Hardware statt Qubits: Neue Wege bei Quantencomputern

Seite 2: Neue Wege zur Fehlertoleranz

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Gleichzeitig mit der Vernetzung von Qubits rückt die Industrie von einer Idee ab, die in den letzten fünf Jahren in Mode gekommen ist: Chips mit nur ein paar hundert Qubits könnten für den Menschen nützliche Berechnungen durchführen, auch wenn sie durch Rauschen leicht gestört werden. Diese Idee, die auch "noisy intermediate-scale quantum"-Verfahren (NISQ) heißt, wäre eine Möglichkeit gewesen, kurzfristig Vorteile aus der Quanteninformatik zu ziehen, möglicherweise Jahre vor dem Erreichen des Ideals wirklich großer Quantencomputer mit vielen Hunderttausenden von Qubits, die der Fehlerkorrektur dienen. Doch der Optimismus in Sachen NISQ scheint zu schwinden. "Die Hoffnung war, dass diese Computer schon lange vor einer echten Fehlerkorrektur eingesetzt werden können, aber der Schwerpunkt verlagert sich immer mehr aus dieser Richtung", sagt Joe Fitzsimons, CEO von Horizon Quantum Computing in Singapur.

Einige Unternehmen zielen mittlerweile auf die klassische Form der Quantenfehlerkorrektur ab und verwenden einige der Qubits, um die Fehler in den anderen zu korrigieren. Letztes Jahr haben sowohl Google Quantum AI als auch Quantinuum, ein neues Unternehmen, das von Honeywell und Cambridge Quantum Computing gegründet wurde, Studien veröffentlicht, die zeigen, dass Qubits zu fehlerkorrigierenden Ensembles zusammengefasst werden können, die die ihnen zugrunde liegenden physikalischen Qubits übertreffen.

Andere Teams versuchen, Wege zu finden, Quantencomputer ohne großen Aufwand "fehlertolerant" zu machen. IBM zum Beispiel hat sich damit beschäftigt, das Rauschen in seinen Maschinen zu charakterisieren und Quantencode dann so zu programmieren, dass es "abgezogen" wird (ähnlich wie bei Kopfhörern mit Rauschunterdrückung). Das System ist bei weitem nicht perfekt – der Algorithmus arbeitet auf der Grundlage einer Vorhersage des wahrscheinlich auftretenden Rauschens und nicht des tatsächlich auftretenden. Aber er leiste bereits gute Arbeit, sagt Chow: "Wir können einen fehlerkorrigierenden Code mit viel geringeren Ressourcen entwickeln, der eine Fehlerkorrektur in naher Zukunft möglich macht."

Das in Maryland ansässige Unternehmen IonQ, das Quantencomputer mit Ionenfallen baut, geht in eine ähnliche Richtung. "Die meisten der Fehler werden von uns selbst verursacht", sagt Chris Monroe, leitender Wissenschaftler bei IonQ. "Dieses Rauschen ist bekannt, und verschiedene Arten der Abschwächung haben es uns ermöglicht, unsere Werte wirklich zu steigern."

Trotz aller Fortschritte bei der Hardware sind viele Forscher allerdings der Meinung, dass der Programmierung mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden muss. "Unser Werkzeugkasten ist definitiv begrenzt, verglichen mit dem, was wir in 10 Jahren brauchen werden", sagt Michal Stechly von Zapata Computing, einem Quantensoftware-Unternehmen mit Sitz in Boston.

Die Art und Weise, wie Code auf einem in der Cloud zugänglichen Quantencomputer ausgeführt wird, ist im Allgemeinen "schaltungsbasiert", d. h. die Daten durchlaufen eine bestimmte, vordefinierte Reihe von Quantenoperationen, bevor eine abschließende Messung durchgeführt wird, die das Ergebnis liefert. Das ist für die Entwickler von Algorithmen problematisch, erklärt Fitzsimons von Horizon Quantum Computing. Standardfunktionen wie Schleifen sind kaum möglich, ebenso wenig wie das Springen in eine Subroutine, wenn das Ergebnis vorliegt. Beim Quantencomputing ist mit dem Erreichen eines Ergebnisses die Berechnung in der Regel beendet.

