Missing Link: Open Source ist tot, es lebe Post-Open-Source​

Bruce Perens, Mitgründer der Open-Source-Bewegung, wittert Verrat am Ideal der maximalen Nutzungsfreiheit freier Software. Er will Rückbesinnung und Neustart.​

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Open Source Knopf auf Tastatur

(Bild: Imilian/Shutterstock.com)

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"Offener Code ist eine Grundlage für eine offene Gesellschaft", hob "Creative Commons"-Initiator Lawrence Lessig 1999 hervor. Befürworter freier Software wie Richard Stallman und Eben Moglen tüftelten daher Lizenzen wie die GNU General Public License (GPL) aus, um die Freiheit von Softwareprogrammen mit offenem Quelltext – und damit zugleich das kooperative Erstellen und Weiterentwickeln von Wissen – zu wahren. Doch die Achtung vor solchen rechtlichen Modellen schwindet. Zudem nutzen große Internetkonzerne wie Amazon, Google, Meta und Microsoft verstärkt auch ihre mit freier Software gebauten Plattformen und Cloud-Infrastrukturen, um im großen Stil Daten über ihre Nutzer zu sammeln und deren Privatsphäre auszuhöhlen.

Schon seit einiger Zeit brodelt es daher in der Open-Source-Gemeinde ähnlich stark wie Ende der 1990er, als Pragmatiker wie Eric Raymond und Tim O'Reilly sich vom Freien-Software-Übervater Stallman und dessen Sendungsbewusstsein zu distanzieren suchten und mit dem Begriff Open Source einen wirtschaftsfreundlichen Kurs fuhren. Bruce Perens, der 1998 zusammen mit Raymond die Open Source Initiative (OSI) zum Hüten von damit vereinbaren Softwarelizenzen gründete und so quasi die Nachfolgeversion von "Free Software" auf die Beine stellte, nennt die aktuellen Probleme der Szene beim Namen und hält einen Neustart für unvermeidlich. Nachdem der frühere Projektleiter der Linux-Distribution Debian bereits die Open-Source-Definition der OSI formuliert hatte, hat er nun das "Post-Open Source"-Zeitalter ausgerufen.

Was Perens da ausheckt, hört sich grundsätzlich schon recht bestimmt an, auch wenn Details noch offen sind. "Ich habe Artikel darüber geschrieben und versucht, einen Lizenzprototyp zusammenzustellen", erklärte der 66-Jährige jüngst in einem Interview mit dem Online-Magazin The Register seine Vorgehensweise. "Natürlich brauche ich die Hilfe eines Anwalts. Und dann ist der nächste Schritt, Fördergelder zu beantragen."

"Freie Software ist mittlerweile 50 Jahre alt und die erste Ankündigung von Open Source erfolgte vor 30 Jahren", erläutert Perens. Für ihn ist es daher an der Zeit, "einen Blick auf das zu werfen, was wir erreicht haben, und zu sehen, ob wir es besser machen können". Es gelte zwar, das Gute von Open Source zu bewahren und die Existenzgrundlage von Linux & Co. zu sichern. Grundsätzlich sei es auch nötig, wieder Regeln und Paradigmen für den Erhalt und die Weiterentwicklung von offenem Quellcode bereitzustellen. Zugleich plädiert der Informatiker aber für einen radikalen Schnitt: "Das, was nach Open Source kommt, sollte anders genannt werden. Es sollte niemals versuchen, sich als Open Source auszugeben." Nach einem trefflicheren Begriff als "Post-Open" suche er noch.

Open Source 2.0 beziehungsweise Freie Software 3.0 ist nach Perens' bisheriger Beschreibung etwas komplizierter als Open Source 1.0. So will der Kalifornier die Beziehung zwischen Entwicklern und kommerziellen Softwareanwendern neu definieren. Sein Ziel ist es sicherzustellen, dass Unternehmen einen angemessenen Betrag für die Vorteile frei verfügbarer Software zahlen, die sie erhalten. Für Einzelpersonen und gemeinnützige Organisationen sollen einschlägige Programme weiterhin kostenlos bleiben und – wie gehabt – nur das Anerkennen einer Lizenz erfordern.

Zusätzlich schwebt dem Open-Source-Veteranen ein einfacher jährlicher Kontrollprozess vor, um die Einhaltung der mit der neuen Lizenz verknüpften Vorgaben besser durchsetzen zu können. Unternehmen will er erst mit dieser zusätzlichen Komponente alle Rechte verschaffen, die sie für die Nutzung von Post-Open-Software benötigen. Firmen müssten zudem Entwickler finanzieren, damit diese auch vermehrt Programme schreiben, die der Normalbürger einfach nutzen kann – nicht nur technische Experten.