IEEE-News: 10-GBit-WLAN, Light Communication, Ethernet im Auto

Die IEEE treibt eine enorme Menge an Spezifikationen voran: Das 10-GBit-WLAN könnte schon Ende 2018 auf den Markt kommen. Messungen zeigen, wie gut Ethernet eigentlich ins Auto passen würde.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 5 Kommentare lesen
IEEE-News: 10-GBit-WLAN, Light Communication, Ethernet im Auto
Lesezeit: 26 Min.
Von
  • Jennifer Li
Inhaltsverzeichnis

Die nächste WLAN-Generation namens 802.11ax soll den Durchsatz für einzelne Clients gegenüber dem aktuellen 11ac vervierfachen. Der neue Standard, der mit einigen WLAN-Konventionen bricht, könnte schon Ende 2018 auf den Markt kommen. Kein Wunder, dass er seit unserem letzten Bericht zur WLAN-Weiterentwicklung im März 2017 das beherrschende Thema der Industrie rund um das Institute of Electrical and Electronics Engineers (IEEE) ist. Sie traf sich in den vergangenen Monaten unter anderem zur Tagung der Wi-Fi Alliance (WFA) in Kanada sowie zu Tagungen der IEEE-Arbeitsgruppe 802.11 in Korea, Berlin und jüngst in Hawaii.

Der aktuelle Standard 11ac erreicht brutto bis zu 3,5 GBit/s, 4 MIMO-Streams, 160 MHz Kanalbreite. 11ax soll beispielsweise bislang proprietäre, höherstufige Modulationen bis 1024QAM verwenden (10 Bit pro Symbol). Damit kommt man bei sonst gleichen Parametern auf 4,8 Gigabit pro Sekunde. Es halten sich jedoch hartnäckige Zweifel, dass 802.11ax tatsächlich die vierfache Leistung gegenüber 802.11ac erreichen wird. Das schnellere Modulations- und Kodierschema 1024QAM hilft nur auf kürzester Distanz. Und 11ax wird keine breiteren Funkkanäle verwenden als 11ac – also ebenfalls 160 MHz. Woher soll dann der Geschwindigkeitsgewinn kommen?

Bei 802.11ax entscheidet die WLAN-Basis in einem Multi-User-Szenario anhand der Client-Anforderungen, wie ein Kanal alloziert wird. Generell lässt sie keine Ressource Unit ungenutzt (RU). Sie kann aber einem einzelnen Client den gesamten Kanal zuweisen – genau so wie bei 802.11ac – oder die Ressource portionieren, um mehrere Nutzer simultan zu versorgen.

Viele Hersteller sehen daher in der neuen OFDMA-Technik den Hauptvorteil. Dieses von WiMAX (802.16) und LTE bekannte Verfahren bringt nämlich eine zentrale Koordination des Medienzugriffs mit; der klassische 802.11-Zufallszugriff kommt so seltener zur Anwendung. Anstatt dass viele Clients um das Senderecht konkurrieren, bewirbt sich bei OFDMA die WLAN-Basis (Access Point, AP) um das Senderecht und teilt es anschließend ihren Clients zu. So wird der Funkkanal besser ausgeschöpft als beim klassischen 802.11-Zugriffsverfahren (listen before talk -- and wait a while ;-).

Mit OFDMA kann die WLAN-Basis ihren Clients Funkfrequenzen flexibel zuteilen, also mal mehr, mal weniger. Zum Beispiel könnte ein 802.11ax-AP eine Sendegelegenheit (Transmission Opportunity, TXOP) in einem 80-MHz-Kanal in ein rund 40 MHz und ein rund 20 MHz breites Stück für je einen Client sowie zwei weitere rund 10 MHz breite Stücke für zwei weitere Clients aufteilen. Einen 20-MHz-Kanal können bis zu neun Clients und einen 160-MHz-Kanal sogar bis zu 74 Clients gleichzeitig nutzen. Die Aufteilung richtet sich nach dem Verkehrsbedarf der einzelnen Clients.

Diese teilen der WLAN-Basis den Füllstand ihrer Warteschlangen entweder über explizite oder huckepack gesendete Information mit. Damit kann die Base die Funkzuteilungen planen. Die Norm beschreibt aber nicht, wie das zu machen ist – es bleibt jedem Hersteller überlassen, ein eigenes Verfahren zu entwickeln.

