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MIT Technology Review 6/22: Wie Künstliche Intelligenz Kolonialismus befördert

Diskriminierung ist ein bekannter Effekt bei Künstlicher Intelligenz. Doch was hat KI mit Kolonialismus zu tun? Das neue Heft geht dieser Frage nach.

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Inhaltsverzeichnis

Genau vor einem Jahr haben wir in einer Titelgeschichte in MIT Technology Review erklärt, wie Künstliche Intelligenz auf der technischen Ebene diskriminierend wirken kann. Das liegt vor allem an den riesigen Datenmengen, mit denen Entwicklerinnen und Entwickler diese extrem leistungsfähigen Systeme trainieren. Die Daten beinhalten Trainingsbeispiele, die Diskriminierungen und Vorurteile reproduzieren: "Frauen sind keine guten Führungskräfte" oder "Menschen mit schwarzer Hautfarbe sind weniger leistungsfähig".

In unserer neuen Ausgabe MIT Technology Review 6/2022 gehen wir einen Schritt weiter. Wir diskutieren, warum KI und ihre Voraussetzungen hochpolitisch sind und welche zum Teil kolonialen Ideen und Konzepte in ihrem Kern verborgen liegen. Was im ersten Moment sehr abstrakt klingt, konkretisieren wir mit vier Reportagen aus der ganzen Welt. Diese exklusiven Einblicke, aufgeschrieben von unserer ehemaligen US-Kollegin Karen Hao, zeichnen ein Bild von einer Technologie, die in bestimmten Bereichen ähnlich unterdrückend wirkt wie alte koloniale Mächte.

Es geht zum Beispiel um ausgebeutete Arbeitskräfte in Venezuela, die für Centbeträge Daten für KI-Systeme aufbereiten. Der Text "90 Cent pro Stunde" gibt einen Einblick in das Leben sogenannter Clickworker, die für große Crowdworking-Plattformen Daten für KI-Systeme aufbereiten: etwa manuell Videos taggen, Fotos labeln oder Audioaufnahmen transkribieren. 2030 wird der Markt für solche "Geisterarbeit" voraussichtlich fast 14 Milliarden Dollar erreichen. Für viele Menschen, wie im beschriebenen Fall in Venezuela, sind solche Plattformen mit ihren Jobangeboten einerseits eine Rettungsleine, andererseits ein Weg in die Ausbeutung.

Dieser Text stammt aus: MIT Technology Review 6/2022

Was genau hat Künstliche Intelligenz mit Macht, Herrschaft und Kolonialismus zu tun? Dieser Frage gehen wir in der aktuellen Ausgabe nach. Das neue Heft ist ab dem 18.8. im Handel und ab dem 17.8. bequem im heise shop bestellbar. Highlights aus dem Heft:

Der Blick nach Südafrika zeigt wohin massive Überwachung führt, bei der Algorithmen entscheiden, wer verdächtig aussieht und wer nicht. Johannesburg ist eine wachsende Megastadt, in der derzeit ein einzigartiges südafrikanisches Überwachungsmodell entsteht. Bürgerrechtsaktivisten sehen bereits ein Anheizen der digitalen Apartheid und das Aushebeln demokratischer Freiheiten der Menschen.

Aber es gibt auch Hoffnung: Denn der Antrieb wächst, mit KI auch Positives zu bewirken. In Neuseeland zum Beispiel arbeitet ein Team daran, seltene Sprachen mithilfe der Technologie zu erhalten. Und in Indonesien opponieren Ride-Sharing-Fahrer zum Teil sehr erfolgreich gemeinsam gegen den Algorithmus einer App, die ihre Fahrten koordiniert.

Und dennoch: Künstliche Intelligenz ist "eine Technologie der Mächtigen", so sagt es die ehemalige Google-Mitarbeiterin und KI-Forscherin Meredith Whittaker im Interview. Schon 2013 kritisierte sie die Praxis, KI-Systeme mit Daten zu trainieren, die diskriminieren – weil sie aus dem Internet stammen. Seit ihrer Kündigung bei Google 2019 konzentriert sie sich auf ihre akademische und beratende Tätigkeit im Umfeld des AI Now Institute, das sie 2017 zusammen mit der KI-Forscherin Kate Crawford gegründet hat.

Neben unserem KI-Schwerpunkt widmen wir uns weiteren Themen, wie etwa dem Artenschutz mithilfe von grünen Brücken. In dem Text beleuchten wir die Überquerungen für Wildtiere und ob sie wirklich ein Gewinn für die Populationen sind.

Unsere Autorin Veronika Szentpétery-Kessler hat sich außerdem in die Welt der Lipide begeben. In ihrem Text "Noppenfolie für Wirkstoffe" bringt sie uns die winzigen Fettkügelchen nahe und zeigt, welche wichtige Rolle sie bei den Covid-Impfstoffen spielen. Die Lipidkapseln eröffnen aber auch neue Horizonte für andere mRNA-Impfstoffe und die Krebstherapie.

(lca)