Kälte ohne Kühlmittel

Die Schukey-Maschine verspricht zwei Lösungen auf einmal: Erstens kann sie aus Abwärme Strom erzeugen, zweitens umweltschädliche Kältemittel von Klimaanlagen überflüssig machen.

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Wer das Getriebe des grau-gelben Motormodells genauer ansieht, muss schlucken: An manchen Stellen sehen die Zahnräder aus wie abgefräst, kein Zahn gleicht dem anderen. Doch das gehört zum Konzept der sogenannten Schukey-Maschine. Entwickelt hatte sie der 2011 verstorbene Ingenieur Jürgen Schukey bereits in den 1980er-Jahren. Sie kann Strom aus Abwärme erzeugen, die sich bisher kaum nutzen ließ. Und sie kann ohne giftiges Kältemittel kühlen. Nach vielen Rückschlägen hat sie jetzt ihren ersten Praxistest hinter sich: In Hildesheim verstromte sie die Abwärme eines Blockheizkraftwerks (BHKW).

Das eigentümliche Getriebe treibt zwei Scheiben mit je vier Flügeln an, die in einem gemeinsamen Gehäuse rotieren. Durch die spezielle Verzahnung rücken die Flügel der einen Scheibe regelmäßig an die Flügel der anderen Scheibe heran und verdichten so den Raum dazwischen. Von außen angetrieben, funktioniert die Maschine als Kompressor, etwa für eine Klimaanlage. Wird heißer Dampf zwischen die Flügel geleitet, können sie einen Generator antreiben.

Derzeit befindet sich der Prototyp auf einem Prüfstand der Hochschule Hannover. Der Ingenieur Josef Meyer untersucht für seine Promotion mit Sensoren die thermodynamischen Vorgänge in den Kammern. Schließlich steht die praktische Erforschung der Maschine erst am Anfang. "Der Vorteil gegenüber einer Turbine: Der Schukey-Motor hat weniger Druckverlust", sagt Meyer. "Er läuft schon mit Dampf ab etwa 130 Grad und 1,5 Bar." So lasse sich auch die schwankende Energie industrieller Abwärme oder der Solarthermie nutzen, die eine Dampfturbine kaum in Fahrt bringen würde.

Meyer hält eins der Zahnräder hoch. Verglichen mit denen des bunten Demonstrationsmodells sieht es filigran aus. Die wechselnde Verzahnung ist mit bloßem Auge nicht mehr zu erkennen. Trotzdem ist es eine teure Einzelanfertigung. Dies sei aber kein Hindernis für einen kommerziellen Einsatz, sagt Volker Bergholter. Er ist Projektleiter der Thermodyna GmbH, die das Gerät auf den Markt bringen will. Für eine Serienherstellung müsse man zwar rund eine halbe Million Euro in eine entsprechende Produktionsmaschine stecken, aber dann ließen sich die Zahnräder zu ähnlichen Kosten herstellen wie Standardware.

Laut Berechnungen hat der Schukey-Motor einen Wirkungsgrad von etwa acht Prozent. Er soll die Effizienz eines Gasturbinen-BHKWs um bis zu 6,5 Prozentpunkte steigern. Was davon in der Praxis übrig bleibt, sollte der Versuch in Hildesheim zeigen, gefördert mit 1,5 Millionen Euro im Rahmen des EU-Projekts Micro-Trigeneration. 60 Kilowatt Wärme trieb eine Schukey-Maschine mit 2,1 Liter Hubraum und einem 5-Kilowatt-Generator an. Der gemessene Wirkungsgrad erreichte allerdings nur 2,38 Prozent.

"Die Berechnungen stimmen nach wie vor", beteuert Manfred Tragner, Geschäftsführer der 4ward Energy Research GmbH in Wien, die das EU-Projekt koordinierte. Ein Teil der Wirkungsgradverluste gehe auf Nebenaggregate wie die Wärmetauscher zurück. "Wir wissen genau, an welchen Stellschrauben wir noch drehen müssen, um die erwarteten Werte zu erreichen."

Nun wollen die Teilnehmer die gleiche Maschine mit einer 47 Quadratmeter großen Parabolrinnenanlage in der Steiermark testen. Später einmal soll der Motor auch mit normalen Vakuumröhrenkollektoren laufen. Hausbesitzer könnten dann im Winter mit einem Solarkollektor heizen und im Sommer die überschüssige Wärme verstromen. Insgesamt, meint Bergholter, ließe sich auf diese Weise eine ähnliche Klimabilanz wie mit einem Passivhaus erreichen – ohne aufwendige Isolierung. Die Stromgestehungskosten kann Bergholter allerdings noch nicht beziffern. Um den Wartungsbedarf abschätzen zu können, sei es noch zu früh.

Das wirtschaftlich größte Potenzial sieht Bergholter ohnehin im Einsatz als Autoklimaanlage. "Sie ist zwar nicht notwendigerweise wirtschaftlicher als eine herkömmliche Klimaanlage", gibt er zu. Dafür kann sie ohne umweltschädliche Kältemittel arbeiten, mit normaler Luft. "Die geringere Effizienz können wir durch kompakte Bauform und große Volumenströme kompensieren." Zudem gibt es in den Arbeitskammern kein Schmieröl, weil die Flügel das Gehäuse nicht berühren. Das führt zwar zu einem gewissen Kompressionsverlust, bedeutet aber auch: Die gekühlte Luft enthält keine Ölspuren und kann ohne weiteren Wärmetauscher verwendet werden. Das spart Gewicht, Bauraum und Kosten.

Die Autohersteller winken bisher jedoch ab. "Es gibt ein großes Beharrungsvermögen in der Branche", sagt Bergholter. Er ist nach eigenen Angaben aber weiterhin im Gespräch mit Automobilzulieferern.

Einfacher schätzt Bergholter den Markt für stationäre Klimaanlagen ein. Dabei ließen sich auch zwei Schukey-Maschinen koppeln: Die erste nutzt die Wärme von einem Solardach, um eine zweite anzutreiben, die als Kältekompressor dient. Das sei etwa für heiße Orte fernab des Stromnetzes interessant. Kunden im arabischen Raum hätten schon Interesse gezeigt, so Bergholter. (grh)