Typischerweise berücksichtigt die Planung, wie viele Bytes in den Warteschlangen eines Clients stehen. Clients teilen den Verkehr in die vier Warteschlangen "Telefonie", "Video", "Normal" und "Hintergrund" ein. Warteschlangen mit höherer Priorität erhalten eher das Senderecht. Clients, die viele Daten gepuffert haben, bekommen mehr Spektrum als Clients, die nur wenige Daten senden müssen.

So kann der AP einen Client mit 50 kByte in der Warteschlange gegenüber einem mit nur 1 kByte in der Warteschlange bevorzugen. Beide können wie gewünscht gleichzeitig senden, aber dem Client mit der längeren Warteschlange würde die Basis einen höheren Durchsatz gestatten, damit er den Funkkanal so schnell wie möglich wieder für andere frei gibt. Dafür könnte sie dem ersten Client so viel Spektrum geben, dass er mit bis zu 100 MBit/s senden kann, während der andere Client auf nur rund 2 MBit/s kommt. Beide hätten ihre Warteschlange nach 4 ms geleert.

Wie in LTE nimmt damit aber die Paketlaufzeit zu, da die WLAN-Basis erst einmal wissen muss, wer wieviel zu senden hat. Insgesamt überwiegen jedoch die Vorteile, da das bis dato bei 802.11 genutzte Kanalzugriffsverfahren den Anforderungen nicht mehr gewachsen ist; besonders in dicht besiedelten Gebieten mit hoher WLAN-Verbreitung führt es zu unnötig schlechter Auslastung des Funkkanals. Zugunsten höherer Effizienz bricht 802.11ax also mit bisherigen Konventionen und kann mit Fug und Recht als Zäsur in der Tradition der WLAN-Entwicklung angesehen werden.

Das mit großem Tamtam in der zweiten Generation von 802.11ac-Chips eingeführte Multiuser-MIMO (MU-MIMO) wird auch bei 802.11ax zunächst auf die Abwärtsstrecke, also von der WLAN-Basis zum Client (Downlink, DL) beschränkt bleiben. Mit DL MU-MIMO sendet eine Base räumliche getrennte Datenströme an zwei oder mehr Clients gleichzeitig. Anders als bei OFDMA sendet oder empfängt bei MU-MIMO jeder Client im gesamten Frequenzband, und Datenpakete werden über mehrere Antennen auf unterschiedliche Ausbreitungspfade (räumlich getrennte Datenströme) gelotst.

Die 802.11ax-Norm fügt Uplink MU-MIMO als Option hinzu. Damit können zwei oder mehr Clients auf Geheiß der Basis gleichzeitig Daten an sie senden. Dabei muss jedoch nicht nur das Timing der Clients stimmen, sondern auch Frequenzverschiebungen minimiert werden und genügend unterschiedliche Ausbreitungspfade verfügbar sein. Weil 802.11ax mit OFDMA aber bereits ein Verfahren einführt, das gleichzeitige Clientübertragungen ermöglicht, hat sich die WFA gegen eine Aufnahme von UL MU-MIMO in ihr erstes 802.11ax-Zertifizierungsprogramm ausgesprochen.

Dennoch ist das Interesse der Chip-Hersteller an 11ax groß. Nachdem Quantenna schon 2016 und Anfang 2017 dann Qualcomm mit der Ankündigung von Produktmustern vorpreschten, stieß im August 2017 auch Broadcom hinzu. Aber die Markteinführung von zertifizierten Geräten wird noch auf sich warten lassen. Denn wie aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen zu hören war, liegen die Arbeiten am zugehörigen WFA-Zertifizierungsprogramm aktuell deutlich hinter dem – ohnehin sehr optimistischen – Zeitplan. Dennoch erwarten einige Hersteller nach wie vor eine Verabschiedung des Programms bereits im Dezember 2019.

Doch aufgrund des neuen OFDMA-Verfahrens (Orthogonal Frequency Division Multiple Access), mit dem sich die WLAN-Industrie noch vertraut machen muss, erscheint es aktuell realistischer, mit einer Markteinführung erst ab 2020 zu rechnen – Pessimisten nennen auch schon mal das Jahr 2021. Vorher könnten aber durchaus schon Produkte ohne Zertifizierung auf dem Markt erscheinen, die dann gemäß irgendeinem 11ax-Zwischenstand funken. Manche Hersteller fühlen sich nämlich durch aufstrebende Alternativtechniken wie MuLTEfire und LAA-LTE unter Zugzwang. Das legen einige Produktmusterankündigungen bereits jetzt nahe. Den Kunden bleibt zu wünschen, dass ihnen das Chaos erspart bleibt, das die Pre-802.11n-Produkte seinerzeit verursachten. Große Hoffnung besteht jedoch nicht.

