Heiße Zwerge

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In seinem "Beam Fusion Reactor" erzeugt Tri Alpha zwei solcher Ringe, um sie dann mit 250 Kilometer pro Sekunde aufeinander zu schießen, beschleunigt von ringförmigen Magneten. Prallen die Plasmen zusammen, soll in der Mitte die Fusion entstehen. Jedenfalls in der Theorie: Bis vor Kurzem konnten die Forscher die Plasmaringe nicht länger als 0,3 Millisekunden aufrecht erhalten. Sie kippten zur Seite, veränderten ihre Form, kollidierten mit der Röhrenwand und lösten sich so auf.

Um das Plasma zu stabilisieren, beschoss Tri Alpha die Ringe mit schnellen Ionen und ergänzte das magnetische durch ein elektrisches Feld an den Enden des Reaktors. Das Ergebnis: Die Plasmaringe hielten im Schnitt fünf Millisekunden. Das ist immer noch weit vom eigentlichen Ziel – Stabilität für eine Sekunde – entfernt. Im nächsten Schritt will das Unternehmen daher auch die Heizenergie erhöhen. Die Temperatur des Plasmas soll hoch genug steigen, um zumindest eine Fusion von Tritium und Deuterium zu erzeugen.

Das Fernziel des Unternehmens geht aber weit darüber hinaus. Eigentlich wollen die Wissenschaftler Wasserstoff mit Bor verschmelzen. Diese Fusionsreaktion hat den großen Vorteil, dass dabei keine Neutronen frei werden, die mühsam abgeschirmt werden müssen. Ein solcher Fusionsgenerator ließe sich viel leichter für mobile Anwendungen wie U-Boote, Schiffe oder Flugzeuge verwenden. Die dafür notwendige Temperatur beträgt aber nicht 100 Millionen Grad Celsius – sondern drei Milliarden.

Auf Platz zwei der privaten Investitionen folgt General Fusion. Das kanadische Unternehmen hat mittlerweile rund 84 Millionen Dollar eingesammelt – unter anderem von Amazon-Gründer Jeff Bezos. Die Idee von Firmengründer Michel Laberge wirkt recht exotisch: General Fusion will eine Plasmakugel in einen Wirbel aus flüssigem Metall einschließen. Diesen Wirbel will sie dann mithilfe von Schockwellen extrem schnell zusammendrücken. Dabei soll der Druck im Inneren so stark zunehmen, dass die Atomkerne im Plasma verschmelzen.

Die Druckwellen werden von Zylindern ausgelöst, die synchron von außen auf eine flüssige Blei-Lithium-Mischung schlagen. 2013 veröffentlichte General Fusion ein Paper, in dem Bilder einer Hochgeschwindigkeitskamera zu sehen sind, die tatsächlich einen kollabierenden Wirbel zeigen. In den vergangenen zwei Jahren hat das Unternehmen mit Computersimulationen am Design für die Reaktorkammer gefeilt. Denn die wird nach Angaben von Michel Delage, Vizepräsident für Technologie und Unternehmensstrategie bei General Fusion, mit 200 Kompressionskolben bestückt.

Der zweite Schwerpunkt ist laut Delage die Arbeit an den Plasma-Erzeugern. Die spitz zulaufenden Injektoren produzieren Plasmaringe von rund zwei Metern Durchmesser, die sie dann auf 40 Zentimeter komprimieren. Dichte und Temperatur der Plasmaringe sind laut Delage "überraschend gut". Aber man kämpfe noch mit Instabilitäten.

Wellen schlug auch das Rüstungsunternehmen Lockheed Martin, als es im Oktober 2014 erstmals verkündete, an einem kleinen Fusionsreaktor zu arbeiten. Mutig verkündete der Konzern, in nur fünf Jahren könne man einen ersten Prototyp mit einigen Hundert Megawatt Leistung vorweisen, der "auf die Ladefläche eines Trucks" passt.

Mittlerweile ist Lockheed Martin etwas zurückhaltender. Auf Anfrage teilt das Unternehmen mit, es gebe keine Interviews zur Fusionsforschung. Alles, was nicht auf der Website veröffentlicht sei, betrachte man "als vertraulich". Teamleiter Tom McGuire durfte aber vor Kurzem zu den versammelten Wissenschaftlern des Instituts für Plasmaphysik in Princeton sprechen.