Horizon Quantum Computing ist eines der Unternehmen, die Programmierwerkzeuge entwickelt haben, um flexiblere Routinen zu ermöglichen. Early Access soll es für Entwickler zeitnah geben. Das in Helsinki ansässige Unternehmen Algorithmiq ist ebenfalls auf dem Gebiet tätig. "Wir benötigen Nonstandard-Frameworks, um aktuelle Quantengeräte zu programmieren", sagt CEO Sabrina Maniscalco. Eine neu eingeführte Plattform namens Aurora, die bei der Medikamentenforschung verwendet wird, kombiniert die Ergebnisse von Quantenberechnungen mit klassischen Algorithmen. Derartige "hybride" Quantenberechnungen sind ein wachsender Bereich – und es ist allgemein anerkannt, dass der Ansatz funktioniert. Das Unternehmen geht davon aus, dass es im Jahr 2023 den Nachweis liefern kann, dass ein Quantencomputer einen klassischen Computer bei realen, für Nutzer relevanten Berechnungen übertreffen kann.

Auch in der Politik wird es wahrscheinlich Veränderungen geben. Regierungsvertreter wie Alan Estevez, US-Unterstaatssekretär für Industrie und Security, haben angedeutet, dass Handelsbeschränkungen für Quantentechnologien kommen werden. Tony Uttley, COO von Quantinuum, sagt, dass er derzeit im aktiven Dialog mit der US-Regierung steht, um sicherzustellen, dass sich dies nicht negativ auf die noch junge Branche auswirkt. "Etwa 80 Prozent unseres Systems bestehen aus Komponenten oder Subsystemen, die wir außerhalb der USA beziehen", sagt er. "Es ist nicht hilfreich, sie Kontrollen zu unterwerfen. Wir wollen uns im Wettbewerb mit anderen Unternehmen in anderen Ländern der Welt nicht benachteiligen."

Und Konkurrenten gibt es viele. Letztes Jahr öffnete das chinesische Suchunternehmen Baidu den Zugang zu einem Prozessor mit 10 supraleitenden Qubits, von dem es sich erhofft, dass er Forschern helfen wird, Quantencomputing in Bereichen wie Materialdesign und pharmazeutische Entwicklung anzuwenden. Das Unternehmen hat nach eigenen Angaben kürzlich die Entwicklung eines supraleitenden 36-Qubit-Quantenchips abgeschlossen. "Baidu wird weiterhin Durchbrüche bei der Integration von Quantensoftware und -hardware erzielen und die Industrialisierung des Quantencomputings vorantreiben", so ein Sprecher des Unternehmens gegenüber MIT Technology Review. Auch beim chinesischen Tech-Riesen Alibaba arbeiten Forscher an Quantencomputern mit supraleitenden Qubits.

In Japan kooperiert Fujitsu mit dem Riken-Forschungsinstitut, um Unternehmen ab April 2023 Zugang zum ersten selbst entwickelten Quantencomputer des Landes zu verschaffen. Er wird über 64 supraleitende Qubits verfügen. "Der anfängliche Schwerpunkt wird auf Anwendungen für die Materialentwicklung, die Arzneimittelforschung und das Finanzwesen liegen", sagt Shintaro Sato, Leiter des Quantenlabors bei Fujitsu Research.

Doch nicht alle folgen dem (womöglich ausgetretenen) Pfad der Supraleitung. Die indische Regierung hat sich verpflichtet, im Jahr 2020 gut 80 Milliarden Rupien (nicht ganz eine Milliarde Euro) für Quantentechnologien auszugeben. Ein großer Teil davon wird in Photonen-gestützte Systeme fließen – für die satellitengestützte Quantenkommunikation und für innovative photonische "Qudit"-Rechner.

Qudits erweitern die Möglichkeiten des Data Encoding von Qubits – sie bieten drei, vier oder mehr Dimensionen im Gegensatz zu den herkömmlichen binären 0 und 1, ohne dass sich die Möglichkeiten für Fehler zwangsläufig erhöhen. "Dies ist eine Arbeit, die es uns ermöglicht, eine Nische zu bilden, anstatt mit dem zu konkurrieren, was anderswo bereits seit mehreren Jahrzehnten getan wird", sagt Urbasi Sinha, der das Labor für Quanteninformation und -informatik am Raman Research Institute in Bangalore, Indien, leitet.

All das zeigt, dass der Bereich zunehmende Konkurrenz hervorruft, auch wenn die Szene vorerst noch gemeinschaftlich organisiert zu sein scheint. "Das Schöne am Quantensektor ist, dass der Wettbewerb hart ist, aber wir alle wissen, dass dieser notwendig ist", sagt Monroe. "Es gibt keine Nullsummenspiel-Mentalität: Wir haben verschiedene Technologien mit unterschiedlichem Reifegrad – und wir spielen im Moment alle noch miteinander. Irgendwann wird es eine Art Konsolidierung geben, aber noch ist es nicht soweit."

(jle)