Gig Economy bei Foodora und Deliveroo: Die Folgen der Arbeitsorganisation mit Apps

Seite 2: Gut, wenn es gut geht

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Wie Gespräche der Forscher ergeben haben, schätzen die Fahrer den friktionslosen Alltag ohne Meetings oder Chef-Kontakte. Insbesondere Deliveroo bietet seinen Fahrern weitgehende Freiheiten. Die Fahrer können sich kurzfristig entschließen, mehrere Monate keine Schicht zu übernehmen – oder parallel für andere Lieferdienste arbeiten. Wenn alles gut läuft, sind die Fahrer mit dem System recht zufrieden, da es ihnen mehr Kontrolle über die Arbeitszeit lässt als viele andere Jobs. Für Deliveroo sind diese Freiheiten dringend notwendig: Würden die Behörden die Fahrer als weisungsgebundene Scheinselbständige einstufen, müsste das Unternehmen Sozialversicherungsbeiträge zahlen.

Kontrolle können die Plattformen dennoch ausüben. Sie bestimmen, welche Fahrer die erste Wahl bei den verfügbaren Schichten bekommen. Aufgrund von Erfahrungswerten können die Fahrer recht schnell herausfinden, wo sich Schichten besonders lohnen. Die Fahrer sind also motiviert, sich im Angesicht der Algorithmen als besonders effektiv zu präsentieren.

Die Forscher kritisieren dabei, dass den Lieferfahrer hierbei bestimmte Informationen vorenthalten werden. Sie können vor einer Auftragsannahme noch nicht sehen, wohin genau eine Lieferung geht. Fahrer können sich daher nicht die trinkgeldfreudigsten Kunden mit kurzer Anfahrt heraussuchen. Gleichzeitig haben die Fahrer auch weniger Kontrolle über ihre Arbeitswege. Die Kriterien, wonach die Fahrer bewertet werden, sind zumindest nicht ganz transparent.

Die Fahrer stehen somit in einem Wettbewerb zueinander, ohne genau zu wissen, in welchen Punkten sie sich gegenseitig übertreffen sollen. Dies steht laut Studie in direktem Kontrast zum Status als Unternehmer. Dem Fahrer fehle schließlich entscheidende Informationen für eine rationale unternehmerische Entscheidung.

Zumindest laut Foodora stellt sich die derzeitige Situation noch anders dar. Denn für einen internen Konkurrenzkampf fehlt es der Plattform schlicht an Fahrern, wie das Unternehmen im Gespräch mit heise online klarstellt. Die App sei auch im derzeitigen Zustand nicht die zentrale Schaltstelle, so wie sie von den Forschern dargestellt wurde.

"Es sind bisher noch viele Kommunikationsprozesse jenseits der App notwendig", sagt Foodora-Sprecher Vincent Pfeifer im Gespräch mit heise online. Die Restaurants seien oft die Arbeit mit den Apps nicht gewohnt und orderten einen Fahrer zum Abholen, noch bevor mit dem Kochen begonnen wurde. Auch tauchten einige Fahrer schlichtweg nicht zu ihren gebuchten Schichten auf. Einfach die Gehälter der Fahrer zu erhöhen, sei momentan nicht möglich – so macht Foodora derzeit noch Verluste mit seinem Liefermodell.

Folge: Die Mitarbeiter in den Büros müssten herumtelefonieren, um die Lieferungen wieder zu organisieren. Im schlimmsten Fall muss die Plattform auf Nachfrager-Seite die Notbremse ziehen. Wenn keine Fahrer zur Verfügung stehen, bekommen die Kunden nur den Pick-Up-Service angeboten. Ihr Essen müssen sie dann selbst abholen. Die Gig-Ökonomie funktioniert nur so weit, wie es Arbeitnehmer gibt, die "Gigs" suchen.

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(anw)