Jetzt funkt's an der Kasse

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Wer dabei den direkten Kontakt zum Endkunden hält, ist eine ebenso offene wie umstrittene Frage. Das Geflecht an Kooperationen ist kaum überschaubar. Visa etwa investierte in das Start-up Square, das Kreditkartenleser für Handys herstellt, und kaufte Fundamo, einen Anbieter mobiler Bezahlsysteme. Zudem trat die Kreditkartenfirma mit den Konkurrenten MasterCard, Discover und American Express dem Joint-Venture Isis der Mobilfunker AT&T, T-Mobile und Verizon bei – einem gemeinsamen Projekt für das Bezahlen mit NFC-Handys. Der Pilotversuch findet in Salt Lake City statt, wo Kunden Rabatte erhalten, wenn sie mit der Isis-App zahlen. American Express kooperiert nebenbei auch noch mit den sozialen Netzwerken Facebook und Foursquare.

In einem Akt der Vorwärtsverteidigung stellte MasterCard im Mai "PayPass Wallet" vor. Die cloudbasierte Lösung soll das Zahlen im E-Commerce einfacher und bequemer machen – und das Bezahlen im Netz und im Geschäft unter einem Dach vereinen. Damit wird der Kreditkartenanbieter zum direkten Konkurrenten der Ebay-Tochter PayPal. Das hat einen guten Grund: Im Netz erwachsen den Kreditkartenfirmen die schärfsten Wettbewerber. Key Pousttchi, Leiter der Forschungsgruppe Wi-Mobile an der Uni Augsburg, nennt sie "AGFEA" – Apple, Google, Facebook, Ebay und Amazon. Sie alle arbeiten ebenfalls an NFC-Lösungen für das mobile Bezahlen. "Es bleiben den etablierten Zahlungsanbietern zwei Jahre, um sich gegen den Ansturm zu wappnen, danach ist es zu spät."

Bereits jetzt dominieren Bezahlsysteme aus den USA das Internet. Das Smartphone bahnt ihnen nun den Weg in die reale Welt. "Wenn sich PayPal und Co. durchsetzen, hat das volkswirtschaftliche Folgen", warnt Pousttchi. "Es geht nicht nur um Hunderttausende Jobs, die nach Amerika abwandern. Die Gefahr besteht, dass US-Konzerne bald die globalen Zahlungsströme kontrollieren." Für die beteiligten Firmen ist das doppelt lukrativ: Sie streichen nicht nur Transaktionsgebühren ein, sie sammeln auch massenhaft Daten. Informationen aus der Zahlungsabwicklung sind bares Geld wert. "Der Einkauf im Supermarkt läuft bisher meist anonym ab", sagt Experte Himmelreich. Zahlen Kunden künftig im Laden per App, können sie ihr Kaufverhalten nicht mehr verschleiern. Das erlaubt Händlern maßgeschneiderte Rabatt- und Werbeaktionen. "Für solche Informationen geben Handelsfirmen gern Geld aus", sagt Himmelreich.

Am weitesten beim Mobile Payment ist Google. Die Kalifornier brachten vor einem Jahr "Google Wallet" auf den Markt. Auch hier braucht der Nutzer sich nur noch einmal anzumelden, um unter einer einheitlichen Marke sowohl in der realen Welt per NFC-fähigem Handy oder im Internet per Browser zu bezahlen. Die Liste der Kooperationspartner, darunter Foot Locker, Macy's und Duane Reade, wächst ständig. Nutzerzahlen kommuniziere Google nicht, sagt Sprecher Klaas Flechsig, aber über 150000 On- und Offlinehändler akzeptierten bereits Zahlungen mit Wallet. Wer Apps für Googles Betriebssystem Android erstellt, kommt schon jetzt nicht mehr am Google-Portemonnaie vorbei. Programmierer dürfen Verkäufe und Zahlungen, so schreiben es die Richtlinien vor, nur über Google Wallet abwickeln. Derzeit ist der Dienst, der eine Citi-MasterCard oder eine Google-Prepaid-Card voraussetzt, auf die USA beschränkt. Da sich der Konzern aber eine europäische Banklizenz gesichert hat, ist eine Expansion wohl nur eine Frage der Zeit.

