Im Wellness-Car

Der US-Fahrzeughersteller Ford will medizinische Systeme in seine Autos integrieren, die beispielsweise über den Blutzuckerspiegel informieren.

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Von
  • Emily Singer

Der US-Fahrzeughersteller Ford will medizinische Systeme in seine Autos integrieren, die beispielsweise über den Blutzuckerspiegel informieren.

Die Idee, Bordcomputern mehr Funktionen mitzugeben, haben mittlerweile viele Autohersteller – und sehen dies auch als Möglichkeit, sich gegenüber dem Wettbewerb abzusetzen. Einfache Systeme erlauben es nur, sich per Internet live über Verkehrsbehinderungen zu informieren. Der US-Konzern Ford hat nun drei Beispielanwendungen entwickelt, die den Rechner im Auto mit drahtlosen medizinischen Geräten und Gesundheitsdiensten verbinden, die Menschen mit chronischen Krankheiten helfen sollen.

Das erste Prototyp-System richtet sich an Menschen mit Diabetes und Asthma: Das Auto verbindet sich dabei mit einem drahtlosen Blutzuckermessgerät von Medtronic und erhält Allergie-Warnungen des Dienstes Pollen.com. Außerdem findet eine Synchronisation mit WellDoc statt, einer mobilen Healthmonitoring-Plattform.

"Die Menschen nutzen längst Spracherkennung zum Telefonieren oder zur Auswahl von Musik", sagt K. Venkatesh Prasad, der das Forschungsprojekt bei Ford leitet. "Was wir nun versuchen, ist diese Plattform um Gesundheits- und Wellness-Funktionen zu erweitern."

Das Auto mag ein eher merkwürdiger Ort für solche Anwendungen sein, doch Anand Iyer, Chief Operating Officer bei WellDoc, sieht darin große Vorteile. "Die Amerikaner verbringen jede Woche 230 Millionen Stunden in ihren Fahrzeugen." Diese Umgebung sei zudem einzigartig, weil sie eine gewisse Form von Privatsphäre biete.

WellDoc hat Programme entwickelt, mit denen Menschen mit Diabetes und anderen chronischen Krankheiten ihren Zustand überwachen können. Die Dienste geben laufend Rückmeldung anhand der Vorgaben der amerikanischen Diabetesvereinigung und anderer medizinischer Organisationen. Gleichzeitig können die Daten auch an betreuende Ärzte gehen, um ein besseres Gesamtbild eines Patienten zu erhalten.

Iyer, der selbst an Typ-2-Diabetes leidet, glaubt, dass die Nutzung im Auto für den Patienten nahtlos sein sollte. Wenn der Benutzer aufwacht, misst er seinen Blutzucker und sendet diesen an sein Welldoc-Profil auf Computer und Smartphone. Er bekommt dann beispielsweise den Hinweis, er solle jetzt etwas essen, weil der Zuckerspiegel niedrig ist. Ignoriert er diesen Hinweis, kann ihn dann auch das Auto wieder warnen. "Das Fahrzeug ist einfach ein weiteres Glied in der Kette, nicht mehr und nicht weniger. Selbst wenn es dann mit 100 km/h unterwegs ist", sagt Iyer.

Menschen, die das drahtlose Blutzuckermessgerät von Medtronic verwenden, könnten laufend über aktuelle Werte informiert werden. Das könnte beispielsweise für Eltern, die mit einem Diabetiker-Kind unterwegs sind, sehr nützlich sein, sagt Ford-Mann Prasad.

Der Allergiedienst von Pollen.com kombiniert das Navi des Autos mit Karten örtlicher Pollenmesswerte. Das könnte dann auf längere Sicht auch gleich in Handlungsanweisungen oder automatische Anpassungen im Fahrzeug münden – vom Schließen der Fenster bis zur Einstellungsveränderung bei der Klimaanlage.

Ford hat eine Anzahl verschiedener anderer gesundheitsrelevanter Projekte in Arbeit, darunter auch Sitze mit eingebauten EEG-Sensoren, um das Herz des Fahrers zu überwachen. Es könnte in einigen Jahren automatisch informieren, wenn dieser kurz vor einem Infarkt steht oder an anderen chronischen Herz- und Gefäßproblemen leidet. So ließen sich auch Unfälle vermeiden.

Healthrageous, ein weiterer Gesundheitsdienst, arbeitet mit Ford daran, schrittzählerartige Technologien zu implementieren, die das Aktivitätsniveau der Autofahrer überwachen. Der dafür notwendige Sensor könnte beispielsweise im Autoschlüssel stecken, den die meisten Fahrer sowieso mit sich herumtragen.

Auf die Frage, ob Menschen dann nicht weniger Auto fahren würden, muss Healthrageous-Chef Rick Lee grinsen. "Ford hat ja ein Interesse daran, dass die Leute, die die Autos der Firma fahren, weiter gesund bleiben, damit sie auch in Zukunft neue Fords kaufen." Außerdem habe der Konzern erkannt, dass man so neue Beziehungen zu den Kunden aufbauen könne, die über den reinen Autoverkauf hinausgingen. "Das Fahrzeug wird so zum medizinischen Gerät und zum Teil des Lebens." (bsc)