Microsoft und Open Source: Microsofts Abkehr von der Geheimniskrämerei

Nach anfänglicher Open-Source-Phobie ist Microsoft inzwischen einer der größten Linux-Liebhaber. Wir lassen die wichtigsten Stationen des Weges Revue passieren.

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(Bild: Albert Hulm)

Lesezeit: 11 Min.
Von
  • Peter Siering
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Es grenzt an Komik, wie Microsofts frühes Motto "Information at your fingertips" den eigenen Umgang mit Informationen konterkarierte: Microsofts Technik sollte der Welt Zugang zu Informationen erleichtern, der Konzern selbst gab aber Details über seine Produkte nur widerwillig preis. Doch die unvermeidliche Auseinandersetzung mit Open-Source-Software, die als Konkurrenz erwachsen war, hat positiv auf den Software-Riesen abgefärbt.

Microsofts Erfolgsstory begann mit dem PC-Betriebssystem DOS. Um es herum entstand eine bunte Software-Welt aus Entwicklungsumgebungen, Anwendungssoftware und Systemerweiterungen. Die machten sich nicht nur die teils mit den Original-Manuals gelieferte Dokumentation zunutze, sondern profitierten erheblich von direkten Zugriffen auf die Hardware, um zum Beispiel Bildschirmausgaben so schnell realisieren zu können, dass der Anwender nicht gelangweilt zusehen musste.

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Obendrein gab es DOS-Funktionen, die weder Microsoft noch IBM dokumentiert hatten, die aber unverzichtbar waren. Ein Beispiel: das „INDOS Flag“, mit dem Programme feststellen konnten, ob DOS gerade dabei war, eine Funktion auszuführen oder ob ein Funktionsaufruf gefahrlos möglich war; Betriebssysteme waren damals nicht wiedereintrittsfest, konnten also immer nur eine Funktion ausführen – heute selbstverständliches Multitasking war noch weit entfernt.

Die Defizite der Dokumentation glichen zahlreiche Autoren aus, etwa Peter Norton in seinem Programmer’s Guide to the IBM PC; das Buch gab interessanterweise mit Microsoft Press ein unternehmenseigener Verlag heraus. Zu großer Bekanntheit brachte es damals auch Andrew Schulman mit seinem umfassenden Werk "Undocumented DOS", das bei Microsoft weniger gern gesehen wurde und bei Addison-Wesley erschienen war. Er hatte die Fleißarbeit vollbracht, die zerstreuten Quellen in einem Werk zusammenzutragen.

Ohne die einschlägigen Bücher zu undokumentierten Funktionen in DOS war es unmöglich, in der PC-Frühzeit konkurrenzfähige Software zu entwickeln. Der Vorsprung, den die eigenen Entwickler dadurch hatten, brachte Microsoft immer wieder vor Gericht.

Davon, dass Microsoft den Quelltext von DOS veröffentlichen könnte, sprach niemand. Die Software war damals noch so wenig komplex, dass man mit genug Energie auch interne Arbeitsweisen ergründen konnte. Viele hatten an der damit verbundenen Forschung zudem viel mehr Vergnügen als am Studium fremder Quelltexte. Zur selben Zeit schickte sich bereits Richard Stallman mit dem Schreiben der GNU General Public License (GPL) an, die Grundlagen für Freie Software zu schaffen, wie sie heute mit Linux und vielen anderen Projekten selbstverständlich ist.

Microsoft hingegen war damit beschäftigt, Entwicklern zu erklären, warum die undokumentierten Funktionen böse seien: Sie behinderten das Unternehmen angeblich darin, DOS und später auch Windows weiterzuentwickeln. Dass das Unternehmen dabei übersah, dass auch die eigenen Anwendungsentwickler munter von diesen Funktionen Gebrauch machten, bereitete die Grundlage für Prozesse gegen Microsoft wegen Verletzung von Wettbewerbsgesetzen.

Die erste nennenswerte Öffnung Microsofts trat mit dem Beginn der Entwicklung von Windows NT ein. Der dafür als Chefdesigner gewonnene Ex-Digital-Mitarbeiter Dave Cutler hatte schon mehrere Betriebssysteme geschaffen und sprach gern über Details des Vorhabens – es entstanden noch während der Entwicklung Bücher über den Aufbau und sogar eines über den Entwicklungsprozess selbst. Microsoft verteilte Entwicklungskits und Vorabversionen großzügig und geizte erstmals nicht mit Informationen.

In Zeiten von Windows 3.x und 9x, deren Entwicklung strategisch und technisch noch in der DOS-Tradition standen, gab es allenfalls geschlossene Kreise für Betatests. Entwicklungskits waren nur für viel Geld zu haben. Supportleistungen gab es nur als Abo und über besondere Einwahlzugänge. Das Informationsgewitter, das das Unternehmen rund um NT entfachte, war geschickt und folgte natürlich einer Absicht: die damaligen Mitbewerber IBM OS/2 und die zerstrittene, in viele Lager gespaltene x86-Unix-Gemeinde abzuhängen. Das gelang.

Den Kurs setzte Microsoft dann fort mit verschiedenen Abo-Angeboten, die Entwickler als Microsoft Developer Network (MSDN) und Anwender und IT-Verantwortlicher als Technet für eher schmale Taler beziehen konnten. Sie wurden über Jahre geradezu erschlagen mit Umzugskarton-großen CD- und DVD-Lieferungen, hatten je nach Abo für Testzwecke Zugriff auf fast alle Microsoft-Produkte. Sämtliche Kits zu Software- und Treiberentwicklung waren Teil der Lieferung. Universitäten konnten mit speziellen Verträgen sogar den Quellcode von Windows NT erhalten.

Einer breiten Öffentlichkeit hat Microsoft den Quellcode aktueller Betriebssysteme aber nie zur Verfügung gestellt. Sie tauchten indes mehrfach aus zweifelhaften Quellen im Internet auf, waren unvollständig und zum Zeitpunkt der Veröffentlichung schon stark veraltet. In der Zeit der großen Informationslawinen aus Redmond taktierte der Konzern an vielen Fronten gegen die erstarkende Open-Source-Bewegung. Steve Ballmer, Boss bei Microsoft in dieser Zeit, war die Dampframme der Bewegung. Er verstieg sich sogar zu der Aussage, Linux sei ein Krebsgeschwür.