Interview: Microsoft wollte nichts von Linux und Open-Source-Software wissen

Seite 2: Holpriger Start des Linux- und Open-Source-Labors

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c’t: Sie haben das "Linux- und Open-Source-Labor" bei Microsoft aufgebaut. Wie sollte das Labor Interoperabilität voranbringen?

Hilf: Es war sehr interessant das Labor aufzubauen, auch weil es damals auf dem gesamten Microsoft-Campus in Redmond kein einziges Linux-System gab. Ich habe dem IT-Team eine zweistündige Präsentation gegeben, um ihnen zu erklären, was ich alles für das Labor brauche. Sie haben mir gesagt: "Pass auf, wir legen dir ein Glasfaserkabel durch die Wand, der Rest liegt bei dir." Mit meinem Budget habe ich viele Rechner gekauft und sobald die im Netz aufgetaucht sind, gab es Panik unter den Admins, weil sie nicht wussten, was das war.

Zur Verwaltung des bunten Serverparks im Open-Source-Labor wurde Microsofts SMS-Interface (System Management Server) eingesetzt.

(Bild: Bill Hilf, Open Source Jahrbuch 2006 (CC BY-ND 2.5))

Wir haben dann eine extrem durchmischte Umgebung von Hard- und Software zusammengestellt, um zu prüfen, ob und wie Microsoft- und Open-Source-Technik zusammenarbeiten kann. Das sollte zeigen, was möglich ist. Das Labor wurde auch das "Interoperabilitäts-Labor" genannt. Ich habe später eine Menge Leute aus der Open-Source-Community eingestellt und wir haben Systeme zusammengebracht, die so nie in einem Netz im Einsatz waren, einfach um zu gucken, ob es einen Ansatzpunkt gibt, wie die Systeme miteinander funktionieren können. Wir nannten es den "Mixer" und hatten ziemlich viel Spaß dabei.

»In C zu programmieren, während Bill Gates zusieht, ist nichts für schwache Nerven.«

Ab und zu bekamen wir die Gelegenheit, mit Microsoft-Prototypen zu arbeiten, um zu untersuchen, ob sie sich mit bestimmen Open-Source-Komponenten vertragen. Eines der interessantesten Teams, das in das Labor kam, hatte eine Bash-Runtime in Windows Server gebaut und nannte es das "Subsystem für UNIX-Anwendungen". Das war klasse, aber ich habe ihnen gesagt, dass es noch besser wäre, wenn es vollständig Linux-kompatibel wäre. Bei vielen Demos habe ich mich in ein Windows-Server-System eingeloggt und über das Subsystem Befehle ausgeführt, die man heute von Linux kennt.

c’t: Das klingt wie ein Vorgänger von WSL, dem "Windows Subsystem for Linux"?

Hilf: Kann sein, dass das heute so heißt, aber ich glaube nicht, dass es da eine Kontinuität in der Entwicklung gibt. Wir haben keine Software geschrieben, die später in Produkten gelandet ist. Es ging uns darum zu zeigen, was alles möglich ist.

c’t: Wie hat die Microsoft-Belegschaft auf das Labor reagiert?

Hilf: Es sind andauernd interessierte Mitarbeiter zu mir gekommen. Das Media-Services-Team wollte beispielsweise wissen, wie Linux mit Audio und Video umgeht, oder ob es DVR-Funktionen gibt. So um 2005 trat SELinux, Security Enhanced Linux, auf den Plan und das habe ich oft vorgeführt, auch gegenüber Bill Gates.

Er hat sich dafür interessiert, wie viel Kontrolle man als Linux-Administrator über das Betriebssystem hat. Er hat mich herausgefordert, dies und jenes auszuprobieren, manchmal musste ich dafür Anpassungen vornehmen und Software neu kompilieren. In C zu programmieren, während Bill Gates zusieht, ist nichts für schwache Nerven. Darüber hinaus habe ich viele Präsentationen gegeben, beispielsweise habe ich über den Linux-Kernel informiert oder der Rechtsabteilung den Unterschied zwischen Apache- und GPL-Lizenzen erklärt.

Öffnung in Raten

Microsofts Abkehr von der Geheimniskrämerei

Der wirtschaftliche Erfolg Microsofts gründete in der Anfangszeit auf gut gehüteten technischen Geheimnissen. Dem folgte eine ausgeprägte Open-Source-Phobie. Inzwischen hat sich Microsoft zu einem der größten Linux-Liebhaber gemausert.

c’t: Sie haben also eine Menge Leute in Kontakt mit Linux und Open Source gebracht?

Hilf: Ja, manchmal auch informell. Mark Shuttleworth, der Gründer von Canonical, hat mir mal fünf Kartons mit Ubuntu-Live-DVDs geschickt. Ich wusste erst nicht, was ich damit anfangen sollte, aber ich wollte sie nicht wegschmeißen. Am Ende steht noch in der Zeitung "Microsoft schmeißt Linux in den Müll." Ich hab sie also aufgehoben und ab und zu herausgegeben, wenn mich Leute gefragt haben, wie sie Linux mal ausprobieren können.

Ich habe Mark ein Jahr später getroffen und ihn gefragt, warum er mir die DVDs geschickt hat. Er hat gefragt "Wie viele hast du verteilt?" und ich antwortete "Alle." Er hat gelacht und gesagt "Jetzt weißt du, warum." Das war smart, weil es funktioniert hat.

Als das Labor Fahrt aufgenommen hat, habe ich mehr Leute eingestellt und kam mehr mit den Produkt-Teams in Kontakt. Da ging es dann wirklich darum, Interoperabilität zu fördern oder bestimmte Aufgaben unter Windows auszuführen.