Kampf dem Datenstau

Das zukünftige Wachstum von Google hängt auch davon ab, wie schnell das Internet funktioniert. Deshalb tut der Suchmaschinenriese viel dafür, es zu beschleunigen.

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Von
  • Erica Naone
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Das zukünftige Wachstum von Google hängt auch davon ab, wie schnell das Internet funktioniert. Deshalb tut der Suchmaschinenriese viel dafür, es zu beschleunigen.

Googles Online-Anwendungen sind zahlreich. Sie sind meist praktisch und manchmal sogar originell. Sie werden von den besten Programmierern mit den neuesten Technologien entwickelt. Doch all das ist schnell hinfällig, wenn die Internetverbindung nicht mitspielt. Selbst die kostenlose Tabellenkalkulation von Google reagiert bisweilen noch zu langsam – bis eine eingetippte Zahl auch auf dem Bildschirm erscheint, kann einige Zeit vergehen. Den einfachen Anwender mag dies nur ärgern, den Software-Konzern aus Mountain View in Kalifornien jedoch könnte dies sogar in die Knie zwingen.

Denn das Unternehmen spekuliert darauf, dass selbst einfache Anwender bald ein grundlegend vernetztes Leben führen werden. Digital unterstützt von Google natürlich. Doch das setzt schnelle und verlässliche Verbindungen voraus, die bis heute im Internet nicht garantiert werden können. Mit der eigenen "Let's make the web faster"-Initiative geht Google daher das Übel nun selbst an. Ein tollkühnes Unterfangen, das sogar den Suchmaschinen-Giganten mit seinen Ressourcen und seinen Weltklasse-Technikern überfordern könnte.

Bisher hat Google seine dominierende Stellung bei der Websuche dazu genutzt, ein extrem profitables Werbegeschäft aufzubauen. Allein im vergangenen Jahr betrug der Nettogewinn 8,5 Milliarden US-Dollar bei einem Umsatz von 29,3 Milliarden Dollar. Doch auch Google ist klar, dass es sich auf die Suche nicht für immer verlassen kann: Jemand anderes – Microsoft oder ein Start-up – könnte eine bessere Suchmaschine bauen. Das soziale Netzwerk Facebook, das gerade seine eigene Vision vom Web realisiert, die auf sozialen Kontakten und persönlichen Präferenzen basiert und Google außen vor lässt, könnte dem Suchmaschinenkonzern ebenfalls den Rang ablaufen. Ebenso gut könnte eine bislang völlig unvorhergesehene Bedrohung auftreten.

Um seinen Anteil an der Online-Zeit der Internetnutzer zu erhöhen, hat Google daher bereits viele neue Produkte herausgebracht – nicht nur für PCs, sondern auch für innovativere Geräte wie Smartphones und Tablet-Rechner. Aber mit keinem davon werden bislang signifikante Umsätze erzielt. Aus diesem Grund hat Eric Schmidt, bis zum Januar 2011 CEO von Google, versucht, neue Wege zu eröffnen: Er forderte die Beschäftigten auf, Google als Unternehmen zu verstehen, das Software für Mobilgeräte herstellt – und zwar auf Grundlage eines Internets, das allgegenwärtig und schnell genug ist, um jegliche Aktivität optimal zu unterstützen. Um diesem Ziel auch nur nahe zu kommen, muss Google sich allerdings sputen. Denn wie steter Tropfen den Stein höhlt, so befürchtet der Internet-Gigant, könnte der allgegenwärtige Ärger über eine ruckelnde Verbindung dem Nutzer die Software aus dem Netz völlig verleiden.

Die Ursachen für den Stop-and-go-Verkehr sind komplex. Das zeigt bereits das einfache Zusammenspiel zwischen Browser und Webserver: Wenn jemand eine Webseite aufruft, löst das vielfachen Datenverkehr zwischen seinem Browser und den Servern aus, auf denen die Seite abgelegt ist. Der Server muss wissen, was er schicken soll. Dann reisen Programmbefehle mit Anweisungen zum Laden der Seite zurück zum Browser, unter Umständen zusammen mit Informationen darüber, wo zusätzliche Inhalte wie Bilder oder Videos abzurufen sind. An jedem derartigen Austausch ist eine Vielzahl an komplizierter und voneinander abhängiger Hard- und Software beteiligt, die veraltet, von vornherein schlecht programmiert oder zumindest überlastet sein kann. Die versendeten Daten passieren unterschiedlichste Arten von physischer Infrastruktur, von den Hochgeschwindigkeitsleitungen, die das Rückgrat des Internets bilden, über Telefonkabel bis zu den drahtlosen Verbindungen zwischen Heimrouter und PC.

Überall kann es dabei zu Performance-Problemen kommen. Der Server kann zu langsam sein. Der Browser kann Programmcode ineffizient verarbeiten. Der Code kann schlecht geschrieben sein. Obendrein basiert der Austausch darüber, welche Informationen gebraucht werden und ob sie heil angekommen sind, auf jahrzehntealten Protokollen. Damals dachte noch niemand an das Maß an Geschwindigkeit und Interaktion, das moderne Webanwendungen brauchen, um PC-basierte Software verdrängen zu können.

Heute durch das Web zu surfen "sollte sein wie am Fernseher den Kanal zu wechseln", sagt Arvind Jain, technischer Leiter von "Let's make the web faster" bei Google. Das Vorhaben begann vor zwei Jahren auf Initiative von Mitgründer Larry Page, der inzwischen als CEO fungiert. Doch dafür müssen sich viele Dinge ändern, über die Google selbst gar nicht die Kontrolle hat – vom Aufbau von Webseiten bis zu den Glasfaserkabeln, die Daten in die Häuser der Nutzer transportieren. Es gebe Probleme mit "jeder Komponente" des Internets, sagt Jain und fügt mit der für Google-Mitarbeiter nicht untypischen leichten Überheblichkeit hinzu: "Uns ist klargeworden, dass wir sie alle lösen müssen."

Von Anfang an arbeitete Jain mit einer kleinen Gruppe, zu der als Produktmanager auch Richard Rabbat gehört. Rabbat spricht gern etwas scherzhaft über Probleme mit dem Internet. Aber wie Jain ist er davon überzeugt, dass es unakzeptabel langsam ist, vor allem auf mobilen Geräten. Während seiner Jugend im Libanon hat er dies oft genug erfahren.