LaLeTu: Leseflüssigkeit im Zusammenspiel mit KI trainieren

Die Leseflüssigkeit ist eine Grundfertigkeit, die Grundschüler erlangen sollen. Ein neuer Lautlesetutor mit KI-Spracherkennung soll dies nun unterstützen.

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LaLeTu arbeitet mit viel Ermutigung. Auch vermeintlich kleine Erfolge werden honoriert.

(Bild: Screenshot, LaLeTu)

Lesezeit: 10 Min.
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"Leseflüssigkeit ist die Fertigkeit, Texte leise, laut, akkurat, automatisiert, schnell und Sinn gestaltend zu lesen. Sie ermöglicht es Lesenden, die Bedeutung eines Textabschnittes gedanklich nachzuvollziehen und zu verstehen", heißt es in einem Beitrag von 2019 des Mercator Institut für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache. "Nur wer Texte flüssig lesen kann, hat genügend kognitive Kapazitäten im Arbeitsgedächtnis frei für herausforderndere Aufgaben, wie das inhaltliche Verstehen und Interpretieren von Texten." Leseflüssigkeit ist damit eine Grundfertigkeit, die für erfolgreiche Bildungsbiographien benötigt wird.

Damit Kinder eine gute Leseflüssigkeit erreichen können, hat der Schulbuchverlag Ernst Klett zusammen mit dem Start-up Digi Sapiens im Schuljahr 2023/2024 die Plattform "LaLeTu" gestartet. Sie soll die Leseflüssigkeit von Schülerinnen und Schülern analysieren und fördern. Hierfür wird auch Künstliche Intelligenz zur Spracherkennung eingesetzt. An einigen Feinheiten und zukünftigen Funktionen arbeiten die Entwickler im Hintergrund noch, nutzbar ist die Plattform mit ihren Grundfunktionen aber jetzt schon.

Der Plattformname LaLeTu steht für "Lautlesetutor". Konkurrenzprodukte wie etwa Antolin vom Westermann-Verlag wollen ebenfalls die Leseflüssigkeit verbessern, setzen damit aber einen Hauch später an. Mit ihnen soll die Leseflüssigkeit weiter trainiert werden. LaLeTu konzentriert sich stärker auf den Erwerb der Leseflüssigkeit. Heise online konnte die Plattform über mehrere Wochen hinweg testen und auch mit Daniel Iglesias, dem Gründer von Digi-Sapiens, sprechen.

Daniel Iglesias – Gründer von Digi Sapiens

Der Gründer von Digi Sapiens ist der Wirtschaftsinformatiker Daniel Iglesias. Im Gespräch mit heise online erklärte er seine ganz persönliche Motivation, weshalb er eine Spracherkennung zur Vorleseförderung entwickeln wollte. Er sei selbst ein Mensch mit Migrationshintergrund, der sich gefragt habe, weshalb Bildungsaufstieg häufig nicht gelingt. Seine Nachforschungen ergaben, dass es insbesondere der gelungene Spracherwerb ist, der nach dem Lesen lernen auch das Lesen und Verstehen beinhaltete. Iglesias Ehefrau ist überdies Lehrerin. Fragen zum Bildungserfolg kehrten also immer wieder zu ihm zurück: Woran hapert es bei anderen? Was lief bei mir besser? Und: Was kann ich tun?​ Iglesias arbeitete 17 Jahre lang für verschiedene Banken im Frankfurter Umkreis. Zuletzt war er für einige Jahre als Strategieberater bei PricewaterhouseCoopers, dann bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau und im Bereich der Bundes- und Landesförderbanken tätig. Mit Entwicklung einer Vorleseförderung, die sich erst einmal an ehrenamtliche Initiativen richtete, gewann er den hessischen Gründerpreis. Daraufhin wurde der Ernst Klett Verlag auf ihn aufmerksam. Nun kümmert er sich um die Entwicklung von "LaLeTu – Der Lautlesetutor".

Sowohl für die Diagnose als auch die Förderung werden Kinder durch LaLeTu mit verschiedenen Texten konfrontiert. Hier kann der Ernst Klett Verlag aus zahlreichen bereits erschienen Publikationen schöpfen. Im Fall der Diagnose bekommen die Kinder je drei Minuten Zeit, um einen vorgegebenen Text vorzulesen. Die Spracherkennung ermittelt dann, wie viele Wörter pro Minute ein Kind geschafft hat, wie viele Worte hiervon nicht verständlich waren, ob Kinder sich beim Vorlesen wiederholt haben (zum Beispiel, weil sie neu ansetzen mussten) und ob es auch Hinzufügungen gibt – Texte also spontan beim Vorlesen ergänzt wurden. Außerdem ermittelt die Spracherkennung, ob ein Mensch eher monoton, betont oder überbetont vorliest.

