Missing Link: Bundeswehr in Space

Seite 3: Pull-Effekte durch "Dual Use"

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Ein Pull-Effekt, um eine Technologie zu entwickeln und zur Marktreife zu bringen, kann ihre auch kommerzielle Verwendbarkeit sein. Das sieht wohl auch die Bundesregierung so; in der Raumfahrtstrategie steht: "Wir wollen die Rahmenbedingungen für Wirtschaft und Forschung verbessern, um die raumfahrttechnologische Basis strategisch wichtiger Schlüsseltechnologien in Deutschland und Europa auszubauen und somit kritische Abhängigkeiten zu reduzieren", sagt Knopp. "Wo möglich, nutzen wir Synergiepotenziale, z. B. im Bereich von Dual-Use-Technologien."

Das klingt einfacher, als es ist. Für den Weltraum nämlich, so Knopp auf Handelsblatt Konferenz Sicherheit und Verteidigung 2025, benötige man Technologien, für die man sich kaum einen kommerziellen Sinn ausdenken könne, wie etwa die Signalauswertung. "Der Markt ist noch nicht einschätzbar", sagte er. Als wir später per E-Mail nachhaken: "Es geht immer um Funktionen, die einen rein militärischen oder behördlichen Zweck haben", antwortet er.

Bei der Signalauswertung etwa gehe es darum, bestimmte Sender wie Radaranlagen zu orten oder auch Daten abzugreifen und mitzuhören. "Hierfür sind ganz bestimmte Technologien der Signalanalyse erforderlich, die nur mittelbar einen zivilen oder gar kommerziellen Nutzen hätten." Unter Umständen könne man dafür entwickelte Algorithmen anpassen und etwa auch im Mobilfunk nutzen.

Technologien zum „Schutz und Verteidigung von Weltrauminfrastruktur“ würden entwickelt, um Angreifer im Weltraum – in der Regel unbemannte Systeme – abzuhalten und unschädlich zu machen – "bis hin zur Nutzung von Waffen", sagt Knopp. Ob es daraus dann später "dual use" Potenzial gibt, ließe sich nicht seriös abschätzen.

Die Verbindung von Langsamkeit und überbordender Bürokratie scheint ein Grundproblem der Bundeswehr zu sein; beim Personalmanagement und eben auch bei der Entwicklung, Herstellung und Bereitstellung von Waffen. Eher sogar ein gesamteuropäisches Problem, sagt Knopp: "Schon bevor wir unsere Technologien reif bekommen, sind sie veraltet. Wir sind in Europa technologisch wirklich gut - aber nur bis zum Paper oder zum Patent. Beim Schritt vom Forschungsergebnis zum Produkt sind wir nicht gut. Und die Portfolios, etwa bei der Europäischen Weltraumorganisation ESA, schrecken junge Leute ab: zu bürokratisch, zu langwierig."

Zum Beispiel der Forschungssatellit Heinrich Hertz – die ersten Skizzen dazu stammten aus dem Jahr 2009, im Betrieb sei er seit dem vergangenen Jahr beziehungsweise in Teilen seit 2023: "Der Satellit beherbergt über 30 Experimente, die zum Zeitpunkt ihrer Definition neu und ambitioniert waren, die aber nach fast 15 Jahren bis zur Erprobung sicherlich ihre Innovationskraft weitgehend verloren haben dürften." Ein weiteres, europäisches, Beispiel sei das Programm IRIS-2.

In dieselbe Kerbe schlug Michael Traut bei der Handelsblatt-Konferenz: "Wenn wir zehn Jahre brauchen, um einen Prototyp eines Inspektor-Satelliten in den Orbit zu bringen, dann halte ich das fĂĽr deutlich zu lang. Ich wĂĽrde mir zwei Jahre wĂĽnschen."

Eine andere Einstellung scheinen sich fast alle zu wünschen, so sagte Andreas Knopp: "Man muss auch während der Forschung mal was ins All bringen, um zu sehen, ob es funktioniert. Das ist mit terrestrischer Forschung nicht vergleichbar, wo man nur ein gut ausgestattetes Labor braucht. Bei uns dauert das zu lange, schon bei normalen Satelliten. So sind wir nicht konkurrenzfähig."

Sollte sich die Bundeswehr ein Beispiel nehmen an Isar Aerospace? Deren Chef Daniel Metzler sagte Ende 2024 : "Stand heute kann die Bundesrepublik keinen einzigen Satelliten selbst starten. Stand heute hat Deutschland mehrere kaputte Bundeswehrsatelliten im Orbit, wäre de facto blind, wenn es nicht auf Alliierte zurückgreifen könnte." Dass sein Unternehmen etwas starten kann, ist seit ein paar Tagen bewiesen.

(mho)