Mit dem am 5. Oktober veröffentlichten Entwurf 2.0 der IEEE-Norm 802.11ax sind die verbliebenen 1500 Kommentare, die während der Abstimmung über die erste Fassung der Norm eingingen, beantwortet worden. Die Arbeitsgruppe TGax ist zuversichtlich, die nun begonnene zweite Abstimmungsrunde mit deutlicher Zustimmung überstehen zu können. Spätestens zur November-Tagung wird das Abstimmungsergebnis bekannt gegeben.

Damit würde 802.11ax zur Erweiterung von 802.11-2016 und noch vor Verabschiedung der nächsten Hauptfassung 802.11-2020 erscheinen. Diese Hauptfassungen werden von der Maintenance-Gruppe erarbeitet, die sich im Mai zum vierten Mal konstituiert hat und TGmd genannt wird. Ihre Aufgabe ist die Integration der Norm 802.11-2016 mit den Erweiterungen 802.11ai (Fast Initial Link Setup), 802.11ah (Sub 1 GHz), 802.11aq (Pre-Association Discovery), 802.11ak (General Link) und 802.11aj (Chinese Millimeterwave) in die nächste Hauptfassung der Spezifikation 802.11-2020.

Wenn TGax das erwartete Tempo halten kann, würde auch 802.11ax noch in diese Hauptfassung integriert werden. Deshalb schlug ein Mitarbeiter von HPE im Juli vor, die 11ax-Projektziele dahingehend zu ändern, dass auch Frequenzen zwischen 5,925 GHz und 7,125 GHz berücksichtigt werden. Obschon noch gar nicht klar ist, ob der US-amerikanische Regulierer FCC und seine europäische Pendants dem Wunsch der Wi-Fi-Industrie entgegenkommen werden, will TGax schon jetzt vorbereitet sein und ein Kanalraster samt Nummerierung festlegen. Diese Nummerierung würde durch 802.11ax allgemein Eingang in 802.11-2020 finden und somit auch älteren 802.11n oder 802.11ac-Geräten dienen, falls deren Hersteller sie mit Firmware-Updates für mehr Spektrum ertüchtigen. Nachdem Qualcomm bereits 2016 davor warnte, dass WLAN künftig zu wenig Funkspektrum zur Verfügung stünde, hat sich die WFA dem Ruf nach weiteren Funkkanälen angeschlossen.

Und die gut geölte Industrie-Lobby sorgt dafür, dass das Thema nun auch in ETSI und im Electronic Communications Committee (ECC) der European Conference of Postal and Telecommunications Administrations (CEPT) diskutiert wird. Entsprechende Studien in Europa werden sich zunächst auf Frequenzen bis 6,425 GHz beschränken. Ob der in den USA anvisierte Bereich von 6,425 GHz bis 6,725 GHz oder sogar bis 7,125 GHz auch Berücksichtigung findet, hängt besonders davon ab, ob WLANs in diesem Bereich Rücksicht auf primäre Nutzer wie Richtfunkstrecken nehmen können. Mit Stolz verweisen die Wi-Fi-Hersteller dabei immer auf die Dynamic Frequency Selection (DFS), mit der sie im 5-GHz-Spektrum schon heute den primären Radarnutzern Vorrang geben. Ein ähnliches Verfahren wird für das 6-GHz-Spektrum noch zu entwickeln sein, um Richtfunkverbindungen vor Störungen durch Wi-Fi zu bewahren.

Der größte Streitpunkt der TGax bleibt das Spatial-Reuse-Verfahren. Damit lernen WLAN-Basen, wann sie trotz schwach sichtbarer Nachbarnetze doch senden könnten. Sinnvoll genutzt könnte das bei dichter "Funkbebauung" den Durchsatz erhöhen. Doch wie genau der genehmigte Störfunk Gewinn abwerfen darf, darüber gehen die Meinungen sehr auseinander, sodass eine Lösung kaum greifbar scheint. Deshalb entschied die WFA kurzerhand, Spatial Reuse nicht in ihr Zertifizierungsprogramm aufzunehmen. Doch Broadcom kündigt an, Spatial-Reuse-Verbesserungen im Alleingang in den eigenen Produkten zu implementieren. Das geht, weil Broadcom eine große Menge an Patenten in den 802.11ax-Entwurf gedrückt hat. Man kann annehmen, dass diese über Broadcoms Hauptkunden Apple einen so großen Sog entfalten werden, dass der übrige Markt später schlicht folgen muss.

