KĂĽnstliche Intelligenz soll Wartezeit an Ampeln reduzieren

Anhand echter Verkehrsdaten lernt ein Algorithmus, die Ampelphasen zu optimieren. Bisher allerdings nur in der Simulation. Jetzt soll der Praxistest folgen.

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Zwei Verkehrsampeln vor wolkigem Abendhimmel.

(Bild: monticello/Shutterstock.com)

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Um 10 bis 15 Prozent soll eine intelligente Ampelschaltung die Wartezeit an Kreuzungen reduzieren. Das meldet das Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB. Im Rahmen des Projekts KI4LSA hat es eine Künstliche Intelligenz entwickelt, die mittels Deep Reinforcement Learning den Verkehrsfluss an einer Kreuzung optimieren soll – und zwar sowohl für Autos als auch für Fahrräder.

"Das Deep Reinforcement Learning ist sehr datenhungrig", sagt Projektleiter Arthur Müller. Deshalb haben die Forschenden erst einmal Kameras und Radargeräte an einer Kreuzung in Lemgo installiert, um den Verkehr zu messen – und zwar spurgetreu, einschließlich der Geschwindigkeit. Mit diesen Daten fütterten sie eine Simulation, die den KI-Algorithmus trainierte. Das Optimierungsziel: Sowohl die Wartezeit als auch die Länge der Warteschlange für die Verkehrsteilnehmer minimieren.

In der Simulation gelang das schon ganz gut: Die Ergebnisse waren laut Müller "ein bisschen bis enorm viel besser" als eine "verkehrsabhängige Zeitlückensteuerung", wie sie in Deutschland derzeit Standard ist. Im Schnitt habe der Vorteil 10 bis 15 Prozent betragen.

In den nächsten Monaten wollen die Forschenden ihren Algorithmus in der Praxis testen. Die Berechnung läuft auf einem Edge-Computer am Schaltkasten der realen Kreuzung. "Wir wollen sehen, ob das nur in der idealen Umgebung einer Simulation funktioniert oder auch im Alltag", sagt Müller. "Es gibt schließlich immer eine Lücke zwischen Simulation und Realität." Um ihre KI robuster zu machen, haben die Fraunhofer-Forscher in der Simulation unter anderem absichtlich ein gewisses Rauschen in die Trainingsdaten gemischt.

Im Projekt "KI4LSA" soll Künstliche Intelligenz eine intelligente, vorausschauende Ampelschaltung ermöglichen. Hochauflösende Kamera- und Radarsensorik erfasst das Verkehrsgeschehen präzise.

(Bild: Fraunhofer IOSB-INA)

"Alle waren verwundert, dass wir wirklich die Genehmigung für den Praxistest bekommen haben", sagt Müller. "Aber das ist ein Standortvorteil von Lemgo." Hier sei man mit vielen Entscheidungsträgern per Du, und wichtige Stakeholder wie die Stadt Lemgo und die Landesbehörde StraßenNRW seien mit an Bord.

Die an der Kreuzung installierte Hardware aus Kameras und Radarsensoren sei aus Forschungsgründen noch "überdimensioniert". Aber für den alltägliche Einsatz reiche es, entweder Radar oder Kameras zu installieren. "Wenn man das von vornherein einplant, ist die Installation auch gar nicht so aufwendig", so Müller.

Damit die KI kein Verkehrschaos anrichtet, kann sie nicht beliebige Ampelphasen schalten, sondern nur zwischen vordefinierten Kombinationen wählen. So wird vermieden, dass sie versehentlich zwei kreuzenden Richtungen grün gibt. Als zusätzliche Sicherheit überprüft zudem eine konventionelle Ampel-Software jeden Schaltbefehl der KI. Ansonsten aber kann die KI völlig frei schalten und walten.

Wie sie genau zu ihren Ergebnissen kommt, wissen die Forscher selber nicht: Die Software ist eine Black Box. Dafür habe Reinforcement Learning den Charme, dass es sich das Verfahren relativ einfach auf andere Kreuzungen übertragen lässt.

Mit anderen Ampeln verbunden ist die Versuchsanlage in Lemgo noch nicht. "Das ist in diesem Fall nicht schlimm, weil die nächste Ampel weit weg ist", so Müller. Eine Verbundsteuerung mehrerer Ampeln sei aber der nächste Schritt.

Speziell für Fußgänger ist das Schwester-Projekt KI4PED gedacht. Es arbeitet mit per Laserscannern (Lidar) und ermittelt dabei auch, ob gebrechliche Menschen an einer Kreuzung warten. "Das Ziel ist es, die Zahl der Menschen und ihre Vulnerabilität zu erkennen und ihnen von vornherein eine längere Grünphase zu geben", sagt Projektleiter Dennis Sprute vom IOSB. "Das kann man zwar auch mit Kameras machen, aber bei Dunkelheit und Regen wird es damit schwierig." Zudem sei Lidar die datenschutzfreundlichere Variante, denn sie erzeugt nur eine Punktewolke, aber kein identifizierbares Bild.

Im Projekt "KI4PED" stehen nicht die Fahrzeuge, sondern Fußgänger im Fokus. Die Personenerkennung und das Tracking wird auf Basis von LiDAR-Daten mittels KI erzielt.

(Bild: Fraunhofer IOSB-INA)

Lidar-Geräte sind zwar teuer, aber Sprute hofft, dass sie durch den zunehmenden Einsatz bei Autos günstiger werden. Im Rahmen einer Machbarkeitsstudie werden ihre ideale Positionierung und Ausrichtung an der Ampelkreuzung geprüft. Zudem werden die KI-Algorithmen an zwei Ampelkreuzungen in Lemgo und Bielefeld eine Woche lang trainiert.

(grh)