Heißer Markt

Dank gesetzlich vorgeschriebener Förderung boomt die Fotovoltaik-Branche gewaltig. Kritiker verweisen darauf, dass damit das Ziel sinkender Preise für den Sonnenstrom nicht erreicht wurde. Doch Abhilfe ist in Sicht.

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Von
  • Gordon Bolduan
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"Auf sechs Dächern betreibe ich Solaranlagen, kein einziges Dach gehört mir“, sagt Tobias Baar und grinst. Im Wohnzimmer seiner Wohnung wippt der 36 Jahre alte Vertriebsleiter im Schaukelstuhl hin und her, den solarbetriebenen Taschenrechner griffbereit, um die erzeugten Kilowattstunden auszurechnen. Seine erste eigene Anlage errichtete Baar 2000 auf dem Dach der Hauptschule in Saerbeck im Münsterland. Damals war er noch Student und musste umso härter um den Förderkredit kämpfen. Fortan hat er fast jedes Jahr Solarmodule auf Dächern montiert. Das tut er nicht nur aus Umweltbewusstsein.

Sein Lächeln verschwindet, als er erklärt: „Ich glaube nicht an die Riester-Rente. Meine Photovoltaik-Anlagen sollen mir den Lebensabend finanzieren.“ Der Gesetzgeber ermöglicht Baars Ruhestandsregelung, indem er alternative Energiequellen mit dem Erneuerbare- Energien-Gesetz (EEG) fördert. In der deutschen Solarstrom- Branche hat das zu einer gewinnbringenden Unruhe geführt: Rund 30 000 Menschen arbeiten inzwischen dort, bis 2020 erwartet ihr Bundesverband BSW rund 150.000 Beschäftigte. Im vergangenen Jahr hat die Solarindustrie ihre Produktion gegenüber 2004 um 67 Prozent erhöht. Wer so vorausschauend war, beim Börsengang im Herbst 1999 in Aktien der Bonner Solarworld zu investieren, kann sich heute über ein Plus von mehreren tausend Prozent freuen. BSW-Geschäftsführer Carsten Körnig nennt Deutschland bereits Solar Valley.

Eines allerdings ist der heißen Branche bislang nicht gelungen: Den für die Wirtschaftlichkeit entscheidenden Preis pro erzeugtem Watt Strom für den Endkunden nachhaltig zu senken. Trotz jahrelanger Forschung und Förderung deckte Photovoltaik im vergangenen Jahr erst 0,16 Prozent des deutschen Stromverbrauchs.

Manche Kritiker behaupten gar, der Sonnenstrom werde in Deutschland niemals einen merklichen Anteil an der Energieversorgung übernehmen können. „Die installierten Solarmodule werden aufgrund der schwankenden Einstrahlung nicht voll ausgelastet, außerdem müsste der Solarstrom um rund einen Faktor zehn weniger kosten, um wirtschaftlich zu sein“, sagt Professor Christoph Weber vom Lehrstuhl für Energiewirtschaft der Universität Duisburg-Essen. Das bedeutet allerdings nicht, dass sich die Installation einer Photovoltaik-Anlage für den Einzelnen nicht lohnen würde: Von 1999 bis 2003 griff das 100.000-Dächer-Programm der Kreditanstalt für Wiederaufbau, mit dessen zinslosen Krediten auch Tobias Baar seine erste eigene Anlage finanzierte.

Bereits im April 2000 startete das EEG und verpflichtete fortan die Stromversorger, Strom aus Solaranlagen zu festgelegten Preisen abzunehmen. Seit dem 1. August 2004 gilt das EEG in novellierter Form: 51,8 Cent pro eingespeister Kilowattstunde (kWh) über 20 Jahre hinweg spricht es Bundesbürgern zu, die im laufenden Jahr eine Anlage mit einer Leistung von bis einschließlich 30 Kilowatt (kW) in Betrieb nehmen. Bei einem Start 2007 wird die Vergütung bei 49,21 Cent liegen – sie wird jährlich um fünf Prozent gesenkt, damit die Industrie langfristig ihre Preise angleicht und nicht nur die Gewinne abschöpft.

Davon ist jedoch wenig zu sehen. Während Solarfirmen Rekordgewinne melden, bezahlen Sonnenstrom-Produzenten für ihre Module heute noch so viel wie vor mehreren Jahren. Mit genauen Angaben zur Preisentwicklung halten sich die einschlägigen Verbände zurück. Doch für Solarkraft-Fan Baar, der aus Eigeninteresse die Preise seit Jahren verfolgt, steht fest: „Zwischen Anfang 2004 und Anfang 2006 hat es bei einigen Modulherstellern einen Preisanstieg um 15 Prozent gegeben.“ Als wichtigsten Grund für diese Entwicklung nennen Branchenvertreter gern die Knappheit eines Materials, das für fast jeden Typ von Solarzellen unverzichtbar ist: Silizium. Zwar ist es prinzipiell in fast unbegrenzter Menge als Sand verfügbar, doch nicht in der nötigen Reinheit: Nicht mehr als 0,0000001 Prozent Fremdmaterial darf in Solar-Silizium stecken – anspruchsvoller ist nur noch die Chip-Industrie.