Missing Link: Bis ans Ende der Zeit – die Geschichte unseres Universums, Teil 1

Seite 3: Entstehung des Sonnensystems

Inhaltsverzeichnis

Unsere Sonne entstand vor 4,6 Milliarden Jahren als Stern der Population I, die jüngste Sternengeneration mit dem höchsten Anteil an Metallen (Astronomen bezeichnen alle Elemente schwerer als Wasserstoff und Helium als "Metalle"). Mutmaßlich verursachte die Stoßwelle benachbarter Supernovae den Kollaps einer Dunkelwolke aus Staub und Gas, die in Fragmente zerfiel, welche zu einzelnen Sternen oder Mehrfachsystemen aus zwei oder mehr Sternen kollabierten. Ein kleiner offener Sternhaufen entstand und einer der Sterne war unsere Sonne. Zunächst war sie noch in die Wolke aus Staub und Gas eingehüllt, aus der sie entstanden war, aber durch die Kompression unter seinem eigenen Gewicht wurde das solare Gas zum Plasma aufgeheizt.

Die Sonne begann zu leuchten und das umgebende Gas wegzublasen. SchlieĂźlich erreichte der Kern der Sonne eine Temperatur von 10 Millionen Kelvin und eine Dichte von 100 Gramm pro Kubikzentimeter (Wasser hat 1 g/cmÂł, Blei 11,3 g/cmÂł, Gold 19,3 g/cmÂł), bei welchen die Fusion von Wasserstoff zĂĽndete. Der entstehende Strahlungsdruck stoppte die weitere Schrumpfung der Sonne und stabilisierte sie im hydrostatischen Gleichgewicht zwischen dem Gewichtsdruck ihrer Masse und dem Strahlungsdruck aus der Fusion.

Ausschnitt aus der legendären Hubble-Aufnahme "Pillars of Creation" (Säulen der Schöpfung), einer Dunkelwolke aus Gasmolekülen und Staub im Zentrum des Adlernebels (Messier 16). Die säulenförmige Struktur ist ein Brutkasten für junge Sterne. Sie erhielt ihre Form aufgrund der Erosion der ursprünglichen Dunkelwolke durch das ultraviolette Licht heißer Sterne in ihrer Nähe (ein Prozess namens "Photoevaporation"). Dort, wo die Materiedichte am größten ist, ist die Erosion weniger weit fortgeschritten und lässt die Säule zurück. Aus ihrer Spitze heraus treten fingerartige Ausstülpungen (Globulen), in welchen sich das Gas bereits zu einer kugelförmigen Wolke konzentriert hat, aus der ein Sternensystem, bestehend aus mindestens einem Stern und meist mehreren Planeten, entstehen wird. Aus der Wolke entsteht insgesamt ein Sternhaufen. Die massereichsten, heißesten Sterne werden das Gas bald auseinandergetrieben und ionisiert haben und so die weitere Sternentstehung abwürgen. Die Aufnahme entstand am 1. April 1995. Die Farben sind nicht naturgetreu: tiefrotes Licht von einfach ionisiertem Silizium bildet den roten Farbkanal, rotes Licht des ionisierten Wasserstoffs den grünen und türkisfarbenes Licht des zweifach ionisierten Sauerstoffs den blauen Kanal.

(Bild: NASA, ESA and the Hubble Heritage Team (STScI/AURA) Wikimedia Commons)

Übrig gebliebenes Gas und Staub sammelten sich in einer großen protoplanetaren Scheibe um die Sonne herum, in der Staub- und Eisteilchen zunächst durch elektrostatische Kräfte aneinander haften blieben, bis sie zu immer größeren Brocken heranwuchsen. Oberhalb einer Größe von ca. 1 km, bei der sie durch die eigene Gravitation zusammengehalten werden und nicht mehr wesentlich durch Gas abgebremst werden, bezeichnet man sie als Planetesimale.

Durch Kollisionen wuchsen sie weiter und schmolzen teilweise auf, so dass die schweren Elemente wie Eisen und Nickel nach innen sanken. Schließlich erreichten sie Planetengröße und bildeten Protoplaneten, die Vorläufer der späteren Planeten. Weiter weg von der Sonne, wo Wasser, Stickstoff, Sauerstoff und andere Gase in gefrorenem Zustand vorlagen und nicht von der Sonnenwärme erodiert und vom Sonnenwind weggeblasen wurden, sammelten die größten Protoplaneten in kurzer Zeit sehr viel Gas an, und so entstanden in weniger als 10 Millionen Jahren die großen Gasplaneten, Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun.

