Missing Link: Liebe das Biotop und das Biom - die Zukunft der Landwirtschaft 2

Seite 2: Permakultur: Hype oder Hoffnung?

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Ob ich überhaupt über Permakultur schreibe, musste ich länger überlegen. Wer die Bücher der frühen Pioniere wie Mollison, Holmgren und Bell liest, findet eine Sammlung bewährter Prinzipien hauptsächlich aus dem Gartenbau, aber auch aus den uralten Landbaumethoden indigener Amerikaner. Seitdem erschienen viele Bücher, die jedoch alle eine drängende Frage nicht beantworten können: Wie ist denn der typische Ertrag?

Das setzt sich in der Praxis fort: Es gibt sehr viele Anlagen, auf denen sich Landwirte beraten lassen können, wie sie das machen sollen. Es gibt aber kaum Anlagen, die ohne diesen Berateraspekt wirtschaftlich rentabel arbeiten. Da zweifelt der professionelle Haupterwerbs-Landwirt. Zudem fehlen Forschungsdaten, die es zu anderen Landbauarten gibt. "Wir sind bei der Permakultur, was die wissenschaftliche Betrachtung angeht, an einem Punkt, wo wir beim Ökolandbau vor 40 Jahren waren", sagte Freddy Fricke vom UmweltKulturZentrum Dortmund 2019 dem Deutschlandfunk. Dennoch gibt es in der Permakultur viele Ansätze, die auch einzeln für sich bereits wirken. Da wären unter anderem:

  • Mulchen: die Bedeckung des Bodens, idealerweise mit verrottendem Pflanzenmaterial, das Bodenleben fördert und Nährstoffe einbringt (Flächenkompostierung).
  • Agroforst-Anbau: Bäume stehen bei kleineren Pflanzen, was durch geringere Verdunstung trotz potenziell weniger Sonnenlicht zu höheren Erträgen führt. Laub düngt den Boden, mit Nährstoffen aus tieferen Bodenschichten. Zusätzlich können die Bäume beerntet werden.
  • Effektive Flächennutzung, etwa durch Mischung unterschiedlich hoher Pflanzen (3D-Anbau)
  • Mischkulturen: Kombinationen von Anbaupflanzen unterstützen oder schützen sich gegenseitig.
  • Fruchtfolgen/Rotationen
  • Kreisläufe klein halten und schließen: Idealerweise bewegen sich alle Stoffe in von der Sonne mit Energie versorgten, lokalen Kreisläufen.
  • Bodenschonung: minimale Bodenbearbeitung ohne Pflügen, möglichst geringe Bodenverdichtung, möglichst viel mehrjährige Pflanzen
  • viel Gründüngung: Leguminosen binden mit ihren Knöllchenbakterien Stickstoff aus der Luft im Wurzelwerk. Sie stehen daher viel häufiger auf den Flächen als bei mineralgedüngten Anlagen.
  • Lebensraum für Insekten und Kleintiere, denn ein vielfältiges Ökosystem ist resilienter.
  • Einbettung in einen größeren sozialen Kontext

Permakultur im November (5 Bilder)

Jonas Gampe berät Betriebe, wie sie ihren Anbau möglichst nachhaltig gestalten können. Er hält es für mehr als möglich, mit Permakultur-Methoden eine Weltbevölkerung zu ernähren und mich hält er für recht skeptisch.
(Bild: Clemens Gleich)

Für diesen Text habe ich mit dem Permakulturgärtner Jonas Gampe gesprochen, der eine klare Meinung zum Ertrag äußert: "Ja, es wäre mit Permakultur möglich, eine Weltbevölkerung zu ernähren." Das Ziel der Permakultur ist es nach Gampe kurz und knackig, "essbare, soziale Ökosysteme" zu schaffen – anders als bei heutigen Kulturlandschaften möglichst naturnah. Die Selbstregulierung natürlicher Ökosysteme in den Anbau übernehmen, das ist das Ziel.

Gampes Anhaltspunkte für seinen Optimismus sind über 300 Projekte, die er bisher begleitet hat, plus die Erfahungen auf einer ehemaligen Magerwiese, auf der er mit Anbaumethoden experimentiert. Dort reifen Obst, Nüsse und Gemüse, aber keine Kalorienfeldfrucht wie Weizen, sodass seine Ertragsschätzungen bisher nur für diese Gruppen gelten. Obst und Gemüse enthalten hauptsächlich Wasser. Das ist einfacher zu ersetzen als die Mineralien in Getreide. Der Nussanbau fußt auf historischen Daten: Die Esskastanie etwa gehörte früher in manchen Regionen Südeuropas zu den primären Kohlenhydrat-Lieferanten.

Jonas Gampe berät jedoch nicht nur Obst- und Gemüsegärtner, sondern auch Landwirte mit größeren Getreide-Flächen und glaubt fest an die Wirksamkeit der Prinzipien selbst bei Kalorienanbau im großen Stil. Seiner Überzeugung nach könnten schlau angelegte Permakultur-Anlagen langfristig sogar mehr Ertrag bringen als konventioneller Ackerbau, zusätzlich zu ihren anderen Vorzügen. Zeit und Forschung müssen hier Antworten liefern. Es gibt jedoch noch einen weiteren Grund, Permakultur hier zu nennen: Trotz kaum vorhandener wissenschaftlicher Datenlage eignen sich die Prinzipien wunderbar dazu, im eigenen Naturgarten zu experimentieren. Dort stellt sich auch die Frage nach der CO2-Bilanz weniger.

Im hinteren Teil der Versuchsanlage Gampes steht ein Klohäuschen mit einer Kompost-Toilette. "Das ist auch so ein Wertstoff, den man zum Problemstoff gemacht hat", sagt Jonas. Klärschlamm wird in Deutschland zu mehr als der Hälfte verbrannt, Tendenz (und Regulationsgrad) steigend. Baden-Württemberg verbrennt fast 100 Prozent und der bundesweite Ausstieg aus Klärschlamm als Dünger ist bereits beschlossen. Grund sind die Schadstoffe im Abwasser. Rückgewinnungsanlagen sollen zumindest 60 bis 80 Prozent des Phosphors retten. Anderswo bleiben die Kreisläufe kleiner: "The poop has to stay in the loop", reimt die Schauspielerin Patricia Arquette in der Doku "Kiss The Ground", als sie über die Komposttoiletten ihrer Organisation "GiveLove" in Kenia spricht.

Im nächsten, dritten und letzten Teil dieser Serie widmen wir uns dem konventionellen Landbau, dessen Förderung und seinen Best Practices. So gern und oft wir über Bio, Permakultur, Naturnahrung sprechen, eines hat sich in den letzten 200 Jahren kaum geändert: Ein Mainstream von Bauern ernährt eine große Mehrheit der Menschheit mit den jeweils effizientesten Methoden. Da wir heute Effizienz auf immer längere Sicht sehen müssen, hat sich der konventionelle Landbau, von der Öffentlichkeit wenig beachtet, bereits stark geändert.

(jk)