Missing Link: Indien schafft Generationensprung von Null zu 4G und 5G

Seite 2: Gegenwind weht auch in Indien

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Immer mehr Bauern können sich Mobilfunk und Smartphone leisten; das ermöglicht ihnen, ihr Vieh mit RFID-Tags zu verwalten.

(Bild: Pratima Harigunani)

Das neuerdings bevölkerungsreichste Land der Welt hat noch viele Aufgaben zu lösen. Auf dem Land ist Telekommunikation zwar verfügbar, wird aber noch nicht ubiquitär genutzt. Festnetz gibt es nur in homöopathischen Dosen. Bei Mobilfunk entfallen auf 100 Einwohner ländlicher Gefilde lediglich 57 Mobilfunk-Anschlüsse, obwohl die privaten Mobilfunker Jio und Airtel inzwischen fast 99 Prozent der Wohnsitze zumindest mit 4G erreichen. Die verbleibenden weißen Flecken sind in sehr entlegenen Dörfern und Gebirgen.

Dennoch werden die Netzbetreiber dafür kritisiert, sich zu sehr auf die Städte zu konzentrieren. "Wenn man sich die privaten Telcos anschaut, waren sie ursprünglich vor allem damit beschäftigt, Telekommunikation in die Städte zu bringen", bestätigt Gupta. "Zumal der größte Umsatzanteil dort erwirtschaftet werden kann, speziell aus Datenübertragung." Inzwischen sei die Regierung dabei, diesen digitalen Graben zu überbrücken. Private Anbieter und der staatliche Betreiber BSNL wurden dazu verpflichtet, auch in entlegenen Gebieten Infrastruktur zu errichten.

Vodafone Idea (VI) hat besonders zu kämpfen. Finanzielle Schwierigkeiten begrenzen den 5G-Ausbau, womit sich lediglich zwei Anbieter den 5G-Kuchen aufteilen, Airtel und Jio. Während des erwähnten Preiskampfes hat VI viele Kunden verloren und damit Umsatz eingebüßt. Also konnte VI weniger in sein Netz investieren, was wiederum zu Kundenabwanderung geführt hat. Ein Teufelskreis.

Umstritten ist die Entscheidung der Regierung, bestimmten Anbietern in finanzieller Notlage zu helfen. VI ist so schwer verschuldet, dass es seine Lizenzgebühren nicht zahlen konnte. Die darauf angefallenen Verzugszinsen hat sich die Regierung in Form von Aktien auszahlen lassen, so dass VI nun zu mehr als einem Drittel dem Staat gehört. Das, so Gupta, habe VI vor dem Konkurs gerettet: "Der Schritt war wichtig für die Modernisierung des Netzes und um die Kundenflucht zu stoppen." Und der Erhalt des Netzes unterstützt den Wettbewerb: Ohne VI hätten Airtel und Jio noch mehr Macht im Markt.

Zu weiteren Herausforderung zählen unzuverlässige Stromversorgung, inadäquate (und häufig unterbrochene) Glasfaser-Infrastruktur, unzureichende Netzabdeckung, sowie die wettbewerbsbedingt geringen Margen bei gleichzeitig hohen Ausgaben für Infrastrukturausbau und Lizenzgebühren. Helfen soll ein nationales Glasfaser-Projekt namens BharatNet, an dem seit 2012 gearbeitet wird. Ziel ist, alle 250.000 Panchayats (Verwaltungsbezirke) mit zumindest 100 MBit/s an das Internet anzubinden. "Bis Mai 2023 sind 634.782 km Glasfaser verlegt worden", weiß Gupta, "Damit wurden 203.211 Panchayats angebunden."

Mit der Einführung von 5G in mehr und mehr Städten wird sich viel ändern. Der Bandbreitenunterschied zu 4G ist erheblich, wie die Opensignal-Analyse zeigt. Omdia schätzt, dass Ende 2028 893 Millionen Inder 5G nutzen könnten. Ericsson schätzt mit 700 Millionen 5G-Nutzern ein bisschen vorsichtiger, doch auch das wäre noch immer der am schnellsten wachsende 5G-Markt der Welt.

Mit über einer Milliarde Einwohnern ist Indien ein riesiger Markt. "Regierungsprogramme wie die Versteigerung von Frequenznutzungsrechten, die National Digital Communications Policy und die Einführung einheitlicher Telecom-Lizenzen (die Netzbetreibern unter einer einzelnen Lizenz erlauben, sowohl Mobilfunk als auch Festnetz anzubieten, Anmerkung) werden zu Wachstum und besserer Qualität der Dienste führen und Innovation anregen", ist sich Gupta sicher.

Langsam greifen auch Satelliten-Telefone und private LTE-Netze Platz. Würde Dr. Who einen Inder aus dem Jetzt abholen und in die Zukunft bringen, sähe er vielleicht überall Glasfaser, Satelliten und Virtual-Reality-Headsets. Wer vermag schon, es genau vorherzusagen. Indien weiß sicher wieder zu überraschen.

Übersetzung: Daniel AJ Sokolov

(ds)