Diese Verbesserungen, die es Geräten erlauben, die Übertragungen anderer Geräte zu ignorieren, um häufiger den gleichen Funkkanal simultan zu nutzen, sind bei konservativen Herstellern höchst umstritten. Sie befürchten, dass ältere Geräte in der Nachbarschaft von 802.11ax-Funkern unter die Räder kommen. Deshalb untersagt auch die europäische Frequenzregulierung derlei Umtriebe im 5-GHz-Band. Wenn Clients weniger Rücksicht auf andere Funkteilnehmer nehmen wollen, schreibt die europäische Norm EN 301 893 zwingend eine Senkung der Sendeleistung vor. Andere Spatial-Reuse-Maßnahmen sind sogar ganz untersagt. Deshalb dürfen Broadcoms Funktionen bis auf Weiteres in Europa nicht angewendet werden.

Obschon die anderorts hochgelobte 802.11ax-Norm für viele Kunden voraussichtlich nur marginale Verbesserungen bringen wird, könnte das WFA-Zertifizierungsprogramm aus einem ganz anderen Grund höchst interessant werden. Die für die verbesserte WLAN-Verschlüsselung WPA3 vorgesehene, als RFC 8110 normierte Opportunistic Wireless Encryption (OWE) hat das Potenzial, unverschlüsselte WLANs zu beerdigen. Für den professionellen Einsatz verspricht der Rückgriff auf die Suite B genannten Empfehlungen der NSA, dass die Schlüssellängen von Hash- und Verschlüsselungsalgorithmen zueinander passen. Außerdem verspricht der Einsatz von Schlüsselaustausch gemäß Diffie-Hellman, dass Wörterbuchangriffe ins Leere laufen.

Zum ersten Mal flankiert die eingangs erwähnte Arbeitsgruppe 802.11 TGmd ernsthaft die Maßnahmen der WFA zur Verbesserung der Verschlüsselung. Obwohl die Verschlüsselungsverfahren WEP und WPA1 (TKIP) auch in der Spezifikation 802.11-2016 schon als deprecated (überholt) gekennzeichnet sind, blockierten bislang einzelne 802.11-Teilnehmer Versuche, diese Altlasten ganz aus der Norm zu löschen. Vertretern einiger Firmen war es nicht peinlich, zu argumentieren, dass WEP und TKIP nicht gelöscht werden dürften, weil deren Kunden weiterhin auf diese unsicheren Verfahren setzen. Nur deshalb wurden diese längst geknackten Verfahren jahrelang mitgeschleppt. Aber nun stehen sie endlich auf der Abschussliste der TGmd.

Alle sechs Jahre verdoppelt sich der Umfang der 802.11er-Spezifikation. Viele der Funktionen wurden nie implementiert und Fachleute klagen, dass es immer schwieriger wird, die Norm zu lesen.

(Bild: IEEE)

Zu den Abschusskandidaten gehören auch viele Funktionen, die zwar spezifiziert, aber nie implementiert wurden. Da 802.11-2020 schon ohne 802.11ax einen Umfang von knapp fünftausend Seiten haben dürfte, tut TGmd gut daran, die Scheu gegenüber der Axt im Wald abzulegen. Insider berichten, dass es immer schwieriger wird, die Norm zu lesen, zu verstehen oder gar zu überarbeiten. Zu groß sei das Konvolut aus Abhängigkeiten und Kleinkram geworden.

Andererseits drängen mit jeder neuen Ergänzung etliche Funktionen in die 802.11-Norm, von denen viele nie implementiert werden. Mit seinen schon heute mehr als fünfhundert Seiten ist 802.11ax keine Ausnahme. Am Ende wird weit weniger als die Hälfte des Textes wirklich in Produkten zu findende Funktionen beschreiben. Der große Rest sind Sonderlocken, die Teilnehmer aus Kompromiss- und Patentgründen durchgesetzt haben.

Im industriellen Umfeld sind drahtlose Datenkommunikationsnetze ein großes Thema. Licht braucht man in Fabrikhallen ohnehin – also könnte man es auch für die Datenkommunikation verwenden.

