Militärdrohnen: Warum der Schwarm noch weit weg ist

Seite 2: "Ein Schwarm ist unendlich skalierbar und kann komplexe Aufgaben erfüllen."

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"Was eine Drohne seit langer Zeit sehr gut macht, ist automatisch von einer Koordinate zur nächsten zu fliegen", sagt Böttcher. "Alles, was den Flug betrifft, etwa dass die Drohne stabil in der Luft bleibt, eine gewisse Geschwindigkeit und Höhe hält, ist zunächst ebenfalls kein Problem, sofern das Wetter mitspielt." Die Schwierigkeit in dem Projekt sei, dass die Drohne zwar die Ziel-Koordinaten kenne, aber sich selbstständig den Weg dorthin suchen muss. Dabei ist sie auf eine Vielzahl an Daten von externen Quellen angewiesen. Das fängt bei der Topologie an: Sie muss wissen, wie die Landschaft beschaffen ist. Dafür kommuniziert sie mit Geo-Informationssystemen, auf denen die Landschaft detailliert abgebildet ist. Dann braucht sie Wetterdaten von dem Server des Deutschen Wetterdienstes. Es gibt zudem Datenbanken der Luftsicherung, die zum Beispiel temporäre Hindernisse wie Baukräne beinhalten. Zudem erhält die Drohne Informationen darüber, wo sich aktuell große Menschenansammlungen wie zum Beispiel Volksfeste befinden. "Die Drohne betreibt dann eine Datenfusion – und das ist ein ganz wichtiger Schritt, damit eine Drohne voll autonom fliegen kann", sagt Böttcher.

Hinzu kommt, dass eine voll autonome Drohne auch ein Notfallszenario bräuchte. Fallen bestimmte Datenquellen aus, müsste die Software versuchen, eventuell aus den vorhandenen Daten die Lage abzuschätzen. Wenn das nicht gelingt, wäre es Aufgabe der Drohne, zu ermitteln, ob sie den Flug über eine andere Route noch sicher fortsetzen könnte. Bei einem Motorausfall würde die Drohne wie ein Segelflugzeug weiterschweben. Diese zusätzliche Flugzeit sollte sie nutzen, um eine Landefläche, etwa eine freie Wiese, zu finden. Bislang sind diese Fähigkeiten jedoch noch Zukunftsmusik – im Moment wird die komplette Mission der Drohnen vorab am Rechner geplant.

Drohnen-Schwärme sind noch komplexer. Bei Veranstaltungen wie den Olympischen Spielen in Tokio wurden zwar eindrucksvolle Drohnen-Lichtershows vorgeführt, aber solche Drohnenschwärme sind eine Mogelpackung. Sie haben eine vordefinierte Route, die in monatelanger Arbeit minutiös geplant wurde. Auch bei Industrieanwendungen fällt oft der Begriff "Schwarm", sobald mehrere Drohnen eingesetzt werden. Gleiches gilt für den Angriff eines "Drohnenschwarms" Anfang 2018 auf eine russische Militärbasis in Syrien sowie im September 2019 auf ein saudi-arabisches Ölfeld.

Auch diese Fälle sind jedoch zu hoch gegriffen, denn ein wichtiger Kernaspekt von Schwärmen wird hier übersehen: die Zusammenarbeit von einzelnen Individuen. Zum Beispiel Ameisen: Eine einzelne Ameise allein ist kaum überlebensfähig. Im Schwarm leisten die Tiere jedoch Erstaunliches. Sie schaffen Nahrung heran und bauen komplexe Nester – ohne dass eine zentrale Instanz ihnen Befehle erteilt. Dabei kommunizieren sie über Duftstoffe, die sich mit der Zeit verflüchtigen. Um etwa den kürzesten Weg zu einer Nahrungsquelle zu finden, achten Ameisen auf die Stärke des Dufts der entgegenkommenden Ameise – je stärker der Duftstoff, desto kürzer der Weg. Doch das Prinzip ist universell und nicht auf Duftstoffe beschränkt: Die einzelnen Individuen eines Schwarms kommunizieren direkt, "lokal", miteinander – es gibt keine "globale" Kommunikation und keine Steuerzentrale, von der aus ein Masterplan verfolgt wird. Das Ziel – der Nestbau, der Futter-Transport, der Schutz von Feinden – ergibt sich allein aus der lokalen Kommunikation.