Genom-EntschlĂĽsselung per Code
Das Start-up Knome hat eine Software entwickelt, die aus Genom-Rohdaten Informationen extrahiert, die Ärzte einfacher nutzen können.
- Susan Young
Das Start-up Knome hat eine Software entwickelt, die aus Genom-Rohdaten Informationen extrahiert, die Ärzte einfacher nutzen können.
Ein neues IT-System soll es Ärzten und anderem medizinischen Personal bald erlauben, Genvarianten innerhalb des Genoms eines Patienten zu identifizieren, die Rückschlüsse auf spezifische Erkrankungen zulassen. Die Software des Genanalyse-Start-ups Knome steht derzeit nur ausgewählten Einrichtungen zur Verfügung und ist eine patientenorientierte Ergänzung der Produkte der Firma, die sich sonst an Forscher und Pharmafirmen richten.
Fortschritte bei der DNA-Sequenzierung sorgen mittlerweile dafür, dass die Identifizierung aller drei Milliarden Basenpaare eines Menschen nicht mehr sonderlich teuer und zeitintensiv ist. Vor weniger als fünf Jahren machte Knome, das seinen Sitz in Cambridge, Massachusetts hat, noch weltweit Schlagzeilen, weil die Firma für den damals höchst günstigen Preis von 350.000 US-Dollar ein Paket aus Sequenzierung und grundlegendem Gen-Profiling anbot. Die gleiche Dienstleistung ist mittlerweile für wenige tausend Dollar zu haben. Die Nutzung der gewonnenen Informationen zur medizinischen Entscheidungsfindung hinkt allerdings noch hinterher – die entstehenden Datenmengen sind derart riesig, dass erst noch Prozesse entwickelt werden müssen, um mit diesen sinnvoll umzugehen.
Heute haben die Genomdaten im klinischen Umfeld zwei Hauptanwendungsbereiche: Sie helfen erstens dabei, den Auslöser seltener genetischer Krankheiten zu ermitteln und sind zweitens nützlich, um tumorspezifische Profile zu erstellen, die eine besser passende Medikation für Krebspatienten erlauben. In einigen Jahren könnte die Technik aber auch für viele andere medizinische Anwendungen verwendet werden. In den Genomdaten stecken potenziell Antworten auf die Frage nach der Herkunft auch anderer, weniger problematischer Krankheiten, die sich dann frühzeitig behandeln lassen. Dies würde wiederum Kosten sparen und die Wirksamkeit und Sicherheit von Medikamenten erhöhen. Ärzte könnten dann nur noch Wirkstoffe verschreiben, von denen sie sicher sind, dass sie der Patient auch wie vorgesehen verstoffwechseln kann.
Das Ermitteln relevanter genetischer Informationen aus dem Genom eines Patienten ist allerdings keineswegs trivial. Um jene Genvariante zu ermitteln, die eine spezifische Krankheit oder Wirkstoffreaktion des Körpers ausmacht, müssen viele Disziplinen zusammenarbeiten – von Genetikern über Statistiker bis hin zu Software-Entwicklern. Und es braucht Zeit: In jedem Genom stecken Millionen Genorte, an denen es sich von bereits bekannten Bezugsgrößen unterscheiden kann. Die meisten dieser Veränderungen haben nichts mit dem aktuellen gesundheitlichen Zustand einer Person zu tun, doch ihre Bestimmung benötigt pro Variante zwischen 20 Minuten und zwei Stunden. Heidi Rehm, klinische Genetikerin, die das Labor für Molekularmedizin am "Partners Healthcare Center for Personalized Genetic Medicine" in Boston leitet und demnächst Knome klinisch beraten soll, sieht hier große Probleme: "Wenn man so etwas auf Millionen Varianten skalieren will, wird es schnell unmöglich."
Ein Softwarepaket wie das von Knome kann dabei helfen, die lange Liste anhand verschiedener Faktoren wie Krankheitstyp, Vererbungsmuster in der Familie und Effekte bestehender Genmutationen deutlich zu verkleinern. Andere Firmen haben hier Web- und Cloud-basierte Dienste im Angebot. Knome setzt stattdessen auf ein eigenes IT-System, das im Kliniknetzwerk abgeschottet installiert werden kann, was die Datenschutzbeauftragten freuen dĂĽrfte.
Der größte Vorteil, den eine breite Anwendung der Genomanalyse im klinischen Kontext hat, sei die "clinical intelligence", die Ärzte aus einem Netzwerk voller Patientendaten schöpfen könnten, meint Martin Tolar, Chef von Knome. Informationen über die Verbindung zwischen bestimmten Genvarianten und Krankheiten könnten anonymisiert erhoben und dann mit weiteren Einrichtungen geteilt werden. Die Knome-Software läuft zwar alleine, erlaubt es aber gleichzeitig, solche Informationen auch datenschutzgerecht weiterzugeben. "In Zukunft könnten wir in einer Situation sein, in der ein Arzt sich die passenden Informationen für jeden einzelnen Fall aus dem Netzwerk holen kann. Daraus folgen dann Empfehlungen für Medikamente und Therapieformen." (bsc)