(Bild: IEEE)

Diese Sorge um zu große Komplexität beeinflusste auch die Abstimmung bezüglich der Einrichtung einer Study Group (SG) zur Untersuchung, ob Light Communication (LC) ein Teil der 802.11-Norm werden soll. Nicht zuletzt wegen eines Vortrags in der Tutorialreihe IEEE 802 sprach sich die Mehrzahl der 802.11-Teilnehmer für weitere Studien aus. Der Vortrag fasste die im vergangenen Jahr herausgearbeiteten Vorteile zusammen, die eine Datenkommunikation mittels Licht im sichtbaren Spektrum – andernorts auch LiFi genannt – ermöglicht. Jedoch gab es auch im September noch Uneinigkeit darüber, ob ein Projekt als Erweiterung der Norm (z. B. 802.11xy) oder eigenständig (z. B. 802.11.3) entwickelt werden soll.

Vor dem gleichen Problem stand schon die Entwicklung der 60-GHz-Norm 802.11ad (WiGig). Damals entschieden sich die Teilnehmer für eine Erweiterung von 802.11, obwohl sie befürchteten, dass sie zu sehr ausgewalzt werden könnte. Doch eine eigenständige Norm war noch bedrohlicher – man hätte ältere Patentzusagen wohl erneut einfordern müssten. Diese Letter of Assurance (LoA) genannten Patentzusagen halten die IEEE 802 ohnehin auf Trab, seitdem 2015 umstrittene Änderungen der mit den LoA einhergehenden Lizenzierungsbedingungen durchgesetzt wurden. Daher ist noch nicht absehbar, in welcher Form LC oder LiFi in ferner Zukunft Einzug in 802.11 halten könnte. Vielleicht bringt der Global LiFi Congress, der im Februar 2018 in Paris stattfinden soll, etwas Licht ins Dunkel.

Nach wie vor mehr Zukunftsmusik als Realität bleiben 802.11ad (WiGig), dessen Nachfolger 802.11ay, sowie 802.11ah (HaLow). Allen drei Spezifikationen fehlt es an Marktnachfrage. Im Mai wurde 802.11ah sieben Jahre nach dem Start der Entwicklung endlich veröffentlicht. Obschon die WFA alle Arbeiten an der Grundlage des HaLow-Programms bereits 2016 beendet hatte, brauchte die IEEE-SA (Standards Association) eine gehörige Weile, die Norm ins rechte Format zu pressen.

Die Dinge des Internet der Dinge könnten theoretisch auch die IEEE-Spezifikation 802.11ah zur Kommunikation nutzen. In Europa ist im zugehörigen Band von 863 bis 868 MHz nur ein seltener Sendebetrieb erlaubt.

Die Zukunft der 11ah-Norm alias HaLow ist jedoch noch fraglicher als zuvor. Eigentlich sehen die WFA-Statuten vor, dass Zertifizierungsprogramme ohne hinreichende Hardwareunterstützung der Industrie eingestellt werden. Aber auch nach ihrer Juni-Tagung setzte das Board of Governors, das die WFA leitet, diese Regel für HaLow aus. Wie lange das so weitergeht, ist schwer abzuschätzen. In der Branche munkelt man, dass Qualcomm auf einem fertigen Chip-Design sitzt, dieses aber mangels Nachfrage und alternativer Implementierungen gegenwärtig nicht in Produktion bringt. Klar ist, dass Qualcomm nicht auf den Entwicklungskosten sitzen bleiben will und massive Lobbyarbeit betreibt, um insbesondere die europäische Spektrumsregulierung HaLow-freundlicher zu gestalten.

In Europa dürfen Geräte, die im HaLow-Frequenzband von 863 MHz bis 868 MHz arbeiten, nur sehr selten senden. Diese Duty Cycle genannte Beschränkung der Kanalnutzung schöpft 802.11 allerdings schon mit den periodischen Beacon-Paketen voll aus, sodass für HaLow in Europa keine Zeit mehr für die Nutzdaten übrig bleibt. Aber in dem von HaLow anvisierten Spektrum arbeiten viele Garagenöffner, PKW-Fernbedienungen und andere Kurzstreckensender. Deshalb führen Kritiker ins Feld, dass HaLows deutlich höhere Sendeleistung und -dauer zu vielen Störungen führen dürfte. Da auch Qualcomms HaLow-Mitstreiter schwächeln, köchelt 802.11ah auf absehbare Zeit weiter auf Sparflamme. Bei Newracom kriselt es und Methods2Business kann bisher keine Kunden vorweisen.

