Glückliche Ehen aus der Rechenmaschine

Seite 4: Die erste Online-Trauung

Inhaltsverzeichnis

Zwei Jahre später, am Valentinstag 1983, findet in Texas die erste Online-Trauung statt. Das Paar, Debbie Fuhrman aus Phoenix in Arizona und George Stickles aus Dallas, lernt sich in den Chat-Räumen des Online-Dienstes CompuServe kennen, wo sie jede Nacht fünf bis sechs Stunden über die Tastatur miteinander schwatzen. Als sie zu ihm zieht, finden sie es amüsant, sich auch über CompuServe zu trauen. Zuerst ist es als Scherz geplant; doch warum sollte man nicht tatsächlich heiraten.

Und so loggen sich die beiden Verlobten und ein Amtsträger auf drei Computern in CompuServe ein, wo zahlreiche weitere Gäste warten. Sie sprechen ihr Gelübte und tippen es gleichzeitig in den Computer ein. Kleiner Haken an der Geschichte: Alle drei sitzen im gleichen Raum. Aber die Gäste, die Hochzeitsgäste, die sind eben über das ganze Land verstreut und lesen nur am Bildschirm mit. Wie die Eltern von Debbie, die nicht zur Feier anreisen können.

In den achtziger Jahren haben immer mehr Menschen Zugang zu Online-Diensten. Sie lernen sich über Newsgroups kennen, in frühen Online-Spielen (etwa den MUD – Multi User Dungeons), können chatten und mailen. Online-Dienste wie CompuServe und AOL bieten mannigfaltige Wege zur Kontaktaufnahme. Beliebt sind außerdem Mailboxen, Bulletin Boards im englischsprachigen Raum genannt, die außer den Einwahlgebühren typischerweise nichts kosten; und dort etablieren sich elektronische Singlebörsen, Dial-A-Match genannt. Man gibt Details von sich preis, kann die Inserate von anderen lesen, und bevor man sich trifft, tauscht man unverbindliche elektronische Nachrichten aus.

Ein Vorreiter in Deutschland ist der Beate-Uhse-Chat im Bildschirmtext (*69 69 69#), bei dem man für 1,30 Mark pro Minute sein Glück suchen kann. Und schon damals wie heute wird mit Animateuren getrickst.

In vielen Online-Welten kann man heute heiraten. Genauer, es gibt alle Zutaten, um eine Hochzeit zu simulieren. In Spielen wie "World of Warcraft" gibt es passende Trachten und Ringe für einen würdigen Auftritt. Virtuelle Speisen und alkoholische Getränke und das Feuerwerk für die Feier danach, und eine Vielzahl passender Orte, von der kleinen Kapelle bis zur mächtigen Kathedrale.

In "Runes of Magic" kann man tatsächlich einen Spielpartner "heiraten" und damit in die höchste Stufe des Beziehungssystems treten: Man kauft zwei Ringe, meldet eine Hochzeit an und wird mit eingeladenen Gästen in einen Hochzeitssaal teleportiert. Dort spricht man mit einem Priester, der die virtuelle Ehe schließt. Das hat nicht nur symbolischen Charakter, sondern bringt Vorteile: Ehepartner können sich zueinander beamen, und spielen sie gemeinsam, erhalten sie Verstärkungszauber.

Doch längst sind Online-Spiele, in denen man nicht nur über die Tastatur, sondern auch via Headset und teilweise Kamera kommuniziert (früher eher über TeamSpeak, heute eher über Discord), ein bewährter Ort, um sich nicht nur "virtuell", sondern auch "real" kennenzulernen und zu verlieben.

(kbe)