Missing Link: Spiele der XX. Olympiade München 1972 – die Spieler und Sportler

Seite 2: BRD vs. DDR

Inhaltsverzeichnis

1972 traten die BRD und die DDR als eigenständige Mannschaften auf. Getrennt waren sie schon bei den Olympischen Spielen von Mexiko 1968 einmarschiert, doch durften dort weder die Nationalhymnen gespielt noch die jeweiligen Flaggen gezeigt werden. Stattdessen gab es für beide Beethovens "Ode an die Freude" und eine einheitliche Schwarz-Rot-Goldene Fahne mit den olympischen Ringen. Nun aber konnte die DDR ausgerechnet in der Bundesrepublik ihre eigene Flagge zeigen: Mit der Großen Koalition von Union und SPD im Jahre 1969 wurde das Verbot des Zeigens dieser Flagge mit Hammer, Zirkel und Ährenkranz aufgehoben, das bei Sportwettkämpfen regelmäßig für Polizeieinsätze sorgte.

Einerseits gab es in der DDR eine Kampagne mit dem üblen Slogan "2 x 36 = 72", die die Spiele von 1972 als Fortsetzung der von den Nationalsozialisten ausgenutzten Spiele von 1936 denunzierte, andererseits wurde im ganzen Land nach Mitteln und Wegen gesucht, die BRD zu übertrumpfen. Eine ganz besondere Form nahm dies beim Kanuslalom an, der 1972 erstmals olympisch wurde: Im eigens gebauten Wildwasserkanal in Augsburg mussten die DDR-Sportler bei der Qualifikation für die Sommerspiele 1971 erleben, dass sie den BRD-Kanuten hoffnungslos unterlegen waren. Die Lösung des Problems: die Wildwasserbahn wurde ausspioniert und in Zwickau heimlich nachgebaut. Alle Goldmedaillen im Slalom gingen an die DDR.

Apropos Bauten: Mit 69 Millionen D-Mark war die Regattastrecke Oberschleißheim die Anlage, die das ursprünglich angesetzte Budget von 10 Millionen am deutlichsten sprengte, gefolgt vom Reitstadion. Auf der 2,2 Kilometer langen Strecke sollte der BR-Deutschlandachter des Super-Trainers Karl Adam brillieren, der 1968 in Mexiko die Goldmedaille gewonnen hatte. Adam hatte nicht nur neue Methoden wie das Intervalltraining entwickelt, sondern vertrat auch das Konzept des "mündigen Athleten": "Als Trainer bin ich der Ansicht, dass die Entscheidung, ob ein Athlet seine physiologischen Leistungsvoraussetzungen etwa durch Anabolika verbessern will, nur er selbst treffen kann. Funktionär, Sportmediziner, Trainer haben die Pflicht zur Aufklärung über die Wirkung, aber nicht das Recht der Bevormundung."

Ob gedopt oder nicht, sein "Deutschland-Achter" fuhr 1972 hinterher und kam als Fünfter ins Ziel. Sieger wurde das Boot aus Neuseeland, dessen Crew ein Jahr zuvor in der Qualifikation für Olympia die "Europa-Meisterschaft" gewonnen hatte. Die bootlos angereisten Ruderer, die mit einem von ihnen zunächst heftig abgelehnten Karlisch-Ruderboot der Bootswerft Empacher nur kurz auf dem Sylvensteinspeicher trainieren konnten, wurden davon überrascht, dass IOC-Präsident Avery Brundage "den echten Amateuren" die Goldmedaillen überreichen wollte. Zur Siegerehrung wurde irrtümlicherweise "God Defend New Zealand" gespielt, das erst nach diesem Vorfall die offizielle Nationalhymne Neuseelands wurde und "God Save the Queen" ablöste.

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Wenn von desaströsen Niederlagen die Rede ist, darf aus gesamtdeutscher Sicht der Fußball nicht fehlen. Es spielten nur die Männer, Frauen kamen erst viele Jahre später zum Zug. Im olympischen Fußball-Turnier, das kreuz und quer in bayerischen Stadien ausgetragen wurde, kam es zum Duell Deutschland-West gegen Deutschland-Ost. Eigens für Olympia hatten einige Spitzenkönner wie Uli Hoeneß auf hohe Gagen verzichtet und waren nominell Amateure. Hoeneß, der gerade mit der Nationalmannschaft Europameister geworden war, war zum Beispiel als "Bürobote" bei Bayern München eingestellt, doch niemals im Büro zu sehen.

Sein Sturmpartner war ein gewisser Ottmar Hitzfeld, der an der Pädagogischen Hochschule Basel ein Lehramtsstudium absolvierte und nebenbei beim FC Basel kickte. Hitzfeld schoss so viele Tore, dass es in der Zwischenrunde zum Duell DDR gegen BRD kam. 80.000 Zuschauer kamen bei einer fast doppelt so hohen Nachfrage nach Eintrittskarten. Die verächtlich "Staatsamateure" genannten Kicker der DDR gewannen trotz eines Traumtores von Hoeneß 3:2 und sicherten sich so den Einzug ins Finale um den dritten Platz.

Im Kampf gegen die Sowjetunion ging es um die Bronzemedaille, der auf Weisung von Funktionären unentschieden endete. Beim "deutsch-sowjetischen Freundschaftsspiel" gab es noch kein Elfmeterschießen, worauf beide Partner die Bronzemedaille erhielten. Bei der in ebenfalls in Deutschland ausgetragenen Fußball-WM 1974 schwor Westdeutschland Rache für die olympische Schmach – und verlor erneut (allerdings wurde man Weltmeister). Was Schmach ausmachen kann, zeigte das Hockey-Turnier der Männer: dort siegte die BRD beim Kampf um die Goldmedaille gegen Dauersieger Pakistan, dessen Spieler völlig ausrasteten. Sie bespuckten die Medaillen und warfen sie weg. Später demolierten sie die Umkleidekabine.