Missing Link: Open Source ist tot, es lebe Post-Open-Source​

Seite 3: Lasten auf dem Rücken des Kamels

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Generell stand Perens meist ideell dem Free-Software-Doyen Stallman näher als seinem einstigen OSI-Mitstreiter Raymond. Von der unverhohlenen Beratertätigkeit des Letzteren für die Industrie distanzierte er sich spätestens 1999. Zwischen beiden brach schon damals ein "Flame War" auf mehreren Programmierer-Mailinglisten aus, der auch an die Öffentlichkeit gelangte. Raymond warf Perens demnach vor, "die Interessen unseres gesamten Stammes" zu gefährden und bedrohte sowie beschimpfte ihn.

In einem frühen Buch über die "Open-Source-Revolution" und ihre Hacker-Lichtgestalten war von diesen Grabenkämpfen freilich nichts zu verspüren. Perens feierte die Open-Source-Definition damals als "Grundrechteerklärung" für Computernutzer. 2020 war sein Bruch mit der OSI aber endgültig. Knackpunkt war damals – wie heute – die Frage, ab wann eine zu große Auswahl an Lizenzen den Software-Entwicklern eher schadet, als hilft und Nutzerfreiheiten untergräbt.

Jede weitere Last auf dem Rücken des Kamels Open Source sei eine zu viel, warnt Perens nun vor dem Zusammenbruch des ganzen Ökosystems rund um den freien Quellcode. Daher sei zumindest eine zusätzliche rechtliche Absicherung unerlässlich.

Freie Software habe dem Internet die Werkzeuge gegeben, "um mit seiner eigenen Geschwindigkeit zu wachsen", heißt es dazu bei The Register. Die ersten Open-Source-Anwender wollten nie darauf warten, bis Microsoft oder IBM herausfinden würden, wie der Hase läuft. Sie wollten einfach ihre eigenen Server und Werkzeuge bauen und teilen. Als in den Vorstandsetagen dann die Erkenntnis gedämmert habe, hätten sich die klapprigen frühen Softwarepakete längst "zu voll funktionsfähigen, universell einsetzbaren und zuverlässigen Grundlagen der neuen Wirtschaft entwickelt".

Freie Software und das Internet erreichten so eine kritische Masse und wuchsen weiter, freuen sich die Verfechter des in die Jahre gekommenen Ansatzes prinzipiell. Doch mit der Zeit seien in der Open-Source-Galaxie Schwarze Löcher entstanden, die nun geflickt oder umgangen werden müssten. Klagen über eine ungerechte Verteilung der Mittel und mangelnde Benutzerfreundlichkeit bei Programmen mit offenem Quelltext sind zwar fast genauso alt wie die gesamte Bewegung. Doch eventuell dient Perens' noch unfertiges Konzept als finaler Weckruf, der zugleich auch zu neuen Wegen im Umgang mit persönlichen Daten inklusive einer besseren Nachverfolgbarkeit ihrer Nutzung führt.

(mki)