Missing Link: 50 Jahre heitere olympische Spiele – Die Technik

Seite 2: 16 Terminals Mess- oder Zeitwerte

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Im Olympiastadion selbst gab es 16 Terminals für die Eingabe der Mess- oder Zeitwerte und die Entscheidungen der Kampfrichter. Maximal konnten 5 Terminals gleichzeitig arbeiten. Im Rechenzentrum wurden die einlaufenden Daten zunächst auf Plausibilität überprüft und dann auf einen Plattenspeicher geschrieben.

Wettkampf-Rechenzentrum

(Bild: Siemens Historical Institute Berlin mit freundlicher Genehmigung)

Das ergab skurrile Situationen, wenn die Siegerzeit beim Schwimmen automatisch angezeigt wurde und Minuten später der Sieger – natürlich Mark Spitz. Die Ausgaben des Wettkampf-Systems liefen außerdem zu den Fernschreibern des Pressezentrums und zu den Nachrichtenagenturen sowie zu einer Digiset-Lichtsatzanlage von der Kieler Firma Rudol Hell, auf der die Tageszusammenfassungen gedruckt wurden.

Für alle 195 Disziplinen hatten 100 Programmierer über 6000 Listendarstellungen zur Datenausgabe geschrieben, hinzu kamen 70 Programmierer, die die beschleunigte Datenverarbeitung in Assembler optimierten. Die Arbeiten am Wettkampfsystem liefen über 14 Monate und waren im September 1971 abgeschlossen.

Mit den Wettkampfdaten der Spiele in Tokio und Mexiko wurde dann der Wettkampfbetrieb simuliert. Einge hundert Fehler wurden entdeckt und beseitigt. Im Buch über die bei den Spielen gewonnenen Erfahrungen forderte Wolters analog zur Medizin die Einführung einer "Projekt-Pathologie" in die Datenverarbeitung. "Warum gibt es so wenige große Programme, die von Anfang an fehlerfrei laufen?"

Waren die Arbeite am Wettkampfsystem langwierig, so dauerten die Arbeiten an Golym noch viel länger. In dreijähriger Fleißarbeit wurden alle möglichen Daten gesammelt. Golym war das olympische Informationssystem auf der Basis von GOLEM (ein Akronym für "GroßspeicherOrientierte Listenorganisierte ErmittlungsMethode") und im Kern eine moderne Datenbank. Golym war gewissermaßen das Aushängeschild von Siemens, um Journalisten und das allgemeine Publikum für die EDV zu begeistern – bei Siemens sprach man lieber von "automatischer Informationswiedergewinnung". 72 schicke Golym-Informationsstände mit Lichtgriffel und Vektorgraphik, von 300 (größtenteils weiblichen) Hostessen bedient, standen mit vielfältigen Informationen zur Verfügung.

Olympia-Informationssystem Golym

(Bild: Siemens Historical Institute Berlin mit freundlicher Genehmigung)

Golym wurde laufend mit den Ergebnissen aus dem Wettkampfsystem gefüttert, aber auch mit Informationen, wie viele Eintrittskarten bei einer Disziplin oder Tageszeit noch verfügbar waren. Die Wettkampfergebnisse sämtlicher Olympischen Spiele der Neuzeit waren ebenso gespeichert wie die Leistungs- und Körperdaten, die Clubzugehörigkeit und privaten Hobbys aller Teilnehmer der Spiele.

Auch die Trainer und ihre Trainingsmethoden waren so erfasst und selbst die Daten über die 4000 akkreditierten Journalistinnen und Journalisten waren eingespeichert. Schließlich enthielt Golym die Regeln und Qualifikationsbestimmungen aller Sportarten, die in München ausgetragen wurden, Informationen über die Dopingkontrollen und, ganz wichtig, die Amateurbestimmungen des Internationalen Olympischen Komitees. Die Olympischen Spiele von 1972 waren die letzten, bei denen der Amateurstatus scharf überwacht wurde.