dazu baute er einen Roboter mit nur einem einzigen Bein. Um nicht umzufallen, musste dieser herumhüpfen und dabei Bewegung und Position immer wieder neu berechnen. Die Algorithmen dazu waren überraschend simpel, und der Roboter funktionierte perfekt. Raibert und seine Mitarbeiter machten sich einen Spaß daraus, ihn quer durchs Labor zu schubsen. Diese "dynamische Balance" bildete die Grundlage für einen ganzen Zoo an Maschinen mit zwei oder vier Beinen.
Auch andere Forscher arbeiten daran, Roboter von ihren Rädern zu befreien. Sie haben künstliche Geckos gebaut, die Wände herauflaufen können, und mechanische Salamander, die neue Erkenntnisse über die Fortbewegung von Dinosauriern versprechen. Einige schaffen sogar die Beine selbst ab. Norwegische Forscher haben beispielsweise eine mechanische Schlange gebaut, die Feuer bekämpfen soll. Und die Nasa arbeitet an einem Gerät zur Mars-Erkundung, dessen Antrieb nur aus Drähten und Streben besteht.
Gefördert wird die Entwicklung aber auch vom Militär, denn solche Geräte könnten Soldaten durch unwegsames Gelände begleiten. Jüngstes Ergebnis von Boston Dynamics ist etwa der pferdegroße Vierbeinroboter LS3, der 180 Kilogramm Gepäck über 30 Kilometer schleppen kann. Letzten Sommer begannen die Marines, ihn im Wald und in der Wüste zu testen.
Doch auch zivile Anwendungen können von der Schreittechnik profitieren. Wenn Roboter etwa havarierte Kernkraftwerke untersuchen oder hilfsbedürftige Menschen unterstützen sollen, müssen sie beispielsweise einen umgekippten Stuhl überwinden oder eine Treppe heraufsteigen können. Und dafür sind Beine sehr viel praktischer als Räder.
Beim DARPA-Wettbewerb schlug sich Atlas zwar gut, aber nicht perfekt. Mehrere Teams benutzten ihn als Basis fĂĽr eigene Werkzeuge und Software. Eine Gruppe aus Florida kam damit auf den zweiten Rang. Der Gesamtsieg ging allerdings an einen japanischen Roboter namens Schaft. Auch sein Hersteller wurde vor Kurzem von Google ĂĽbernommen.
Er sieht weniger menschlich aus als Atlas, bewegt sich aber mindestens ebenso virtuos auf zwei Beinen. Außerdem konnte er als einziger Roboter ein Auto fahren. Doch wie Atlas (und seine Kollegen) ist Schaft auf eine Fernbedienung und eine externe Energiequelle angewiesen. Solange Roboter nicht autonomer und autarker werden, dürften sie es schwer haben als Rettungskraft oder Alltagshelfer. Die folgende Fotostrecke zeigt weitere unkonventionell angetriebene Roboter, die eines gemeinsam haben: Sie verzichten auf Räder. (grh)