Hier kommt die Blockchain ins Spiel

Ob Logistik oder Versicherungen: Zahlreiche Branchen hoffen auf einen Wachstumsschub durch die Blockchain-Technologie. Ein Überblick.

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Lesezeit: 13 Min.
Von
  • Katja Scherer
  • Joseph Scheppach
Inhaltsverzeichnis

Falsche Fische finden

Fischliebhaber sollten aufpassen: Oft landet auf ihrem Teller ein anderer Meeresbewohner als der, den das Etikett einer Fischpackung verspricht. Der Grund muss nicht immer Betrug sein, auch das Papierchaos, das von Hafen zu Hafen in verschiedenen Sprachen anfällt, ist oft schuld. Aus einem Percidae, einem Barsch, wird da schnell mal ein Triglidae genannter Knurrhahn und umgekehrt. Solche Fehler passieren überall in der Logistik. Dazu kommen hohe Kosten: Das Bearbeiten von Frachtpapieren, so schätzt die Antwerpener Hafenbehörde, macht bis zu 50 Prozent der Kosten beim Containertransport aus. Hoffnung setzen Logistikunternehmen nun in die Blockchain.

"Sie ist im Vergleich zu anderen IT-Systemen leichter zu handhaben und relativ kostengünstig zu implementieren", sagt Philipp Sprenger vom Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML. Ein Grund: Daten in der Blockchain gelten als sehr sicher, deshalb ist der zusätzliche Aufwand für den Datenschutz gering. "Diese Technologie wird die Logistik deutlich effizienter machen." Das Emirat Dubai mit dem größten Seehafen der Nahostregion hat bereits Fakten geschaffen: Bis 2020 sollen dort alle Handelsdokumente durch digitale Verträge auf Blockchain-Basis ersetzt werden.

Wer ist am Verladen beteiligt? Wo befindet sich welcher Container wann? Solche Daten können mithilfe der Blockchain in einer Art digitalem Kassenbuch hinterlegt werden. IBM und die weltgrößte Reederei Maersk haben so schon Blumen aus Kenia bis zu ihrem Eintreffen in Rotterdam verfolgt. "Der große Vorteil der Blockchain: Dadurch, dass die Daten direkt, redundant und mit Hashwerten referenziert in der Blockchain gespeichert werden, können sie nicht manipuliert werden", sagt Logistikexperte Sprenger. Hashwerte sind Prüfsummen, mit denen die Integrität von Daten überprüft wird. Zudem sind die Daten in einer Blockchain für alle relevanten Akteure zugänglich, für Außenstehende dagegen verschlüsselt.

Inzwischen arbeiten Logistikunternehmen auf der ganzen Welt an Blockchain-Projekten. Im Hafen von Antwerpen beispielsweise erhalten Testcontainer eine einzigartige Identifikationsnummer. Dank der Blockchain-Lösung kann nun sichergestellt werden, dass nur jeweils die richtigen Transporter grünes Licht für die Abholung bekommen. "Theoretisch wäre so etwas natürlich auch mit konventionellen Datenbanken möglich, aber der Aufwand für die manipulationssichere Datenspeicherung und den Austausch wäre dann deutlich größer", so Sprenger.

Autos teilen

"Wie Uber, aber tausendmal besser", wirbt Christopher David für sein Unternehmen Arcade City. Er ist selbst ehemaliger Uber-Fahrer und hat nun auf Basis von Blockchain einen eigenen Fahrdienst gegründet. Sein Ziel: seinem alten Arbeitgeber den Rang abzulaufen und eine neue Form der Sharing Economy zu etablieren.

TR 10/2017

(Bild: 

Technology Review 10/2017

)

Dieser Artikel stammt aus der Oktober-Ausgabe von Technology Review. Das Heft war ab dem 14. September 2017 im Handel und ist im heise shop erhältlich.

Die Kritik an den bisherigen Sharing-Plattformen ist ihre Tendenz zur Monopolbildung: Je mehr Nutzer eine Plattform hat, desto attraktiver wird es für andere Nutzer mitzumachen. Das verleiht einer Plattform Macht, etwa um beliebig die Kosten zu erhöhen und den Fahrern die Bedingungen zu diktieren. David will eine demokratischere Alternative schaffen: Über die Blockchain sollen Nutzer direkt miteinander verhandeln, ganz ohne Vermittler.

