Missing Link: 50 Jahre heitere olympische Spiele – Die Technik

Olympiade 1972 in München: Für Deutschland sollte es der Aufbruch in eine neue Zeit werden – in ein modernes, friedliches Deutschland. Es klappte nicht ganz.

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Olympiapark in München – Olympische Sommerspiele '72

(Bild: meunierd/Shutterstock)

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Detlef Borchers
Inhaltsverzeichnis

Vor 50 Jahren liefen die Vorbereitungen für die olympischen Sommerspiele auf Hochtouren. München hatte den Zuschlag für ein Konzept bekommen, das in der Rekordzeit von gerade einmal 60 Tagen ausgearbeitet worden war. Neben der Idee der heiteren Spiele und dem "Olympia der kurzen Wege" spielte es eine wichtige Rolle, dass erstmals beide deutschen Staaten eine eigenständige Olympiamannschaft stellen konnten.

"Missing Link"

Was fehlt: In der rapiden Technikwelt häufig die Zeit, die vielen News und Hintergründe neu zu sortieren. Am Wochenende wollen wir sie uns nehmen, die Seitenwege abseits des Aktuellen verfolgen, andere Blickwinkel probieren und Zwischentöne hörbar machen.

Dann war da noch Siemens, der Konzern, der fast die gesamte Technik für die Sommerspiele stellte. Vom Baustrom im Olympiapark über die Flutlichtanlage im Olympiastadion bis zu den medizinischen Geräten im Diagnostikzentrum und der U-Bahn, die zum Olympiapark führte, kam alles von Siemens.

Das Glanzstück waren die beiden Computersysteme, die installiert wurden, ein Wettkampfsystem mit direkter Dateneingabe bei allen Wettbewerben, das auch die Anzeigentafeln steuerte. Dazu kam ein Informationssystem mit 72 Dialogstationen, das Informationen über alle Teilnehmenden, alle Olympia- und Weltrekorde parat hatte. Diese Auskunftei wurde von 300 Hostessen betrieben und umfasste unvorstellbare 500 MByte.

Die Olympischen Sommerspiele 1972 waren von Anfang an ein Fest der Superlative. Das begann mit dem Entwurf des Olympiastadions, der Mehrzweckhalle und der Schwimmhalle durch das Architekturbüro Behnisch und Partner mit den berühmten Dächern, angeregt durch den deutschen Pavillon von Frei Otto auf der Weltausstellung 1967 in Montreal. Der Legende nach wurde ein Damenstrumpf genutzt, das Dach im Modell zu visualisieren.

Die Superlative setzten sich im Olympiapark fort, den Günther Grzimek entwarf. Noch bekannter wurde die graphische Gestaltung des gesamten Erscheinungsbildes der Spiele durch Otl Aicher. Als "Gestaltungsbeauftragter" der Spiele verbot er kurzerhand die Farben Rot, Schwarz, Braun und Violett und setze auf hellblau, gelb, grün und Orange. "Es kommt weniger darauf an, zu erklären, dass es ein anderes Deutschland gibt, als es zu zeigen. Die Welt erwartet eine Korrektur gegenüber Berlin schon deshalb, weil sie seinem Einfluss zum großen Teil erlegen ist", schrieb Aicher, der im Umfeld der Geschwister Scholl den Terror der Nationalsozialisten erlebt hatte.

Die sinnfälligste Abkehr von den faschistischen Spielen 1936 war wohl das von Aicher und Elena Winschemann entworfene Maskottchen der Spiele, der OlympiaWaldi. Wobei angemerkt werden muss, dass bis heute die Rechtsanwälte des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) einschreiten, wenn der Original-Waldi ohne Lizenzgebühren benutzt wird. So musste vor kurzem ein Waldi neu gestaltet werden, weil das IOC die Rechte am Farbkonzept für sich beanspruchte.

SOS – so nannte man das "Sonderteam Olympische Spiele" unter der Leitung von Martin F. Wolters, das für die Planung und Realisierung der Computertechnik zuständig war. Mit dem Bau des Olympiastadions entstand auch das Rechenzentrum, in dem das von Erwin Haslinger entwickelte Wettkampf-Computersystem untergebracht wurde. Es bestand aus drei Rechnern des System 4004 (drei sogenannte 4004/45), wobei ein Rechner für den Dialogverkehr und der Datenausgabe, der andere für die Verarbeitung und Auswertung der eingegebenen Daten zuständig war. Der dritte Rechner lief zur Sicherheit im Stand-by-Betrieb mit.

Datenübertragung Olympia-Informationssystem Golym

(Bild: Siemens Historical Institute Berlin mit freundlicher Genehmigung)

Der Rechner für die Datenausgabe kommunizierte wiederum mit einem Siemens-Prozessrechner 301, der oben bei der Stadionregie stand und die beiden Anzeigetafeln im Stadion ansteuerte. Die "Anzeigepixel" der Haupttafel bestanden aus 25.000 Glühbirnen. Die Daten von 30 Sportstätten und 195 Disziplinen wurden über 203 Datenendgeräte, größtenteils Fernschreiber, eingegeben und ausgegeben. Als absolutes Novum bei den Olympischen Spielen wurden in der Schwimmhalle und an der Kajak-Wildwasserbahn in Augsburg durch installierte Longines-Sensoren die Messwerte über Prozessrechner direkt in das Wettkampfsystem eingespeist.