IEEE-News: 10-GBit-WLAN, Light Communication, Ethernet im Auto

Seite 4: Spezifiziert, aber nie implementiert

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Alle sechs Jahre verdoppelt sich der Umfang der 802.11er-Spezifikation. Viele der Funktionen wurden nie implementiert und Fachleute klagen, dass es immer schwieriger wird, die Norm zu lesen.

(Bild: IEEE)

Zu den Abschusskandidaten gehören auch viele Funktionen, die zwar spezifiziert, aber nie implementiert wurden. Da 802.11-2020 schon ohne 802.11ax einen Umfang von knapp fünftausend Seiten haben dürfte, tut TGmd gut daran, die Scheu gegenüber der Axt im Wald abzulegen. Insider berichten, dass es immer schwieriger wird, die Norm zu lesen, zu verstehen oder gar zu überarbeiten. Zu groß sei das Konvolut aus Abhängigkeiten und Kleinkram geworden.

Andererseits drängen mit jeder neuen Ergänzung etliche Funktionen in die 802.11-Norm, von denen viele nie implementiert werden. Mit seinen schon heute mehr als fünfhundert Seiten ist 802.11ax keine Ausnahme. Am Ende wird weit weniger als die Hälfte des Textes wirklich in Produkten zu findende Funktionen beschreiben. Der große Rest sind Sonderlocken, die Teilnehmer aus Kompromiss- und Patentgründen durchgesetzt haben.

Im industriellen Umfeld sind drahtlose Datenkommunikationsnetze ein großes Thema. Licht braucht man in Fabrikhallen ohnehin – also könnte man es auch für die Datenkommunikation verwenden.

(Bild: IEEE)

Diese Sorge um zu große Komplexität beeinflusste auch die Abstimmung bezüglich der Einrichtung einer Study Group (SG) zur Untersuchung, ob Light Communication (LC) ein Teil der 802.11-Norm werden soll. Nicht zuletzt wegen eines Vortrags in der Tutorialreihe IEEE 802 sprach sich die Mehrzahl der 802.11-Teilnehmer für weitere Studien aus. Der Vortrag fasste die im vergangenen Jahr herausgearbeiteten Vorteile zusammen, die eine Datenkommunikation mittels Licht im sichtbaren Spektrum – andernorts auch LiFi genannt – ermöglicht. Jedoch gab es auch im September noch Uneinigkeit darüber, ob ein Projekt als Erweiterung der Norm (z. B. 802.11xy) oder eigenständig (z. B. 802.11.3) entwickelt werden soll.

Vor dem gleichen Problem stand schon die Entwicklung der 60-GHz-Norm 802.11ad (WiGig). Damals entschieden sich die Teilnehmer für eine Erweiterung von 802.11, obwohl sie befürchteten, dass sie zu sehr ausgewalzt werden könnte. Doch eine eigenständige Norm war noch bedrohlicher – man hätte ältere Patentzusagen wohl erneut einfordern müssten. Diese Letter of Assurance (LoA) genannten Patentzusagen halten die IEEE 802 ohnehin auf Trab, seitdem 2015 umstrittene Änderungen der mit den LoA einhergehenden Lizenzierungsbedingungen durchgesetzt wurden. Daher ist noch nicht absehbar, in welcher Form LC oder LiFi in ferner Zukunft Einzug in 802.11 halten könnte. Vielleicht bringt der Global LiFi Congress, der im Februar 2018 in Paris stattfinden soll, etwas Licht ins Dunkel.

Nach wie vor mehr Zukunftsmusik als Realität bleiben 802.11ad (WiGig), dessen Nachfolger 802.11ay, sowie 802.11ah (HaLow). Allen drei Spezifikationen fehlt es an Marktnachfrage. Im Mai wurde 802.11ah sieben Jahre nach dem Start der Entwicklung endlich veröffentlicht. Obschon die WFA alle Arbeiten an der Grundlage des HaLow-Programms bereits 2016 beendet hatte, brauchte die IEEE-SA (Standards Association) eine gehörige Weile, die Norm ins rechte Format zu pressen.

