Missing Link: James Bond und "War Room" - die Welten von Filmarchitekt Ken Adam

Seite 2: Interesse an Architektur

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Nachdem sein jüngerer Bruder Dieter einen Jungen in der Uniform der Hitlerjugend verprügelt hatte, schickte die Familie Adam die drei jüngsten Kinder nach England – der Älteste war da schon nach Paris ausgewandert und warnte die Eltern vor den Nationalsozialisten. Die beiden Buben kamen zunächst auf ein Internat in Edinburgh und ändern dort ihre Namen zu Ken und Denis Adam, ihre Schwester Loni fing in einer Sekretärinnenschule einer Tante an. Später folgten die Eltern. Die Mutter konnte dank geschmuggelter Goldstücke und mit geliehenem Geld der Verwandtschaft eine kleine Pension im Londoner Stadtteil Hampstead eröffneten. Der Vater versuchte sich erfolglos im Modegeschäft und starb verbittert über Deutschland im Jahre 1936.

In der Pension Greensoft Gardens 80 wohnten bald viele Emigranten, wie die Brüder von Alexander Korda, die in den Londoner Filmstudios arbeiten und Ken Adam mitnahmen. Auch sonst war die Gegend architektonisch inspirierend. In der Nähe der Pension hatte der kanadische Architekt Wells Coates die Isokon Flats gebaut, in denen die Bauhaus-Emigranten Walter Gropius, Marcel Breuer und László Moholy-Nagy Quartier fanden. Aus der ursprünglichen "kommunistischen" Gemeinschaftsküche wurde bald die "Isobar", in der das linksintellektuelle Milieu verkehrte. Erwähnenswert ist auch 2 Willow Road, ein modernes Ensemble des Architekten Ernő Goldfinger. Gegen den Abriss der alten Häuser in dieser Straße demonstrierte eine Bürgerinitiative, an der sich auch der Autor Ian Fleming beteiligte. So kam Auric Goldfinger, der Schurke in Flemings siebtem Bond-Roman, zu seinem Namen.

Bis Ken Adam auf die für ihn unerhört ergiebige Goldmine der Bond-Romane stieß, vergingen freilich etliche Jahre. Ken ging zunächst auf die Schule St. Pauls, dann nahm er ein Abendstudium an der Bartlett School of Architecture am University College auf. Tagsüber arbeitete er beim Architekturbüro Glover & Partners, einer Firma, die sich auf den Bau von Hallen spezialisiert hatte und nun Luftschutzkeller entwarf. Ken Adam zeichnete viele dieser Keller, was dazu führte, dass er unabkömmlich war, als der Zweite Weltkrieg begann und Großbritannien Deutsche und Italiener internierte. Im Oktober 1940 wurde Adam dem Pionierkorps zugeteilt und zeichnete auch dort Luftschutzanlagen, "gleichförmige, künstliche innere Umwelten als Refugium gegenüber einer fehlgeleiteten, zerstörerischen Zivilisation", wie sie der Architektur-Kritiker Lewis Mumford beschrieb.

Nach acht Monaten Zeichnerei bewarb sich Adam bei der britischen Air Force und begann eine Ausbildung als Kampfpilot. Ihm folgte sein Bruder Denis, als er das notwendige Alter erreicht hatte. Beide flogen Unterstützungseinsätze mit Flugbombern vom Typ Hawker Typhoon. Die Adam-Brüder gingen damit ein hohes Risiko ein: Als Deutsche wären sie bei einem Absturz über feindlichem Gebiet nicht als Kriegsgefangene, sondern als Verräter eingestuft und getötet worden. Von der Fliegerei blieb bei Ken Adam eine lebenslange Leidenschaft für schnelle Flugzeuge, schnelle Autos und schnelle Schiffe.

Da er nach der Demobilisierung keine Aufstiegsperspektive in der Armee sah, ging Adam, nunmehr britischer Staatsbürger, als Zeichner und Filmausstatter in die Filmszene. Er fertigte zunächst eine ganze Reihe von Schiffsmodellen, von der Galeere bis zu den Schiffen für einen Film um den fiktiven britischen Seehelden Horatio Hornblower. Sein wichtigstes Filmschiff baute Adam indes für den Film "Der rote Korsar", der rund um Ischia gedreht wurde. Adam selbst segelte mit dem umgebauten Piratenschiff nach Italien, ganz Ischia sah beim Einlaufen zu, darunter eine "hinreißende Blondine" namens Maria-Letizia Moauro, die er 1952 heiratete. Für den Film fuhr Adam sein ganzes späteres Bond-Arsenal auf: Bomben explodieren, ein Heißluftballon wird geflogen, ein Flammenwerfer-Panzer kommt zum Einsatz und ein Ruderboot verwandelt sich in ein U-Boot.

Der erste eigenständige Einsatz von Ken Adam als "Production Designer" war der Film "Der Fluch des Dämonen" unter der Regie von Jacques Tourneur. Für diesen Film entwarf Adam nicht nur die verschiedenen Gebäude und hallen, sondern – unter Protest – das einzige Monster, das von ihm gezeichnet wurde: Adam meinte, dass das Monster nicht gezeigt werden müsste. Im ersten Bond-Film schuf Adam die lauschige Unterwasser-Wohnung von Dr. No mit einem äußerst überschaubaren Budget von 14.500 Pfund. Bei diesem Etat waren Bilder von Haien und anderen Fischen viel zu teuer, also filmte man Goldfische und vergrößerte sie zu Monstren. An den Wänden sollte ein damals gestohlenes Bild von Goya hängen, das Adam über das Wochenende vor Drehbeginn malte.