Interview mit Mark Mayo: Firefox erfindet sich neu

Seite 2: Trennlinie zwischen Tracking und Werbung

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c't: Es gibt ja keine saubere Trennlinie zwischen Tracking und Werbung. Lässt der Tracking-Schutz noch Werbung durch?

Mark Mayo: Ja. Werbenetzwerke, die "Do Not Track" befolgen, sind auf der Whitelist.

Gab es negative Rückmeldungen aus der Werbewirtschaft oder von Publishern? Ihr eigener neuer CIO Katharina Borchert kommt aus dem Medienunternehmen Spiegel Online...

Es gab viele Gespräche und Sorgen. Wir haben uns auf ein spezifisches Benutzerbedürfnis konzentriert – Schutz vor Tracking – nicht auf einen Inhaltstyp, was komplizierter wäre. Ein Tracker kann alles mögliche sein: ein Werbebanner, ein transparentes Pixel, ein Skript. Cookies fängt der Private Modus ohnehin ab. Es gab nicht viel Panik oder Ärger, nachdem wir einmal erklärt haben, wie es funktioniert. Sogar der internationale Werbewirtschaftsverband IAB (Internet Advertising Bureau) musste kürzlich einräumen, dass sie vielleicht einen großen Fehler gemacht haben, indem sie die Rendite über die Bedürfnisse der Benutzer gestellt haben.

Ich bin immer ein Optimist, wenn es ums Web geht. Dessen zentrale Software, der Browser, heißt intern bei uns "Agent", denn er gleicht zwischen dem Publisher und dem Benutzer aus; es ist ein verhandlungsbasierendes Ökosystem, das sich weiterentwickelt. Wir haben das zum Beispiel bei Pop-up-Blockern gesehen oder beim Umgang mit unsicheren Inhalten auf sicheren Seiten. Die Browser agieren im Namen des Nutzers und verändern die Erwartungen, wie das Web aussehen sollte – und darüber entwickelt sich das Web weiter. Ich bin optimistisch, dass das auch in diesem Fall passieren wird.

Wie schätzen Sie die Auswirkungen auf die Online-Werbung ein?

Erst einmal wird das nur einen vernachlässigbaren Effekt haben. Der Tracking-Blocker greift ja nur im Privaten Modus ein, der ohnehin das Web ein bisschen kaputtmacht. Viele Webentwickler testen ihre Seiten bereits unter dem Privaten Modus. Deshalb war das ein guter Ort, um den Tracking-Schutz einzuführen.

Und in Firefox 49 wird der Tracking-Schutz per Default im Standard-Modus an sein?

Wir werden sehen. Das Schwierige an Software für Endverbraucher ist, dass man nie weiß, wie die Benutzer sie einsetzen oder darauf reagieren werden. Obwohl wir es getestet haben und Millionen Anwender die Alpha- und Beta-Versionen gesehen haben, gleicht nichts dem offiziellen Release mit ein paar hundert Millionen Nutzern. Oft finden wir dabei heraus, dass wir ein bisschen daneben lagen.

Das Web sicher zu machen, ist wirklich wichtig für uns. Eines unserer Design-Prinzipien ist aber, den Benutzern keine Angst einzujagen, ihnen mit einer neuen Sicherheitsoption kein schlechtes Gefühl zu geben. Und das passiert leicht, wenn man über "Schutz" und "Sicherheit" redet. Sie sollen sich gut fühlen, wenn sie das Web mit Firefox benutzen. Hier haben wir in der Vergangenheit oft Fehler gemacht. Wir sammeln Feedback von den Nutzern und entscheiden, wie wir mit dem Tracking-Schutz weitermachen.

Es ist ein interessanter Zeitpunkt für so ein Feature, denn meinem Eindruck nach haben Werbeblocker zumindest in Deutschland eine kritische Masse erreicht.

Wenn die Leute im Web nach Schuhen suchen und eine Woche später sehen sie überall auf ganz anderen Sites Schuhwerbung, ist das ein bisschen unheimlich. Das Problem dabei ist, dass viele Nutzer nicht verstehen, warum das passiert. Die Leute fangen an, das Web zu fürchten, und das ist das Gegenteil von dem, was wir wollen. Wenn die Leute sich im Web wohl fühlen, benutzen sie es mehr.