"Masken mit gebĂĽhrender Vorsicht behandeln"
Virologin Stephanie Pfänder von der Ruhr-Uni Bochum spricht im Interview über den hygienischen Umgang mit dem Corona-bedingten Mund-Nase-Schutz.
Technology Review: Momentan trägt fast jeder Maske, die Anzahl der Maskenmuffel geht in Deutschland stark zurück. Hätten Sie persönlich erwartet, dass das funktioniert?
Stephanie Pfänder: Ich denke, dass in Deutschland viel Aufklärungsarbeit über die Effektivität einer Maske und insbesondere den Schutz von anderen (Fremdschutz), indem man selber eine Maske trägt, geleistet wurde. Ich kann mir vorstellen, dass dies ein entscheidender Faktor in der Annahme dieser Maßnahme in der Bevölkerung war.
Trotz Maske gehen die Infektionszahlen offenbar nicht zurĂĽck. Gibt es dafĂĽr nachvollziehbare GrĂĽnde?
Die Ursachen sind sicherlich von zahlreichen Faktoren abhängig. Ein Problem scheinen leider weiterhin die hohen Infektionszahlen durch private Kontakte zu sein. Gerade dort trägt man ja in der Regel auch keine Masken. Des Weiteren gibt es meines Wissens teilweise auch noch keine vernünftige Übersicht, wo sich die Menschen genau anstecken. Ist es wirklich hauptsächlich der private Kontakt, die Kontakte auf der Arbeitsstätte, oder doch das Pendeln zur Arbeit oder der Einkauf im Supermarkt? Ohne dieses Wissen ist es natürlich schwer, vernünftige Interventionsmaßnahmen zu entwickeln. Erschwerend hinzu kommen zurzeit auch noch die Gefahren durch neue Virusmutationen, die potenziell deutlich ansteckender sind. Dies kann natürlich auch das Infektionsgeschehen massiv beeinflussen.
Trotz der Tatsache, dass medizinischer Mund-Nase-Schutz mittlerweile breit verfĂĽgbar ist, laufen viele Menschen noch mit Stoffmasken herum, manche gar mit Schals. Ist das "besser als nichts" oder Augenwischerei?
Die Stoff-Alltagsmasken sind natürlich finanziell gesehen am günstigsten, da man sie zum einen leicht selber herstellen kann und zum anderen durch Waschen häufig wiederverwenden. Je nach Qualität des Materials und Dichtheit können durch diese Masken die Gefährdung durch erregerhaltige Tröpfchen deutlich gemindert werden. Medizinische Gesichtsmasken sind im Gegensatz Medizinprodukte und wurden besonders für den Fremdschutz entwickelt. Damit einhergehend haben die medizinischen Masken eine höhere Effektivität, da diese potenzielle Tröpfchen und damit Erreger eventuell besser zurückhalten können als zum Beispiel ein dünner Seidenschal.
Masken müssen hygienisch behandelt werden. Viele Menschen berühren sie regelmäßig, um sie gerade zu ziehen, selten desinfiziert man sich vor dem An- und Ablegen die Hände. Wie problematisch ist das?
Prinzipiell sollte jeder darauf achten, wenn möglich die Masken korrekt an- und abzulegen. Dazu gibt es ja auch genügend Anleitungen.
In den Städten findet man Masken in überquellenden Mülleimern, in der Straße und "in den Pfützen schwimmend", wie ihr Kollege Christian Drosten einmal süffisant sagte. Eigentlich müsste man diese aufgrund der potenziellen Viruslast doch wie Biomüll behandeln, oder? Begeben sich Mitarbeiter der Stadtreinigungen in Gefahr? Gibt es Ihren Informationen nach dazu Protokolle, wie vorzugehen wäre?
Die entstehenden Müllberge sind sicherlich ein Umweltproblem. Eine konkrete Gefährdung der Mitarbeiter der Stadtreinigung sehe ich dadurch jedoch nicht. Meines Wissens fassen die Mitarbeiter der Stadtreinigung den Müll nicht direkt mit den Händen an, sondern Tragen Handschuhe. Auf ein Berühren der eigenen Schleimhäute (Mund, Nase, Augen) sollte natürlich jeder auch mit Handschuhen verzichten.
Können Sie sich erklären, dass man damit so sorglos umgeht?
Insgesamt ist eine Ansteckung über kontaminierte Gegenstände, wie z. B. Masken, im Vergleich zur Übertragung durch Tröpfchen/Aerosole deutlich unwahrscheinlicher. Selbstverständlich entschuldigt dies nicht das Verhalten der Umwelt gegenüber.