Das Uber der Zukunft könnte so aussehen: Eine Frau will ein Auto leihen und bekommt über die Software angezeigt, welche Wagen frei sind. Mittels eines digitalen Vertrags vereinbart sie mit dem Autobesitzer Dauer und Preis, das Auto öffnet sie mit ihrem Smartphone. Das dezentrale Transaktionsregister prüft die Identität der Nutzer und stellt die Zahlung sicher.

Nach einem ganz ähnlichen Prinzip soll die App, an der das junge Unternehmen Slock.it im sächsischen Mittweida gerade arbeitet, automatisierte Leihverträge für Wohnungen abwickeln. Noch aber sind viele Fragen offen. "Beispielsweise können Zahlungen, die innerhalb der Blockchain getätigt werden, selbst bei Fehlern nicht rückabgewickelt werden – eine Voraussetzung, die rechtlich in vielen Fällen notwendig ist", sagt Stephan Zimprich, Leiter der Kompetenzgruppe Blockchain beim Verband der Internetwirtschaft eco. Bis solche Rahmenbedingungen nicht geklärt sind, ist die bessere Sharing Economy noch weit entfernt.

Illegalen Handel stoppen

Die Polizei schätzt, dass bei rund jedem dritten Gebrauchtwagen in Deutschland der Tachostand manipuliert ist. Der TÜV Rheinland will Fälschern nun mit einem digitalen Fahrtenbuch auf Blockchain-Basis das Handwerk legen: Dabei sollen Autos regelmäßig über einen Stecker ihren Tachostand auf verschiedene Rechner in der ganzen Welt übertragen. Per Smartphone-App können Besitzer den echten Kilometerstand abrufen und ein Zertifikat herunterladen. Es versichert Käufern und Verkäufern, dass der Kilometerstand stimmt.

Auch in anderen Branchen arbeiten Forscher und Unternehmen daran, mithilfe der Blockchain Fälschungen und illegalem Handel vorzubeugen. Das britische Start-up Everledger etwa listet auf seiner Internetseite die verschlüsselten Daten von mehr als 770000 Diamanten auf. So können Käufer Steine zweifelsfrei identifizieren und erkennen, ob ein Verkäufer tatsächlich rechtmäßiger Besitzer ist. Ähnliche Datenbanken gab es zwar schon früher – allerdings zentral gespeichert und damit deutlich leichter manipulierbar.

In der 3D-Druck-Branche können Fälschungen sogar über Leben und Tod entscheiden. Dank passgenauer Ersatzteile aus dem 3D-Drucker lässt sich heute zwar so mancher Motorschaden in Schiffen oder Flugzeugen kostengünstig und schnell beheben. Aber wie stellt man sicher, dass die beauftragte Firma genau die Originaldaten des Teils druckt und keine billige, sicherheitskritische Kopie aus minderwertigen Materialien?

Um für einen sicheren Datenaustausch zwischen Konstrukteur, Druckdienstleister und Endkunden zu sorgen, entwickelt nun eine Forschergruppe am Ulmer Uni-Institut für Verteilte Systeme eine durchgängige Sicherheitskette, die auf der Blockchain-Technologie basiert. Das SAMPLE (Secure Additive Manufacturing Platform) genannte Verbundprojekt wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie mit 2,6 Millionen Euro gefördert.

"Die Blockchain kann man sich hier wie eine Liste vorstellen, in die jeder Beteiligte seine Herstellungsschritte einträgt", so SAMPLE-Mitarbeiter Felix Engelmann. Erteilt etwa ein Flugzeugbauer einem Druckdienstleister die Lizenz für die Fertigung eines Ersatzrotors, wird die Druckfreigabe erst erteilt, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind; etwa die Übermittlung einer bestimmten Lizenznummer für ein autorisiertes Druckermaterial. "So lässt sich beispielsweise ein Design über so einen Smart Contract registrieren, der dann überprüft, dass dieses Design nicht schon früher von jemand anderem registriert wurde", erklärt Engelmann.

Einen hundertprozentigen Schutz bietet das Transaktionsprotokoll jedoch nicht. "Wir ermöglichen zwar interessierten Benutzern, die Echtheit nachzuweisen und alles zurückzuverfolgen", so Engelmann. Aber die Blockchain könne nicht verhindern, dass der Druckerbetreiber Teile vervielfältigt und an Personen verkauft, die nicht an der Echtheit der Teile interessiert sind.