Missing Link: Nie mehr ins Ladengeschäft! Was für den Versandhandel spricht

Seite 4: Was lernt man daraus?

Inhaltsverzeichnis

(Bild: Nice to meet you / Shutterstock.com)

Ich hege keine bösen Gefühle gegen den Schuh-Hersteller. Ich würde dort wieder kaufen. Jeder baut mal eine Fehlkonstruktion. Der Vertragspartner für Schadensfälle ist sowieso der Händler. Gegen den hege ich jedoch ebenfalls keine bösen Gefühle. Deshalb stehen hier keine Namen. Es ist eher Enttäuschung. Wenn ich auf dem relevanten Risiko, eine Fehlkonstruktion zu kaufen, immer selber sitzen bleibe, kann ich dort keine teuren Waren mehr kaufen. Ich habe mein Schuh-Budget verspielt am Roulette-Tisch des stationären Einzelhandels und kann mir aussuchen, ob ich mit dem Resultat ausrutschen will oder mit Trainingsschuhen durch den Winter latsche. Unbefriedigend.

Die im Versandhandel bekannte Lehre "Kulanz lohnt sich" scheint aus irgendeinem Grund nur schwer in den stationären Handel Einzug zu halten, und dort eher in kleinen, beweglichen Läden. Diese Lektion gehört jedoch nicht allein in den Versand, sie gehört in den gesamten Handel. Ich lasse mein Geld bei immer denselben vertrauenswürdigen Vertragspartnern, über Jahrzehnte. Ich muss dabei feststellen, dass Vertrauen wider jede Erwartung per Post besser funktioniert als im Laden. Hier schlittere ich auf das dünne Eis der "gefühlten Wahrheit", daher zur Prüfung die Sachlage: Retouren im stationären Einzelhandel durchschnittlich: 1 Prozent, im Versand 12 Prozent, Bekleidung überdurchschnittlich vertreten. Man könnte im Laden also doppelt so kulant sein wie bisher und hätte dabei immer noch nur ein Sechstel der Retouren-Kosten des Versands. Das passiert jedoch nicht. Warum?

Wahrscheinlich zwingt der Versand uns Vertrauen auf. Ich vertraue darauf, dass der Händler vorab bezahlte Ware tatsächlich schickt. Der Händler vertraut darauf, dass ich mehr Geld einbringe, als Versandkulanz kostet. Ohne dieses Vorschussvertrauen ginge im Versand nichts. Im Geschäft muss ich weniger vertrauen. Ich zahle direkt gegen Warenübergabe. Ich kann sehen, was ich kaufe. These: Beide Parteien halten die Transaktion an der Kasse für so abgeschlossen, dass ein Reklamationsfall auf erheblichen emotionalen Widerstand stößt. Letztendlich ist es aber egal: In der steten Konkurrenz zu allgegenwärtigen, kulanten Versandhändlern muss der stationäre Einzelhandel auf Dauer ein vergleichbares Niveau liefern, wenn er seine Krise lösen will. Es gibt sonst schlicht zu wenige Vorteile des Ladengeschäfts, weder für Kunden noch für die Wirtschaft oder die Umwelt. Meistens liegt der Benchmark doch gleich im Haus: Man stelle sich einfach vor, da stünde nicht der Kunde, sondern der Lieferdienst mit einer Warenrücksendung der Versandabteilung.

(tiw)