Im Gegensatz zu HaLow ist bei WiGig (802.11ad) mittlerweile Hardware in Form von WLAN-Basen verfügbar. Die Chip-Hersteller Peraso, Broadcom, Intel und Qualcomm bieten auch Client-Lösungen an, aber passende Endprodukte sind rar. Da verwundert es schon, wie gemächlich TGay die zweite Generation des 60-GHz-Funks namens 802.11ay vorantreibt. Bislang ist nicht mal eine stabile erste Fassung verfügbar, und die erste Abstimmungsrunde über 802.11ay wurde auf den November aufgeschoben.

Die Deutsche Telekom und Facebook haben eine eigene Vorstellung, was man mit dem bisher wenig verwendeten 60-GHz-Funk anfangen könnte. Umgewandelt zu WTTH (Wireless to the Home) könnten sich Netzbetreiber damit mancherorts den teuren Glasfaserausbau ersparen.

(Bild: IEEE/Deutsche Telekom)

Diese Gelegenheit nutzten die Deutsche Telekom und Facebook, um ihre ganz eigene Sicht auf 802.11ay anzupreisen. Die beiden Giganten werben dafür, 802.11ay zum FTTH-Konkurrenten zu machen (Fiber to the Home). In der passenderweise Wireless to the Home (WTTH, bzw. allgemeiner WTTx) genannten Idee sieht die Deutsche Telekom offensichtlich einen Weg, den aufwendigen Glasfaserausbau per Funk über Millimeterwellen zu umgehen.

Der Vorschlag fand bei den TGay-Teilnehmern trotz der sehr allgemein gehaltenen Beschreibung großen Anklang. Inwieweit sich das TGay dominierende Kartell aus Intel, Qualcomm, Huawei und Broadcom von den beiden Internet-Riesen beeinflussen lässt, bleibt aber unklar. Laut Insidern tagt es trotz aller kürzlich gemeldeten Skandale immer noch im Geheimen.

Dem Vorschlag von Phazr zufolge könnte WLAN ähnlich wie LTE in der FDD-Betriebsart unterschiedliche Frequenzblöcke fürs Senden und Empfangen verwenden (Frequency Division Duplex). Dabei könnte die Basis das 28-GHz-Band zum Senden nutzen und die Clients das herkömmliche 5-GHz-Band.

Mit Millimeterwellen beschäftigt sich auch die Startup-Firma Phazr. Phazr schlägt vor, bei WLAN ähnlich wie bei der verbreiteten LTE-Betriebsart unterschiedliche Frequenzblöcke fürs Senden und Empfangen zu verwenden (Frequency Division Duplex, FDD). Während der Juni-Tagung der WFA erläuterte Phazr in der Task-Group "Long Range" (LRTG), wie eine kommerzielle 5-GHz-Basis mit 802.11ac-Technik mittels Upconversion im lizenzpflichtigen 28-GHz-Band an Clients senden, die 28-GHz-Empfänger haben. Die Clients antworten im herkömmlichen 5-GHz-Band. Bis es soweit ist, wird aber noch eine umfangreiche, detaillierte Spezifikation zu erarbeiten sein. In der Zwischenzeit will Phazr zur November-Tagung der IEEE 802 ein weiteres Tutorial präsentieren.

Diese Frequenzband-Kombination ähnelt einem auch für Light Communication vorgeschlagenem Ansatz. Damit überbrückte Phazr gut 300 bis 400 Meter. Langfristig strebt Phazr eine WFA-Zertifizierung seines Systems an. Bis es soweit ist, wird aber noch eine umfangreiche, detaillierte Spezifikation zu erarbeiten sein.

Das IEEE-802.11-Pendant zur WFA-LRTG ist die Gruppe Wireless Next Generation (WNG). Auf den beiden Tagungen im Mai und Juli gab es einige interessante Beiträge, darunter den Vorschlag, 802.11 fit für zuverlässige Broadcast-Übertragung zu machen. Man könnte die Technik verwenden, um in Sportstadien oder Bahnhöfen vielen Nutzern simultan die gleichen Daten zu senden. Die Spezifikation hat das Zeug dazu, das bislang unbedeutende 802.11aa zu beerben, namentlich mit dem Robust Audio Video Streaming.

Fernsehzuschauern, die Sendungen per IPTV empfangen, beispielsweise das EntertainTV der Deutschen Telekom, könnte es helfen, im WLAN ruckelfreie Bewegtbilder zu bekommen, ohne auf die heute üblichen Hilfsmaßnahmen zurückzugreifen. Eine WNG-Studie bestätigte nun frühere Erkenntnisse, wonach WLANs viel Zeit mit dem Austausch von langsam gesendeten Kontrollnachrichten verschwenden und somit die Sendezeit für Nutzdaten verknappen.

