Jetzt funkt's an der Kasse

Google, Ebay und andere Internetgrößen treiben das Bezahlen mit dem Handy voran. Dabei wetteifern sie mit Mobilfunk- und Finanzunternehmen um ein Milliardengeschäft mit Kundendaten und Transaktionsgebühren – sie alle wollen das Rennen um das Zahlungssystem der Zukunft machen.

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Von
  • Ingmar Höhmann
Inhaltsverzeichnis

Google, Ebay und andere Internetgrößen treiben das Bezahlen mit dem Handy voran. Dabei wetteifern sie mit Mobilfunk- und Finanzunternehmen um ein Milliardengeschäft mit Kundendaten und Transaktionsgebühren – sie alle wollen das Rennen um das Zahlungssystem der Zukunft machen.

Wenn ein Taxi in der zweiten Reihe hält, kann das Kramen nach Bargeld oder das Durchziehen einer Kreditkarte für alle Betroffenen zur Geduldsprobe werden. Im Rhein-Main-Gebiet bleibt ihnen dies künftig erspart. Die Genossenschaft "Taxi Frankfurt" rüstet ihre 1400 Wagen bis Juli mit Lesegeräten für das Bezahlen per Funk aus. Kunden brauchen dann nur noch eine spezielle Visa-Karte an das Terminal zu halten, und in weniger als einer Sekunde ist die Rechnung beglichen. Bei Beträgen bis 25 Euro ist weder Geheimzahl noch Unterschrift nötig. "Für Taxifahrer ist diese Zeitersparnis Gold wert", sagt Dieter Schlenker, Vorstandschef von Taxi Frankfurt.

Hinter dem berührungslosen Bezahlen steht weit mehr als nur ein Komfortgewinn für eilige Kunden – es ist zentraler Dreh- und Angelpunkt eines Verteilungskampfs um die Zahlungssysteme der Zukunft. Bisher waren die Claims fest abgesteckt: In der Offline-Welt zahlten Kunden mit Bargeld, Debit- oder Kreditkarten; im Internet per Kreditkarte, Überweisung oder über Spezialdienste wie PayPal. Nun verwischen die Grenzen zwischen online und offline: Internetunternehmen wildern im Revier etablierter Finanzdienstleister – und umgekehrt. "Banken, Kreditkartenfirmen, Telekomanbieter und Internetunternehmen wollen ihre jeweiligen Systeme zum Standard machen", sagt Achim Himmelreich, Vorsitzender der Fachgruppe E-Commerce beim Bundesverband Digitale Wirtschaft. "Aber auf dem Markt gibt es zu viele Player. Am Ende werden nur zwei oder drei Verfahren übrig bleiben."

Einer Studie des Kölner EHI Retail Institute zufolge wollen über die Hälfte der großen Handelsunternehmen in die Kartenakzeptanz-Infrastruktur investieren. Mit Abstand vorn liegen kontaktlose Bezahlverfahren. Fast drei Viertel der Firmen halten diese für besonders aussichtsreich.

Visa möchte mit der Taxi-Kooperation sein Bezahlverfahren "payWave" vorantreiben. Es basiert auf Kreditkarten, die zusätzlich einen sogenannten NFC-Chip besitzen. Das Kürzel steht für den Funkstandard "Near Field Communication" mit einer Reichweite von wenigen Zentimetern. Visa gibt in Europa gerade Millionen der neuen NFC-Karten aus. Mit ihnen sollen vor allem kleinere Beträge beglichen werden, bei denen Käufer bisher meist zum Bargeld gegriffen haben.

Beim Konkurrenten MasterCard heißt die gleiche Technik "PayPass". Allein in Deutschland sind schon über 1,2 Millionen entsprechend ausgerüstete Karten in Umlauf. Kunden können sie schon bei einer ganzen Reihe von Einzelhändlern und Tankstellen einsetzen. "PayPass ist keine Pilottechnik, sondern im Markt etabliert", sagt MasterCard-Sprecher Thorsten Klein. "Die Akzeptanz nimmt zu, weil der Handel beim Austausch von Terminals automatisch NFC-fähige Geräte erhält." Da es sich bei NFC um einen Standard handelt, können Terminals – wenn die richtige Software installiert ist – prinzipiell mit jedem der verschiedenen NFC-Anbieter arbeiten.

