Leben mit dem Klimawandel

Der Klimawandel lässt sich nicht mehr abwenden, höchstens noch abmildern. Doch die nötigen Anpassungsmaßnahmen kommen erst schleppend in Gang.

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Langsam setzt sich die Erkenntnis durch, dass der Klimawandel nüchterne Realität ist und nicht mehr aufzuhalten. Doch die Konsequenz daraus, nämlich sich auf die Folgen der Erderwärmung vorzubereiten, wurde bisher erst halbherzig angegangen. Das ändert sich nun – wenn auch langsam.

„Der Klimawandel findet bereits statt und kann nur noch gebremst, nicht mehr gestoppt werden“ – diese Aussage stammt von Peter Höppe, Leiter der Georisiko-Forschung der Rückversicherungsgesellschaft Münchener Rück, einem der Ideologie und Panikmache eher unverdächtigen Unternehmen. Er kann sich dabei auf einen breiten wissenschaftlichen Konsens stützen. Die Historikerin Naomi Oreskes von der Universität von Kalifornien in San Diego hat die vorhandene wissenschaftliche Literatur zu diesem Thema ausgewertet. Das Ergebnis: von 928 Studien stellt nicht eine einzige die Tatsache, dass es eine vom Menschen erzeugte Klimaerwärmung gibt, in Frage.

Trotz dieser Unausweichlichkeit gibt es erst jetzt die ersten Aktivitäten in Richtung Anpassung. Die Bundesregierung will das Thema zu einem Schwerpunkt ihrer EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2007 machen. Und im für Anfang 2007 angekündigten Vierten Sachstandsbericht des Internationalen Gremiums für Klimawandel (IPCC) wird das Thema Anpassung erstmalig einen großen Teil einnehmen, wie Axel Michaelowa, Leitautor für das Politikkapitel des IPCC-Berichts, ankündigt.

Am weitesten mit konkreten Maßnahmen sind die Wasserbauer. In Bayern etwa werden alle neuen Hochwasserschutzwerke bereits pauschal 15 Prozent über die konventionelle Planung dimensioniert. Für Baden-Württemberg gibt es eine Tabelle, in der für fünf Regionen im Ländle ein Klimaänderungsfaktor zwischen 1 und 1,75 festgelegt ist, um den die jeweilige Hochwasserschutzanlage größer geplant werden soll.

Auch die Energieversorger leiden unter mehr Wärme. Die Flüsse, die zur Kühlung von Kraftwerken benutzt werden, dürfen eine bestimmte Temperatur aus ökologischen Gründen nicht überschreiten. Im den vergangenen Sommern mussten deshalb regelmäßig Kraftwerke vom Netz genommen werden. Auch die Art der Strom-Nachfrage wird sich ändern. Durch Klimaanlagen wird sich der Strombedarf gerade in den heißen Mittagsstunden erhöhen. Das führe dazu, dass „Regelenergie sehr viel teurer wird“, wie Benno Rothstein vom European Institute for Energy Research der Uni Karlsruhe erwartet. Er schlägt als Anpassungsmaßnahmen variable, an der Nachfrage orientierte Tarife sowie einen breit gefächerten Kraftwerkspark vor.

Die Landwirtschaft muss sich auf häufigere Trockenperioden einstellen. Zwar gibt es bereits reichlich hitze- und trockenheitsresistentes Saatgut, doch das liefert einen geringeren Ertrag. „Vor zehn Jahren hat man noch mit dem Kopf geschüttelt und gesagt, wir brauchen nichts Neues zu züchten, es ist alles schon da. Jetzt sind die Pflanzenzüchter auf den Klima-Zug aufgesprungen. Wenn es einem Züchter gelingt, Robustheit und Ertrag miteinander zu vereinen, steht das in zehn Jahren auf jedem Acker“, sagt Professor Hans-Joachim Weigel, Präsident der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft in Braunschweig.

Während Landwirte noch in der vergleichsweise komfortablen Situation sind, jedes Jahr aufs neue entscheiden zu können, was sie pflanzen, ist der Klimawandel für die Forstwirtschaft ein Problem, das hier und jetzt angegangen werden muss. Besonders betroffen sind die Fichten. Auch hier hat Bayern bereits reagiert: Im Rahmen des 40 Millionen-Euro-Programms „Klimawandel im Staatswald“ baut der Freistaat derzeit die staatlichen Nadelgehölze zu Mischwäldern um.

Ist der Klimawandel also, wenn schon nicht zu verhindern, so wenigstens zu beherrschen? Das hängt entscheidend davon ab, wie stark die Temperaturen ansteigen werden. Als kritische Schwelle gelten dabei zwei Grad Temperaturerhöhung. In diesem Sinne könnte die Beschäftigung mit Anpassungsmaßnahmen durchaus auch einen positiven Einfluss auf den Klimaschutz haben: Wer sich konkret mit den Folgen auseinandersetzt, wird auch den Wert jeder nicht ausgestoßenen Tonne Kohlendioxid deutlich erkennen.

Zusammenfassung aus der Print-Ausgabe 12/2006 von Technology Review. Die neue Ausgabe ist ab dem 23.11. am Kiosk zu haben. Das Heft kann man aber auch hier online portokostenfrei bestellen. (wst)