Richtig politisch wurde es mit Vorschlägen, eine WLAN-IoT-Gruppe zu gründen, die auf einen eigenen, Bluetooth-Low-Energy-ähnlichen 802.11-Funk im 2,4-GHz-Band setzt. Doch Vertreter der auf HaLow hoffenden Firmen stellten, welch Wunder, das Ansinnen vehement in Frage. Sie sind der Meinung, dass HaLow (802.11ah) das Feld des Internet of Things (IoT) bestens bedient; WLAN-IoT lehnen sie als potenziellen Konkurrenten ab.

Die aktuellen 802.11-Spezifikationen taugen wegen zu hoher Stromaufnahme nicht für viele IoT-Anwendungen. Manche 802.11-Teilnehmer haben das mit Messungen wie der obigen belegt (Relationship of Peak Transmit Power and Internal Resistance of Battery), um für eine neue Norm zu argumentieren, die den Energiebedarf bremst.

(Bild: IEEE)

Dabei gibt es gute Gründe für eine neue Gruppe. Außer dem Vorteil des global verfügbaren 2,4-GHz-Bandes erwähnten die Verfechter von WLAN-IoT, dass erst neue Stromsparmechanismen den jahrelangen 802.11-Betrieb mit einer Knopfzelle ermöglichen werden. Letztlich bat die große Mehrheit der Teilnehmer die Vortragenden, zu einer der nächsten Tagungen weitere Details mitzubringen und auch den optimistischen Zeitplan zu erläutern [--| die Arbeiten an der neuen Spezifikation sollen demnach schon bis 2020 abgeschlossen sein.

Gut voran kommt die Arbeitsgruppe TGba, die "Wake on WLAN" spezifiziert – also 802.11ba respektive das Wake-Up Radio. Nach TGax ist sie die zweitgrößte in der 802.11-Abteilung und kann bereits ein Konzept vorweisen.

Offen ist, ob der Weckfunk einen eigenständigen Client implementiert oder als Teil eines WLAN-Clients aufzufassen ist. Dazu hat sich die ebenfalls von einem geheimen Firmenkartell dominierte TGba noch keine Gedanken gemacht. Das könnte nachteilige Folgen haben. Es gab schon Fälle, in denen solche scheinbar philosophischen Fragen zu spät geklärt wurden, sodass das Verständnis der Terminologie und der Struktur erschwert waren.

Beispiel "Wireless Distribution System": Jeder glaubte zu wissen, was WDS bedeutet. Da der Begriff aber nicht in der WLAN-Norm spezifiziert wurde, entstanden verschiedene Implementierungen und somit Chaos. Das könnte auch bei 802.11ba passieren. Wenn 802.11ba eine zweite Station neben der Haupt-Station definiert (STA), dann gibt es Fragen, die die Anmeldung betreffen. Teilen beide den gleichen Schlüssel? Gibt es vielleicht sogar Daten, die vom Wake-Up-Radio zur Haupt-Station weitergeleitet werden müssen? Die Fragen sind nicht unmittelbar wichtig. Aber langfristig sollte man sie auf jeden Fall beantworten.

Weniger rund läuft es in der Gruppe Advanced Access Network Interface (AANI), die sich der Frage widmet, wie 802.11 Teil von 5G werde könnte. Zunächst hatte sich die Mehrheit der 802.11-Teilnehmer dagegen ausgesprochen, eine eigene Variante der IMT-2020-Technologie gemäß den Eckpunkten der ITU-R zu entwickeln. Dann sollte AANI untersuchen, welche Schnittstellen erforderlich sind, damit die Mobilfunkindustrie 802.11 als Komplementärfunk nutzen kann. Da aber außer dem AANI-Vorsitzenden kaum jemand Beiträge einreicht, wird dieser vermutlich bald zurücktreten, um die Gruppe auflösen zu lassen.

Im Gegensatz zu den Auflösungstendenzen stand ein Vortrag der Juni-Tagung der WFA. Damit rief die Firma HPE dazu auf, die Grabenkämpfe zwischen 3GPP und WLAN-Industrie aufzugeben. Stattdessen sollen die WLAN-Firmen Schnittstellen entwickeln, um mehr Internetverkehr von den Mobilfunk- in die WLANs zu lenken und so besser mit der 5G-Entwicklung schrittzuhalten. Damit, so HPE, könne die WLAN-Industrie LTE-LAA ausstechen (die Mobilfunktechnik für unlizenzierte Frequenzen). Dann wären jegliche Debatten über eine feindliche Übernahme des 5-GHz-Frequenzbands durch den LTE-Mobilfunk obsolet.