Bald schon setzte die sogenannte Planetare Migration ein – die Planeten blieben nicht an ihren Entstehungsorten. Im Wechselspiel mit den kleineren Asteroiden wanderte Jupiter zunächst nach innen und räumte den größten Teil der Asteroiden ab. Entweder katapultierte er sie aus dem inneren Sonnensystem hinaus in die sogenannte Oortsche Wolke, die mutmaßlich das Sonnensystem in 10.000 bis 100.000 Astronomischen Einheiten (1 AE = Abstand Erde-Sonne) Entfernung umhüllt – das ist etwa die Hälfte der Strecke bis zum nächsten Stern – und die das Reservoir der langperiodischen Kometen bilden soll. Oder er trieb sie nach innen, näher zur Sonne hin.

Nach der sogenannten Grand-Tack-Hypothese (Grand Tack bedeutet etwa so viel wie "Großes Wendemanöver") wanderte Jupiter, entstanden bei 3,5 AE Entfernung von der Sonne bis auf 1,5 AE, also etwa bis zur heutigen Marsbahn, an die Sonne heran und Saturn folgte ihm bis auf 2 AE. Im inneren Sonnensystem beförderte er durch die Verdichtung der durch ihn nach innen getriebenen Asteroiden und Planetesimale die Entstehung der Gesteinsplaneten.

Dort entstanden zunächst zahlreiche Protoplaneten, die ihre Umlaufbahnen wechselseitig destabilisierten und so mittelfristig miteinander kollidierten. Die Rotation der Venus wurde wahrscheinlich durch eine Kollision buchstäblich angehalten, sie rotiert nun sehr langsam gegen den Sinn ihrer Umlaufbahn um die Sonne (retrograd). Auch der Uranus erlitt wohl eine Kollision, die seine Rotationsachse um mehr als 90° kippen ließ, sodass er gewissermaßen in seiner Bahnebene rollt.

Und ein Objekt namens Theia mit dem halben Erddurchmesser und damit der Größe des Mars kollidierte mit der Protoerde, wobei ein Teil der beiden Planeten in den Orbit geschleudert wurde und einen Ring um die Erde formte, aus dem sich ein für die Erde völlig überdimensionierter Mond entwickelte. Dies geschah rund 50-100 Millionen Jahre nach der Entstehung der Erde. Die Proben der Apollo-Missionen zeigten, dass der Mond sehr ähnliche Isotophäufigkeiten wie die Erde aufweist, jedoch extrem arm an Wasser und flüchtigen Stoffen ist. Somit könnte er aus der Erde entstanden sein und durch die Aufheizung des Einschlags die flüchtigen Stoffe verloren haben.

Der Mond war der Erde zu Beginn viel näher als heute und die Erde drehte sich nach dem Einschlag von Theia durch dessen Wucht einmal in nur fünf Stunden um sich selbst. Die Gezeitenkräfte des Mondes verformen die Erde oval (auch den Wasserkörper, was zu Ebbe und Flut führt). Aufgrund der schnellen Rotation der Erde im Vergleich zur Umlaufzeit des Mondes um die Erde wird die Hauptachse der länglichen Verformung vom zähen Erdkörper mitgezogen und eilt dem Mond ein wenig voraus. Die Gravitation des Wulstes der Erde auf der mondnahen Seite wirkt wie ein Gravitationstraktor auf den Mond zurück und beschleunigt ihn auf seiner Bahn, sodass er sich von der Erde entfernt. Das tut er heute noch mit 4 cm pro Jahr.

Währenddessen verlangsamt sich die Rotation der Erde aufgrund der Reibungskräfte, da sich der Erdkörper fortwährend unter der Verformung durch den Mond hinwegdrehen muss. Auch eine wahrscheinliche frühere Rotation des Mondes wurde auf diese Weise so weit abgebremst, dass er der Erde heute stets dieselbe Seite zuwendet (gebundene Rotation). Erst wenn auch die Erde soweit abgebremst sein wird, dass sie dem Mond stets dieselbe Seite zeigt, wird sich der Mond nicht mehr weiter von ihr entfernen, was jedoch noch 50 Milliarden Jahre dauern wird. Beziehungsweise würde, denn bis dahin… aber das folgt im nächsten Teil.

