Kanada setzt auf kleine Atomkraftwerke

In drei Bundesstaaten des Landes sollen die Forschungsbemühungen ausgedehnt werden. Ziel ist weniger Kohlestrom.

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Kanada

(Bild: dpa, Chris Melzer/Archiv)

Lesezeit: 3 Min.

In Deutschland scheint das Thema Kernenergie abgehakt zu sein. Weder die Koalitionäre noch die Opposition – mit Ausnahme der AfD – machen Anstalten, die dereinst so zukunftsträchtige Technik wiederzubeleben, Klimafreundlichkeit hin oder her. Stattdessen läuft die längerfristige Abschaltung und Abwicklung der nur noch sieben Reaktorstandorte (Stand 2019) im Land.

In Kanada sieht man die Thematik allerdings ganz anders, obwohl mit Ministerpräsident Justin Trudeau und der liberalen Partei eher progressive Kräfte an der Macht sind. Das für Energiefragen zuständige Ministerium Natural Resources Canada (NRCan) hat 2018 das sogenannte Small Modular Reactors Program (SMR) aufgelegt, das das konkrete Ziel hat, neuartige Kernreaktoren zu entwickeln und in Einsatz zu bringen. Ziel der SMR-Initiative ist es, den CO2-Ausstoß durch fossile Brennstoffe wie Kohle zu reduzieren und gleichzeitig den vorhandenen Energiebedarf zu decken – trotz reichlich vorhandener grüner Energiequellen wie Wasserkraft.

In der SMR Roadmap heißt es, es handele sich bei den Reaktoren um die "nächste Welle nuklearer Innovation". Dabei soll nicht nur Strom in vorhandene Energienetze eingespeist werden, sondern auch eine Versorgung konkreter Anwendungen erfolgen – eigene SMRs etwa für die Schwerindustrie oder abgelegene Regionen Kanadas, die derzeit noch mit Dieselgeneratoren operieren müssen, damit das Licht anbleibt.

Die Wunschvorstellung bei den SMRs: Sie sollen aufgrund ihrer gegenüber traditioneller Kernkraftanlagen geringeren Größe weniger Kapitalkosten binden, gleichzeitig aber auch sicherer sein. "Einige SMR-Designs sind klein genug, um in eine Sporthalle zu passen", schreibt das NRCan.

Neben der Verwendung im eigenen Land betreiben die Kanadier mit der SMR Roadmap auch ganz klar Industriepolitik für den Export. Das Land habe 60 Jahre Erfahrung im Bereich der Forschung und Technologie, "eine Regulierungsbehörde der Weltklasse" sowie eine dynamische Lieferkette im Inland. Bis 2040 schätzen die NRCan-Beamten, dass der SMR-Sektor weltweit auf Umsätze von 150 Milliarden kanadische Dollar kommen könnte.

Ein SMR erzeugt pro Reaktor weniger als 300 Megawatt und könnte für Spezialanwendungen gar auf unter 30 Megawatt heruntergeregelt sein. Mehrere SMRs lassen sich in Reihe schalten (modular eben) und somit ähnlich operieren wie aktuelle Großanlagen. SMRs sollen möglichst komplett in Fabriken vormontiert werden, was Baukosten spart.

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Teile der Anlagen lassen sich unter der Erde verbauen, was sie sicherer gegen Naturkatastrophen machen soll. SMRs arbeiten zudem mit geringeren Temperaturen und haben ein besseres Oberflächen-zu-Volumen-Verhältnis, was sie, so zumindest die Lobbyorganisation World Nuclear Association, inhärent sicherer macht. Manche Designs kommen sogar ohne Notkühlsystem aus.

Das Projekt hat die kanadischen Bundesstaaten Ontario (mit der größten Stadt Toronto), Saskatchewan und New Brunswick derart begeistert, dass sie sich zusammentun wollen, um gemeinsam einen SMR zu entwickeln. In dem Nuklearpakt, den die drei Ministerpräsidenten unterschrieben haben, heißt es, man wolle auch beim Bau zusammenarbeiten. In Saskatchewan gilt der Bedarf als besonders hoch: Hier kommt fast 50 Prozent des Stroms aus Kohle. In den Klimazielen Kanadas steht, dass das Land bis 2030 den CO2-Ausstoß um 30 Prozent der Menge von 2005 drücken will. Das Thema Entsorgung des Atommülls bleibt indes ungelöst – den erzeugen SMRs nach wie vor.

(bsc)