Die Dinge des Internet der Dinge könnten theoretisch auch die IEEE-Spezifikation 802.11ah zur Kommunikation nutzen. In Europa ist im zugehörigen Band von 863 bis 868 MHz nur ein seltener Sendebetrieb erlaubt.

Die Zukunft der 11ah-Norm alias HaLow ist jedoch noch fraglicher als zuvor. Eigentlich sehen die WFA-Statuten vor, dass Zertifizierungsprogramme ohne hinreichende Hardwareunterstützung der Industrie eingestellt werden. Aber auch nach ihrer Juni-Tagung setzte das Board of Governors, das die WFA leitet, diese Regel für HaLow aus. Wie lange das so weitergeht, ist schwer abzuschätzen. In der Branche munkelt man, dass Qualcomm auf einem fertigen Chip-Design sitzt, dieses aber mangels Nachfrage und alternativer Implementierungen gegenwärtig nicht in Produktion bringt. Klar ist, dass Qualcomm nicht auf den Entwicklungskosten sitzen bleiben will und massive Lobbyarbeit betreibt, um insbesondere die europäische Spektrumsregulierung HaLow-freundlicher zu gestalten.

In Europa dürfen Geräte, die im HaLow-Frequenzband von 863 MHz bis 868 MHz arbeiten, nur sehr selten senden. Diese Duty Cycle genannte Beschränkung der Kanalnutzung schöpft 802.11 allerdings schon mit den periodischen Beacon-Paketen voll aus, sodass für HaLow in Europa keine Zeit mehr für die Nutzdaten übrig bleibt. Aber in dem von HaLow anvisierten Spektrum arbeiten viele Garagenöffner, PKW-Fernbedienungen und andere Kurzstreckensender. Deshalb führen Kritiker ins Feld, dass HaLows deutlich höhere Sendeleistung und -dauer zu vielen Störungen führen dürfte. Da auch Qualcomms HaLow-Mitstreiter schwächeln, köchelt 802.11ah auf absehbare Zeit weiter auf Sparflamme. Bei Newracom kriselt es und Methods2Business kann bisher keine Kunden vorweisen.

Im Gegensatz zu HaLow ist bei WiGig (802.11ad) mittlerweile Hardware in Form von WLAN-Basen verfügbar. Die Chip-Hersteller Peraso, Broadcom, Intel und Qualcomm bieten auch Client-Lösungen an, aber passende Endprodukte sind rar. Da verwundert es schon, wie gemächlich TGay die zweite Generation des 60-GHz-Funks namens 802.11ay vorantreibt. Bislang ist nicht mal eine stabile erste Fassung verfügbar, und die erste Abstimmungsrunde über 802.11ay wurde auf den November aufgeschoben.

Die Deutsche Telekom und Facebook haben eine eigene Vorstellung, was man mit dem bisher wenig verwendeten 60-GHz-Funk anfangen könnte. Umgewandelt zu WTTH (Wireless to the Home) könnten sich Netzbetreiber damit mancherorts den teuren Glasfaserausbau ersparen.

(Bild: IEEE/Deutsche Telekom)

Diese Gelegenheit nutzten die Deutsche Telekom und Facebook, um ihre ganz eigene Sicht auf 802.11ay anzupreisen. Die beiden Giganten werben dafür, 802.11ay zum FTTH-Konkurrenten zu machen (Fiber to the Home). In der passenderweise Wireless to the Home (WTTH, bzw. allgemeiner WTTx) genannten Idee sieht die Deutsche Telekom offensichtlich einen Weg, den aufwendigen Glasfaserausbau per Funk über Millimeterwellen zu umgehen.

Der Vorschlag fand bei den TGay-Teilnehmern trotz der sehr allgemein gehaltenen Beschreibung großen Anklang. Inwieweit sich das TGay dominierende Kartell aus Intel, Qualcomm, Huawei und Broadcom von den beiden Internet-Riesen beeinflussen lässt, bleibt aber unklar. Laut Insidern tagt es trotz aller kürzlich gemeldeten Skandale immer noch im Geheimen.