Nach Simulationen von Alex Alemi und D. Stevenson hatte auch die Venus möglicherweise einen oder mehrere Monde bei den unvermeidlichen Kollisionen abbekommen. Da diese anders als der Erdmond den Planeten entgegen seiner Rotationsrichtung umkreisten, näherten sie sich ihm, anstatt sich zu entfernen, und stürzten binnen einer Größenordnung von 10 Millionen Jahren auf ihn herab. Dies könnte die langsame, gegenläufige Rotation der Venus erklären, denn der Absturz der Monde hätte die Venus in Gegenrichtung zu ihrer Rotation gestreift und diese stark verlangsamt.

Schema des Grand-Tack-Modells nach Kevin J. Walsh, Alessandro Morbidelli und anderen. Die großen schwarzen Kreise zeigen von links nach rechts die Gasplaneten Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun. Kleinere Planeten oder Protoplaneten werden durch offene Kreise abgebildet, Asteroiden als kleine bunte Kreise – rote Asteroiden sind eisfrei, hellblaue und dunkelblaue Kreise enthalten zunehmend Eisanteile. Zeile 70 Tausend Jahre: Dadurch, dass Jupiter Asteroiden nach außen befördert, wandert er selbst nach innen und drängt das Material etwa bis zur heutigen Marsbahn bei 1,5 AE Sonnenabstand zusammen. Im inneren Sonnensystem entstehen dadurch mehrere Protoplaneten. Zeile 100 Tausend Jahre: Saturn zieht ebenfalls nach innen, die Bahnen der inneren Protoplaneten werden durch gravitative Wechselwirkung mit den Riesenplaneten elliptischer (die senkrechte Achse zeigt zunehmende Exzentrizität der Bahnen) Es sind auch zwei Planeten bei 3,5 AE entstanden. Zeile 300 Tausend Jahre: Wechselwirkung mit Gas in der Scheibe lässt die großen Planeten wieder nach außen wandern, es beginnt sich ein Asteroidengürtel zwischen 2 und 3,25 AE zu bilden. Zeile 500 Tausend Jahre: die Bahnen der inneren Planeten zirkularisieren sich, die Planeten wachsen und es kommt zu Kollisionen untereinander. Jupiter erreicht seine heutige Bahn. Die Planeten bei 3,5 AE wurden von Jupiter abgeräumt. Und möglicherweise ins äußere Sonnensystem katapultiert, oder auf Kollisionskurs mit den inneren Planeten. Zeile 150 Millionen Jahre: Saturn und die äußeren Planeten sind weiter nach außen gewandert und die inneren Planeten haben sich auf 4 Objekte konsolidiert, zwei kleinere (Merkur und Mars) an den Außenflanken, zwei größere (Venus und Erde) dazwischen. Im Asteroidengürtel jenseits der Marsbahn sind Asteroiden mit Gestein und Eis verblieben, letztere von weiter außen stammend. Die Bilder entstammen einer Simulation, die nicht exakt dem Sonnensystem entspricht, ihm jedoch recht nahe kommt; das exakte Ergebnis einer jeden Simulation wird durch die genauen Startparameter wie auch durch Rundungsfehler beeinflusst, sodass eine exakte Replikation kaum möglich ist.

(Bild: K.J. Walsh et al. arXiv)

Wie kamen Jupiter und Saturn auf ihre heutigen Orbits? Gemäß der Grand-Tack-Hypothese sammelte sich zwischen Jupiter und Saturn Gas an. Im Wechselspiel des Austauschs von kinetischer Energie zwischen dem Gas und den Gasriesen zog es diese wieder nach außen, wo sie bei 5 AE (Jupiter) und 10 AE (Saturn) auf ihren heutigen Bahnen endeten. Auch die äußeren Planeten Neptun und Uranus wanderten weiter nach außen und tauschten wahrscheinlich sogar ihre Reihenfolge.

Möglicherweise wurde noch ein 9. Planet aus dem Sonnensystem katapultiert, oder er geistert noch bisher unentdeckt weit draußen in einigen hundert AE von der Sonne entfernt herum. Die Bahnen einiger äußerer Asteroiden jenseits der Neptunbahn scheinen auf letzteres hinzuweisen.