Heißer Markt

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Um derart reines Silizium zu gewinnen, überführen Chemiker das Rohsilizium in gasförmiges Trichlorsilan. Im so genannten Siemens-Verfahren wird es mit Wasserstoff in einem Reaktor auf 1000 Grad Celsius heiße Siliziumstäbe geleitet. Nach einer Zersetzungsreaktion setzt sich das hochreine Silizium an diesen Stäben ab, die zu Kristallsäulen heranwachsen. Diese können in Blöcke gebrochen und in Quarztiegeln eingeschmolzen werden; die Schmelze erstarrt dann zu mono- oder multikristallinen Blöcken. In Scheiben (Wafer) von rund 200 Mikrometern geschnitten, werden sie über mehrere Schritte zu Solarzellen verarbeitet, wobei multikristalline einen tendenziell geringeren Wirkungsgrad haben.

Die kapitalintensive und energieverschlingende Produktion von Solarsilizium liegt zu 80 Prozent in der Hand von vier Unternehmen: der deutschen Wacker Chemie, dem US-Konzern Hemlock Semiconductor, der Solar Grade Silicon, ebenfalls aus den USA, und der japanischen Tokuyama Corporation. Und tatsächlich hat sich der Solarstrom-Boom stark auf den Preis für Silizium ausgewirkt: In den 90er Jahren lag er im Bereich um 40 bis 45 Dollar pro Kilogramm, berichtet Matthias Raetz, Beschaffungschef bei Q-Cells; in den Jahren 2002 und 2003 habe es dann einen Einbruch um fast 50 Prozent gegeben. Seit 2004 aber geht es rund: In langfristigen Verträgen sind die Preise laut Raetz wieder auf 45 bis 50 Dollar gestiegen, auf dem Spotmarkt für sofortige Lieferungen würden teilweise deutlich über 200 Dollar pro Kilo verlangt.

Der Anstieg der Modulpreise lässt sich damit allerdings nicht erklären: Das Fachmagazin „Photon“ rechnete der Branche im März genüsslich vor, dass der Wertanteil des Siliziums im Endprodukt dafür viel zu gering sei. Passend dazu verkündete die Europäische Vereinigung der Photovoltaikindustrie (EPIA), dass die pro Solarwatt benötigte Menge Silizium seit dem Jahr 2000 von 17 auf heute nur noch zehn Gramm gesunken ist.

BSW-Geschäftsführer Körnig mag diese Zusammenhänge nicht bestreiten – und stellt für die nähere Zukunft sinkende Modulpreise in Aussicht: „Wir befinden uns gerade auf einem vorübergehenden Preisbuckel. Die Unternehmen müssen viel investieren, in Forschung, den schnellen Ausbau der Fabriken sowie Vertriebsnetze im In- und Ausland. Das geht nicht ohne Gewinne. Die Investitionen werden sich jedoch sehr bald in deutlich sinkenden Solarstrom-Kosten auszahlen.“

Große Aufmerksamkeit bekommt derzeit die Technologie der Dünnschicht-Zellen, deren Siliziumschicht 100 bis 200 Mal dünner ist als die von auf Wafern basierenden Solarzellen. Je nach den verwendeten Verbindungen bestechen sie nicht nur durch ein sattes Blau oder Schwarz auf dem Dach – herkömmliche Zellen sind mit dünnen Leiterbahnen besetzt –, auch das Zusammensetzen zu Modulen entfällt bei der Herstellung. Den prinzipbedingt geringen Wirkungsgrad nehmen die Hersteller dabei in Kauf: Laut dem BSW entstehen derzeit zehn neue Dünnschicht-Fabriken mit einem Gesamtinvestitionsvolumen von rund 500 Millionen Euro in den nächsten beiden Jahren. Manche Hersteller kommen sogar ganz ohne das graue Gold aus und verwenden stattdessen Cadmium-Tellurid-Verbindungen oder Verbindungen aus Kupfer, Indium und Selen für die so genannten CIS-Zellen. Die Würth Solar GmbH & Co. KG in Baden-Württemberg zum Beispiel baut für 55 Millionen Euro eine neue Produktionshalle für CIS-Zellen. Ab 2007 sollen dort 125 Mitarbeiter jährlich rund 200 000 Zellen herstellen. Und weiter weg in Kalifornien plant das Start-up Nanosolar eine riesige Fabrik für Zellen nach einem ähnlichen Prinzip. Zu den Investoren gehören die Google-Gründer Larry Page und Sergej Brin.

„Langfristig führt kein Weg an Silizium vorbei“, sagt allerdings Timon Wehnert vom Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT) Berlin zu diesen Anstrengungen. Auch andere Experten vertreten diese These, denn Indium und Tellurid sind im Gegensatz zum Silizium durch ihr Vorkommen begrenzt und nicht nur durch Fertigungskapazitäten. Ob mit dünnen oder dicken Schichten oder ganz ohne Silizium: Noch können die Hersteller sich wohl darauf verlassen, dass der Preis für Sonnenstrom und damit die Nachfrage nach Solarzellen hoch bleibt. Ein Vorstoß der stellvertretenden CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden Katherina Reiche, die Vergütungssätze bei der bis 2007 anstehenden Überprüfung deutlich zu reduzieren, sorgte zwar Ende Mai kurz für Schrecken in der Branche und an der Börse. Doch Reiche fand laut BSWMann Körnig wenige Anhänger: „Dies war eine unreflektierte Einzelmeinung und nicht der Wille der Koalition.“

Das mag sich ändern – doch wer noch schnell genug eine Solaranlage aufs Dach oder in den Vorgarten stellt, braucht sich um eine neue Politik nicht zu sorgen: Auf jeden Fall gilt die ab dem Startjahr zugesagte Vergütung pro Kilowattstunde für die vollen 20 Jahre. Deswegen bleibt auch Tobias Baar ganz gelassen. Mindestens bis 2020, sagt sein Solar-Taschenrechner, kann er sich im Durchschnitt auf jährliche Einnahmen aus Sonnenstrom von 14 500 Euro freuen. (wst)