Haben Kinder ihre Diagnose-Aufgaben erledigt, können Lehrkräfte die Auswertung des Systems begutachten, sich aber auch die analysierte Sprachdatei anhören.

LaLeTu – Lautlesetutor für die Leseflüssigkeit (16 Bilder)

Für den Lautlesetutor müssen Klassen mit den einzelnen Schülerinnen und Schülern angelegt werden. Der Klarname der Kinder wird ersetzt: Beispielsweise mit Monster0404. Lehrkräfte erhalten nach der Eingabe eine Datei für den Download, die entschlüsselt, wer hinter welchem Fantasienamen steckt.
(Bild: Screenshot, LaLeTu
)

Sowohl für die Diagnose als auch die Förderung müssen Lehrkräfte oder auch Schulen Lizenzen beziehungsweise Leseminuten bei Klett erwerben. Pro Analyse oder pro Fördereinheit für ein Kind wird eine Lizenz fällig. Besonders förderbedürftigen Kindern können dementsprechend mehrere Lizenzen oder auch Leseminuten zugeordnet werden.

Die persönlichen Daten der Kinder werden einmal bei LaLeTu eingegeben, woraufhin ein Dokument für die Lehrkräfte erstellt wird, das diese sich ausdrucken sollen. Über dieses Dokument können die von LaLeTu vergebenen Alias-Namen wieder entschlüsselt werden. Die Schülerin "Kuhle Socke" wird zum Beispiel von LaLeTu zu "Biene1536" gemacht.

(Bild: Screenshot, LaLeTu)

Um Kindern das Vorlesen zu erleichtern, können die ausgesuchten Texte in verschiedenen Schriftgrößen und etwa auch mit unterschiedlich farbigen Wortbestandteilen dargestellt werden. Etwa so, dass Silben besser erkannt werden können. Diese Einstellungen nehmen Lehrkräfte direkt bei der Zuweisung der Aufgaben im Hinblick auf die einzelnen Kinder vor. Kinder werden in ihrem Account zu Interessengebieten befragt, damit der Lesestoff zielgenauer ausgewählt werden kann.

Lesen Kinder etwas bei LaLeTu nicht ganz richtig, erhalten sie in ihrem Account keine vernichtende Beurteilung des Vorleseergebnisses, sondern bekommen eine eher gröbere Einschätzung ihrer Leistung auch in Form von Badges/Abzeichen angezeigt. Sie ähneln optisch ein wenig den Auszeichnungen, die etwa bei der Nutzung der Sprachlern-App Duolingo erworben werden können und sind ein Gamification-Element.

Hat ein Kind in der vorgegebenen Lesezeit von drei Minuten sehr viel Text geschafft, wird unter anderem auf diese Leistung Bezug genommen und diese gelobt. Arbeitet das Kind mehrfach mit den Aufgabentypen "Diagnose" oder "Fördern", werden sie auch für ihren generellen Einsatz gelobt, in dem etwa festgestellt wird, dass das Kind mittlerweile schon "500 Worte" vorgelesen hat. Das mag manch Erwachsenen, die das hier flüssig lesen können, lächerlich vorkommen, für Kinder, die in der Regel zur Grundschule gehen und die Probleme beim Vorlesen haben, kann das aber schon ein Meilenstein sein.

Gegenüber heise online machte Iglesias auch klar, dass hier der Fokus der Anwendung liege. LaLeTu richtet sich an die Kinder, die tatsächlich mit der Leseflüssigkeit Schwierigkeiten haben, und nicht die, denen man ohnehin kaum genug Bücher vor die Nase legen kann. Zwar kann mit LaLeTu auch gefördert werden, aber das sogenannte Fordern nach dem Fördern muss aus Sicht des Entwicklers erst einmal nicht über diese Plattform stattfinden.

Zum Vergleich: Bei der Antolin-App von Westermann liegt das Anreizsystem in den Quizfragen, die nach dem Lesen beantwortet werden müssen und den Kindern Punkte bringen. Klassen können Punktvergleiche machen oder es werden pro Klassenstufe zu erreichende Mindestpunktzahlen festgelegt, am Ende winken ebenfalls Lob und Orden. Mitmachen kann ein Kind aber erst, wenn es überhaupt Texte einigermaßen verstehend lesen kann.