Die Sparkassen sowie die Volks- und Raiffeisenbanken kontern mit einem NFC-Zahlverfahren namens "girogo". Nach einer Pilotphase werden die Debit-Karten (vulgo "EC-Karten") der Institute ab Mitte des Jahres bundesweit mit integriertem NFC-Chip ausgeliefert. Bis 2015 sollen alle 45 Millionen Karten ausgetauscht sein. Die Konkurrenz verweist allerdings süffisant darauf, dass Sparkassen und Banken schon einmal mit einem Vorstoß beim Bargeldersatz gescheitert sind: "Girogo ist der Versuch, die Geldkarte als Kontaktlos-Version wiederzubeleben. Das wird nicht reichen", stichelt Klein. Während bei den Kreditkartengesellschaften nämlich die Beträge laufend abgebucht werden, müssen die Kunden von girogo ihre Karten vorab aufladen.

Für Horst Rüter, Leiter des Forschungsbereichs Zahlungssysteme beim EHI Retail Institute, war schon die Einführungsstrategie der Geldkarte falsch: "Nicht typische Kleinbezahlbranchen wurden als Piloten gewählt, sondern solche, die damit nichts an-fangen konnten – etwa Textilunternehmen." Außerdem sei das Aufladen zu umständlich. "Wer spontan etwas kaufen will und zu wenig Geld auf der Karte hat, muss erst eine Ladestation suchen."

Bei NFC wollen es die Betreiber nun besser machen. Girogo können Kunden auch im Geschäft aufladen. Zudem gibt es eine Abofunktion: Wenn sich das Guthaben dem Ende zuneigt, wird automatisch nachgeladen. Ein Nachteil bleibt aber bestehen: Wird eine Girogo-Karte gestohlen, ist auch der geladene Betrag weg – im Höchstfall bis zu 200 Euro. Anders bei NFC-Kreditkarten: "Bei Verlust geht kein Geld verloren, dem Karteninhaber droht kein Schaden", sagt MasterCard-Sprecher Klein.

Der Handel zumindest setzt dennoch auf girogo. Ketten wie Douglas, Edeka und Esso sind bereits Partner. Händler, die schon PayPass oder payWave akzeptieren, müssen zudem keine neuen Lesegeräte kaufen – die Terminals sind auf girogo nachrüstbar. Außerdem sind die Transaktionsgebühren für Händler bei girogo günstiger.

Doch unabhängig von der Frage, wessen Funk-Plastikkärtchen am erfolgreichsten sein werden – das eigentlich Spannende an der NFC-Technik ist ihr Potenzial, auch Handys zur Geldbörse zu machen. Viele neue Modelle von Sony, Samsung und Nokia haben NFC serienmäßig an Bord, wohl ebenso das nächste iPhone. Mit einer entsprechenden App funktionieren Handys dann genauso wie eine NFC-fähige Kredit- oder Debitkarte: Sobald das Smartphone die Verbindung mit dem Terminal des Händlers aufgebaut hat, wird der Betrag vom Konto eingezogen – bei Summen ab 20 Euro erst nach Eingabe der PIN.

Gelingt dem Mobiltelefon damit – nach einigen gescheiterten Versuchen – doch noch der Durchbruch als Zahlungsmittel? Nie standen die Chancen besser. Die Verbreitung von NFC-Karten und ihre steigende Akzeptanz in Supermärkten, Drogerien und Bekleidungsläden könnte auch NFC-Smartphones den Weg ebnen. "Das Ziel aller Projekte ist es, Debit- oder Kreditkarten auf das Handy zu bringen", sagt Christian von Hammel-Bonten, Vizepräsident Telekommunikation beim Finanzdienstleister Wirecard. "Aber es wird keine Revolution geben, sondern eine Evolution. Die Infrastruktur befindet sich erst im Aufbau." Dank NFC wird sich laut Analysefirma Juniper Research der Weltmarkt für Mobile Payment bis 2015 verdreifachen. Studienautor David Snow spricht von "spektakulärem Wachstum" quer durch alle Segmente – Banking, Bezahlvorgänge und Coupons.

Vordergründig dürfte es Kunden egal sein, ob der NFC-Chip im Handy oder in der Kreditkarte sitzt, sagt Experte Himmelreich. Doch in Verbindung mit einer Smartphone-App ergeben sich ganz neue Möglichkeiten: Das bargeldähnliche Bezahlen mit NFC kann nahtlos eingebunden werden in Anwendungen für Online-Banking, Bezahlen im Internet, Rabatt- oder Gutscheinsysteme, sodass der Nutzer nur noch eine zentrale Anlaufstelle hat für alles, was irgendwie mit Geld und Einkaufen zu tun hat. Smartphones bilden damit eine ideale Brücke zwischen Web und realer Welt.