Um WLAN attraktiver zu machen, will die WFA einige grundsätzliche Probleme angehen. Bis zum Ende dieses Jahres sollen die Verfahren Optimized Connectivity Experience (OCE) und Multiband Operation (MBO) fertiggestellt werden. Diese greifen auf einzelne Funktionen aus 802.11k (Radio Resource Measurement), 802.11v (Wireless Network Management) und 802.11r (Fast Roaming) zurück.

Derartiges Rosinenpicken ist bereits von proprietären Optimierungen von Apple und Cisco bekannt, wird mit dem Einzug von OCE und MBO in die zweite Fassung des WFA-Vantage-Programms aber einer viel größeren Geräte- und Benutzerbasis zugutekommen. Vantage verspricht nämlich besseres WLAN-Verhalten, sodass Clients zum Beispiel immer die schnellste oder nächstgelegene WLAN-Basis kontaktieren und auch leichter auf den richtigen Funkkanal geschubst werden können, ohne auf Lücken in der Norm oder herstellerspezifische Tricks vertrauen zu müssen.

Auf der Liste der Komponenten, die das Autogewicht hochtreiben, steht die Verkabelung an dritter Stelle. Ethernet kann mit seiner einfacheren Netztopologie helfen, Gewicht zu sparen und damit Spritkosten zu senken.

(Bild: IEEE/Molex)

Zwei sehr lesenswerte Tutorials bezogen sich auf Ethernet für Automobilanwendungen und praktische Erfahrungen mit Power over Ethernet. Der "Ethernet im Automobil" gewidmete Vortrag erläutert unter anderem, wieviel Aufwand für Datenkommunikation bereits heute in PKWs getrieben wird – auf der Liste der Komponenten, die zum Autogewicht beitragen, steht die herkömmliche Verkabelung immerhin an dritter Stelle. Ethernet könne ältere Bussysteme wie CAN oder Flexray ersetzen und mit seiner einfacheren Netztopologie helfen, Gewicht zu sparen -- und zwar ohne Einbußen bei der Sicherheit.

Die als Time-Sensitive Networking (TSN) bezeichneten Optimierungen setzen nicht nur auf Synchronisierung, sondern erlauben auch, Netzkapazität für unterschiedliche Datenströme zu reservieren, Warteschlangen herstellerübergreifend und deterministisch zu steuern sowie weniger wichtige Datenübertragungen von wichtigeren unterbrechen zu lassen. Gerade das Unterbrechen langer Daten-Elefanten durch kurze Daten-Mäuse hilft allen, im Mittel schneller ans Ziel zu kommen, weil durch das Fragmentieren langer Datagramme Lücken entstehen, in die kurze Sendungen schlüpfen können.

Dass Daten außerdem noch gleichzeitig mehrfach auf getrennten Pfaden zum Ziel reisen können, erhöht die Zuverlässigkeit derart, dass sogar der Ausfall einzelner Netzelemente und -verbindungen unterbrechungsfrei überwunden werden kann.

Stromführende Kabelbündel sind im Auto ein heikles Thema, weil sie sich erwärmen und zwar um so mehr, je mehr Kabel ein Bündel enthält und je enger das Bündel gepackt ist. Mit Ethernet lässt sich die Anzahl der Kabel senken, was sich im Labor positiv auf die Wärmeentwicklung niederschlug.

(Bild: IEEE)

Weil Ethernet über ein einzelnes Adernpaar nicht nur Daten befördert, sondern auch noch Strom liefert (Power over Datalines, PoDL), stellt die Netzwerktechnik alles bereit, um die Kabelanzahl im Pkw drastisch zu reduzieren. Dieses Merkmal stand im Mittelpunkt des zweiten Vortrags. Anhand von Messwerten führten die Autoren auf, mit welchen Verlustleistungen und der dadurch entstehenden Abwärme in verschiedenen Konfigurationen aus Kabelbündeln und –querschnitten zu rechnen ist.

Da PoDL-Ethernet bis zu 90 Watt Leistung transportiert, beobachteten die Autoren die Erwärmung von Bündeln aus 192 Ethernet-Kabeln bei Übertragung von bis zu 13,7 kW. Unter ungünstigen Bedingungen steigt die Temperatur um 40 Kelvin über die der Umgebung. In vielen Fällen bleibt die Erwärmung aber im grünen Bereich; die Zunahme betrug weniger als 20 K. (dz)