Arzneifabrik unter der Haut

Ein Spin-off des MIT hat implantierbare Zellen entwickelt, die im Körper lebensnotwendiges Insulin herstellen können.

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Lebende Medikamentenfabriken

(Bild: MIT)

Lesezeit: 3 Min.

Chronisch Kranke verbringen große Teile ihres Lebens damit, auf ihren Körper und dessen Reaktionen zu achten. So müssen Menschen mit schwerer Diabetes bislang regelmäßig ihren Blutzucker messen und sich gegebenenfalls Insulin spritzen – oder sich eine Insulinpumpe einsetzen lassen, die diese Aufgabe übernimmt. Und die Zahl der Menschen mit der Zuckerkrankheit wächst weltweit, die Kosten für die Versorgung explodieren.

Funktionsweise der "Medizinfabrik".

(Bild: MIT)

Künftig könnten bei diesen Patienten stattdessen kleine Kapseln mit modifizierten Zellen implantiert werden, die die Insulinregulierung automatisch durchführen – zumindest wenn es nach einer Gruppe von Biotechnikgründern geht. An dem Prinzip arbeitet Sigilon Therapeutics, ein Spin-off des Massachusetts Institute of Technology (MIT).

Die lebenden Medikamentenfabriken des Start-ups bestehen aus rund einem Millimeter großen Hydrogelkugeln. Darin befinden sich Zellen, die den Wirkstoff direkt im Körper produzieren und dann in der korrekten Dosis abgeben können. In drei Studien mit Tieren konnten die Forscher bereits zeigen, dass ihr Ansatz grundsätzlich funktioniert.

Hydrogel, das die Biotech-Zellen umschließt.

(Bild: MIT)

Die Therapie von Diabetes mit implantierten Zellen aus der Bauchspeicheldrüse Verstorbener, den sogenannten Betazellen, gibt es schon seit Längerem. Allerdings müssen die Patienten aufgrund von Abwehrreaktionen des Körpers auf das Implantat Immunsuppressiva nehmen, die sie wiederum anfällig für andere Krankheiten machen können. Das soll bei den Kugeln aus Hydrogel nicht der Fall sein, weil die darin enthaltenen Zellen mit einer besonderen Schutzschicht aus Alginat, einem Polysaccharid, versehen wurden. Das Immunsystem reagiert darauf nicht. Die neuartige Schutzschicht soll außerdem verhindern, dass sich Narbengewebe in Forme einer Gewebefibrose um die Implantate herum bildet, was ihre Wirksamkeit reduzieren könnte.

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Die Forscher von Sigilon glauben, die modifizierten Zellen könnten auch bei anderen Krankheiten eingesetzt werden, etwa wenn dem Körper bestimmte Enzyme fehlen, um Fette oder Kohlenhydrate zu verarbeiten. Auch Erkrankungen wie die Hämophilie (Bluterkrankheit) ließen sich – zumindest theoretisch – über den Ansatz bekämpfen. Ähnliches gilt laut Sigilon für bestimmte Arten von Entzündungen, bei denen Entzündungshemmer in der Hydrogelkapseln produziert werden.

Forscherin bei Sigilon.

(Bild: MIT)

Sollte die Technik sich nicht durchsetzen, wäre zumindest die Schutzschicht kommerzialisierbar. Sie zeigt im Versuch wie erwähnt Unempfindlichkeit gegenüber der Bildung von Narbengewebe, was sie als Überzug etwa für technische Implantate wie Stents im Herzbereich oder bei Insulinpumpen interessant macht.

Die Hydrogelkapseln entstanden bei der Forschung an verschiedenartigen Gelen. Ein bestimmtes Alginat erwies sich als besonders spannend. "Es zeigte sich, dass es Zucker und andere Nährstoffe hineinlässt, Insulin wiederum hinaus", so die Forscher. Seit dem Frühjahr arbeitet Sigilon nun mit dem Pharmariesen Lilly zusammen, der zu den größten Diabetes-Behandlern weltweit zählt. Dabei fließen Millionen.

(bsc)