Wenn die Viren tatsächlich solange überleben (und die Last auf der Innenseite von Masken ja wirklich sehr hoch sein dürfte), besteht dann wirklich keine große Ansteckungsgefahr von den Masken?
Gerade zu Beginn der Pandemie konnte man die Relevanz der Schmierinfektionen nicht so richtig einschätzen, inzwischen haben wir da aber neuere Erkenntnisse. Besonders die Oberflächenstabilität wurde diesbezüglich viel diskutiert und inzwischen geht man nicht davon aus, dass das Risiko dabei so hoch ist. Gerade auf Masken (Stoff oder ähnlichem) "trocknet" potenziell infektiöses Virus schnell aus, zeigt dann also keine lange Oberflächen-Stabilität.
Sicherlich sollte man trotzdem mit der gebührenden Vorsicht das Ganze behandeln. Der Schutz der Hände bzw. das nicht Berühren der eigenen Schleimhäute sollte daher immer beachtet werden.
Wie ist der aktuelle Stand bei der Coronavirus-auf-Flächen-Thematik? Es hieß einst, das Virus könne sich über Tage, wenn nicht Wochen auf Oberflächen halten. Bleibt dies eher unproblematisch, weil sich die Menschen meistens durch die Luft anstecken?
Flächen werden zurzeit nicht als dominante Übertragungsroute angesehen. In der Tat konnten wir und andere eine Oberflächen Stabilität der Viren über mehrere Tage nachweisen. Dabei handelt es sich allerdings um kontrollierte Laborbedingungen. Um die Bedeutung dieser Ergebnisse für die Umwelt besser einzuschätzen, testen wir zurzeit direkt die Virenlast und Stabilität von Viren auf kleinen Plättchen, die von akut an Covid-19 erkrankten Personen mit hochinfektiösem Speichel benetzt wurden. Nach einer definierten Zeit versuchen wir, auf den getrockneten Plättchen aktive Viren nachzuweisen. Wir haben noch keinerlei finalen Ergebnisse, aber es deutet sich an, dass das Infektionsrisiko auf diesem Weg sehr gering ist.
In China wurden Pakete und NahrungsmitteltĂĽten durchgehend mit Desinfektionsmittel behandelt. MĂĽsste man das auch tun? Machen Sie 's privat?
Zurzeit gehen wir nicht von einer dominanten Rolle für die Übertragung durch kontaminierte Oberflächen aus. Daher würde ich auch nicht empfehlen, im privaten Gebrauch jedes Mal zum Desinfektionsmittel zu greifen. Eine vernünftige Händehygiene durch korrektes Händewaschen sollte in der Regel genügen.
Was halten Sie von der Idee, FFP2-Masken verpflichtend zu machen?
FFP2-Masken bieten den klaren Vorteil, dass Sie nicht nur den gegenüber schützen (Fremdschutz) sondern auch selber den Maskenträger (Eigenschutz). Das Atmen kann allerdings "schwerer" fallen und damit belastender für den einzelnen sein, insbesondere wenn die Maske über einen längeren Zeitraum getragen wird.
Ist es überhaupt möglich, sicherzustellen, dass die FFP2-Masken korrekt von den Menschen verwendet werden? Im klinischen Bereich sowie etwa bei Handwerkern gibt es dafür eine arbeitsmedizinische Einführung.
Wichtig, wie auch bei den anderen Maskenarten, ist ein fester und dichter Sitz im Gesicht, sowie ein komplettes Abdecken der Nase und Mundregion. Eine entsprechende arbeitsmedizinische EinfĂĽhrung ist sicherlich sinnvoll, um grobe Fehler beim Aufsetzen der Masken zu vermeiden.
Welche Fehler kann man bei FFP2-Masken machen? Gibt es auch Gefahren, da sie dichter abschlieĂźen als Mund-Nase-Schutz oder Stoffmaske?
Durch den erhöhten Atemwiderstand kann das Tragen dieser Masken eine erhöhte Belastung darstellen. Laut RKI gibt es gemäß Vorgaben des Arbeitsschutzes eine begrenzte Tragedauer um die Belastung zu minimieren. Daher sollten besonders Personen die Probleme mit dem Atmen haben, die Nutzen und Risiken sorgsam abwägen und im Vorfeld ärztlich abklären. (bsc)