Missing Link: Smart City Moskau - WLAN satt, 200 digitale Verwaltungsdienste, 170.000 Kameras

Seite 2: Videoüberwachung statt Internet der Dinge

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Eingeführt hat die Stadtverwaltung auch ein einheitliches System mit GPS und der russischen Alternative Glonass, um den Einsatz von rund 32.000 kommunaler Fahrzeuge wie Busse des öffentlichen Personennahverkehrs, der Straßenreinigung oder der Müllentsorgung zu kontrollieren. Damit werden etwa einzuhaltende Routen, die gefahrene Geschwindigkeit oder der Benzinverbrauch überwacht. Das "Internet der Dinge" spiele dabei noch keine allzu große Rolle, führt Tuzmukhamedow aus: "Da wir rund 170.000 Kameras für die Videoüberwachung im öffentlichen Raum installiert haben, die pro Jahr 1,2 Milliarden Stunden Material liefern, brauchen wir keinen Sensor in jeder Mülltonne." Jeden Morgen werde ein Auszug der Aufnahmen überprüft und gegebenenfalls Sanktionen gegen einen untätig gebliebenen Dienstleister verhängt. Dasselbe System werde bereits etwa auch zur Kontrolle von Bauaktivitäten eingesetzt.

Der Kreml in Moskau

(Bild: Artur Janas, gemeinfrei (Creative Commons CC0) )

Auf die Maschinerie zur Videoüberwachung haben in Moskau 6000 Polizisten und 10.000 Verwaltungsmitarbeiter Zugriff. 45.000 Strafen werden darüber täglich wegen Verkehrsdelikten wie Geschwindigkeitsüberschreitungen oder Falschparken automatisch ausgestellt. Das System soll zudem bereits in 70 Prozent der polizeilichen Ermittlungen eine Rolle spielen und Schritt für Schritt an Brennpunkten mit biometrischer Gesichtserkennung aufgerüstet werden.

In vielen Wartezimmern von Ärzten oder Rettungsstellen von Kliniken könnten Patienten auch schon über Echtzeit-Kameras in Erfahrung bringen, wie groß der Andrang vor Ort gerade sei, erzählt Tuzmukhamedow. 660 Krankenhäuser und Labore, 21.000 Ärzte sowie neun Millionen Bürger seien in Moskau an ein einschlägiges E-Health-System angeschlossen. Darüber würden im Jahr 25 Millionen elektronische Rezepte ausgestellt und 187 Millionen Termine digital vereinbart – was die mit der elektronischen Gesundheitskarten eher geplagten als gesegneten Bundesbürger und Ärzte in Deutschland überraschen dürfte. In Moskau sei es auf diesem Weg gelungen, dass kein Ratsuchender länger als zwei Tage auf eine Konsultation bei einem Spezialisten warten müsse. Ziel sei es auch, die Zeit des Herumsitzens vor einer Sprechstunde auf maximal 15 Minuten zu begrenzen.

Das Moskauer Smart-City-Projekt umfasst auch eine umfassende Initiative zur Digitalisierung im Bildungsbereich: Laut aktuellen Zahlen sind 1840 Schulen mit 52.000 Lehrern und 1,6 Millionen Schüler mit Anschlüssen mit einer Bandbreite von rund 30 MBit/s vernetzt, alle Ausbilder und alle Eleven verfügen über ein persönliches Laptop oder Tablet. "Es ist möglich, alle Noten über eine App einzusehen", erklärt Tuzmukhamedow. "Wir haben die Schiefertafeln mit intelligenten Paneelen ersetzt und eine in Eigenregie betriebene Cloud mit Bildungsinhalten aufgebaut, die prinzipiell frei weiterverwendet werden können." Eltern könnten auf ihrem Smartphone sogar einen Benachrichtigungsdienst beziehen, wann ihre Schützlinge in die Schule kommen und diese wieder verlassen.

Auch eine Ansicht von Moskau

(Bild: Русский, gemeinfrei (Creative Commons CC0) )

Das hört sich alles doch sehr nach Big Brother an, Orwell lässt grüßen. Der Stadtvertreter betont aber, dass es in Moskau keine zentrale Datenbank gebe, in der Informationen aus den einzelnen Systemen zusammengeführt würden. Es sei zwar ein elektronischer Dokumentenfluss für insgesamt 2000 kommunale Einrichtungen eingeführt worden, ein zentrales Rechnungs- und Finanzwesen und ein einheitliches elektronisches Beschaffungssystem, mit denen die Stadt Hunderte Millionen Rubel pro Jahr spare. Einzelne Abteilungen und Referate könnten anwendungsbezogen im Bedarfsfall ferner Informationen aus verschiedenen Datenbanken beziehen, damit diese nicht wiederholt eingegeben werden müssten. Dafür sei aber genauso wie für das Tracking von Schülern oder den Versand von Patientendaten die jeweilige Einwilligung der Betroffenen erforderlich.