Auch PayPal, mit mehr als 100 Millionen Kunden der größte Zahlungsdienstleister im Internet, will die Ladentheken erobern. Neben der gewaltigen Kundenbasis kann PayPal mit seinem guten Ruf punkten: In einer Umfrage der Werbeagentur Ogilvy & Mather landete PayPal hinter Visa, MasterCard und American Express auf Platz vier der vertrauenswürdigsten Mobile-Payment-Anbieter – weit vor Apple, Google und Facebook.

Allerdings setzt PayPal nicht auf NFC, sondern auf sogenannte QR-Codes ("Quick Response"). PayPal testet derzeit im Berliner Apple Store eine Lösung des Essener IT-Dienstleisters Itellium: Ein Kunde braucht mit seinem Smartphone und der entsprechenden App nur einen QR-Code abzufotografieren und den Kauf mit seiner Geheimzahl zu bestätigen. Bankverbindung und Lieferadresse sind schon im PayPal-Konto gespeichert. Die App übernimmt die Zahlung und meldet den Verkauf dem Warenwirtschaftssystem des Händlers, der die Ware dann ausliefert. Das vermeide lästiges Schlangestehen, argumentiert PayPal. Zwischen Händler und Kunde finde zudem weder ein direkter Datenaustausch statt noch komme es zum Versand sensibler Daten über das Internet.

Mit QR-Codes können Geschäfte ihre Produkte auch nach Ladenschluss an den Mann bringen, indem sie einen Code im Schaufenster anbringen. Onlinehändler wiederum können ihre Waren auch außerhalb des Internets zeigen, etwa auf Plakaten. Wie das funktioniert, zeigt das Unternehmen Tesco in Südkorea: Es beklebt U-Bahn-Haltestellen mit abfotografierten Supermarktregalen. Auf jedes Produkt ist ein QR-Code aufgedruckt – so kann ein Fahrgast zwischen zwei Bahnen seinen Einkauf erledigen. Weltmeister im Bezahlen mit QR-Codes ist Starbucks. Kunden können dort seit Anfang 2011 mit einer App zahlen. In den ersten 14 Monaten fanden mehr als 45 Millionen Transaktionen statt. Dazu muss der Kunde zunächst ein Starbucks-Konto einrichten und mit Geld aufladen. Um zu bezahlen, startet er seine Starbucks-App, die einen QR-Code auf dem Display erzeugt. Dieser wird an der Kasse eingescannt und der fällige Betrag vom Konto abgebucht. Wer die App nutzt, sammelt gleichzeitig Treuepunkte – ein Anreiz, der bei Starbucks-Kunden offenbar auf Akzeptanz trifft.

QR-Codes seien derzeit der effizienteste Weg, Kunden zum mobilen Bezahlen zu bewegen, sagt Nick Holland, Analyst bei der Yankee Group. Aber der Wendepunkt sei erreicht: 2015 würde die Funktechnik schon doppelt so häufig eingesetzt wie die QR-Codes. Der Umsatz über NFC-Transaktionen soll dann 230 Milliarden Dollar erreichen, schätzt die Yankee Group. Auch von Hammel-Bonten sieht im Abfotografieren von Schwarz-Weiß-Mustern nur eine Brückentechnologie: "Der Handynutzer muss den Extraschritt über die Kamerafunktion gehen – das macht den Geschwindigkeitsvorteil zunichte", sagt er. Die QR-Vorreiter bereiten sich deshalb schon auf die NFC-Zukunft vor. Starbucks will die Codes nur so lange nutzen, bis genügend NFC-Handys auf dem Markt sind. Und PayPal experimentiert in Schweden schon mit einer NFC-App.