Kompakte Fusionsgeneratoren seien für mobile Zwecke hochinteressant, so der Plasmaphysiker gegenüber seinem skeptischen Publikum. Denn ein großes Transportflugzeug wie die C-5 Galaxy müsse bei jedem Start 125 Tonnen Treibstoff mit sich schleppen. "Wenn Sie das gegen einen Fusionsreaktor tauschen könnten, hätten Sie alle Vorteile, die atomar angetriebene Schiffe jetzt schon haben. Sie können rund um die Welt fliegen, ohne einmal auftanken zu müssen", sagte er. "Das wäre ein großes Ding. Normalerweise arbeiten wir schon extrem hart daran, auch nur zehn Prozent mehr Reichweite zu erzielen."

Allem PR-Getöse zum Trotz befindet sich die Entwicklung aber noch in einem frühen Stadium. Im Labor von McGuires Arbeitsgruppe steht eine rund zwei Meter lange Röhre mit einem Meter Durchmesser. Innen liegen zwei ringförmige, supraleitende Magnete, außen befinden sich diverse zusätzliche Magnetspulen.

Aufgeheizt wird das Plasma zunächst durch Mikrowellen und dann durch einen Teilchenstrahl – die magnetischen Felder halten das Plasma an seinem Platz in der Mitte der Röhre. Es verhält sich nach Angaben von McGuire recht "folgsam", ist aber noch nicht sonderlich heiß: 30000 Grad haben er und seine Kollegen erreicht. Der nächste Schritt sei eine Plasmaheizung mit 100 Kilowatt Leistung. Ein erster Prototyp, in dem tatsächlich Fusion stattfindet, könne aber schon bald gebaut werden. "Dieses Experiment brauchte drei Monate Vorbereitungszeit und drei Monate Bauzeit", erklärte McGuire den versammelten Plasmaforschern. "In fünf Jahren kann ich fast zehn Iterationen durchführen. Das ist schon ziemlich viel für einen Prototyp."

Unklar ist aber, mit welchem Material die Wand des Vakuumgefäßes beschichtet wird, um die Neutronen abzubremsen, die ein brennendes Plasma erzeugen wird. Nur eins ist sicher: "Wenn wir ein Material bekommen, das eine Neutronenleistung von zehn Megawatt pro Quadratmeter aushält, können wir das Gewicht des Reaktors auf 100 Tonnen begrenzen. Dann kann man ihn auch auf einen Laster laden. Schaffen wir nur ein Megawatt pro Quadratmeter, wird der Reaktor eben größer", erklärt McGuire.

Das Finale

Wer immer das Rennen macht – ITER wird ihm über die Ziellinie helfen.

Ob derart kleine Fusionsreaktoren möglich sind, muss also die zukünftige Forschung zeigen – unter anderem beim ITER. Auch Lockheeds Konkurrenten koppeln sich nicht völlig von dem Mammutprojekt ab, so sehr sie auch dessen Gigantomanie kritisieren. "Der große Vorteil von öffentlich geförderter Forschung wie bei ITER ist, dass alle Ergebnisse öffentlich sind", sagt Kingham. Auch er verspricht sich vom ITER praktische Erkenntnisse über das Material für die Plasmakammer. "Wir müssen Prioritäten setzen", setzt er hinzu. "Das bedeutet, die wichtigsten Probleme zu lösen und manche Fragestellungen erst mal offen zu lassen."

Culham-Forschungsleiter Cowley glaubt daher weiter an die Großforschung. Er deutet aus dem Fenster zum JET-Reaktor. "Der Tokamak ist bisher der einzige, bei dem wir eine Fusion geschafft haben. Ich bin sicher, ITER wird funktionieren, und ich möchte dort sein, wenn es passiert." Er lacht kurz auf. "So alt bin ich ja noch nicht." Fusionstriebwerke für Flugzeuge sind ihm deutlich zu spekulativ. "Das ist verrückt." Er zieht die Augenbraue hoch. "Die Physik gibt so etwas nicht her."

Weniger kritisch sieht es der finnische Kernphysiker Thomas Linden, der am Teilchenbeschleuniger Cern arbeitet und die Fusionsszene seit Jahren beobachtet. "Jedes der alternativen Konzepte beruht auf bekannten physikalischen Prinzipien und in vielen Fällen auf über zehn Jahren Forschung", sagt er. "Ich würde also nicht sagen, das ist alles spekulativ." Einen klaren Favoriten möchte er aber nicht benennen. In allen Fällen müssten weitere Experimente erst noch zeigen, "was funktioniert und was nicht". Das Wettrennen dürfte also noch spannend werden. (wst)