Missing Link: Spiele der XX. Olympiade München 1972 – die Spieler und Sportler

Seite 3: Proteste beim Turnen

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Wenn von Protesten die Rede ist, darf das Turnen nicht fehlen. Während bei den Männern die Japaner dominierten, wurde in den Frauenwettbewerben die 17-jährige Turnerin Olga Korbut der absolute Publikumsliebling. Als sie am Stufenbarren nur die Silbermedaille zugesprochen bekam, kam es zu einem minutenlangen Pfeifkonzert bis hin zur Drohung des Kampfkomitees, die Halle räumen zu lassen.

Korbut wurde 1972 Sportlerin des Jahres, bei den Männern war es natürlich Mark Spitz. Aus deutscher Sicht erwähnenswert ist die Leistung von Karin Janz, die mit einem angeknacksten Fuß zweimal Gold und zweimal Silber gewann. Sie kreierte dabei den nach ihr benannten Janz-Salto. In ihrer anschließenden Karriere als Medizinerin entwickelte sie die erste Prothese für die Bandscheibe, die sogenannte Charité-Disc.

Der Höhepunkt aller Sommerspiele ist die Leichtathletik, nicht nur in sportlicher, auch in technischer Sicht. Die Firma Junghans installierte Zeitmesser, die die Zeit vollautomatisch in Hundertstelsekunden anzeigen konnten, bei den Weitenmessungen hatte das Maßband ausgedient, die Entfernung mit einem Reflektor und einem Tachymeter gemessen. Am ersten Tag erlebte das Publikum das Drama, dass bei der Qualifikation für den Weitsprung die westdeutsche Medaillenhoffnung Ingrid Mickler, die Sportlerin des Jahres, keinen gültigen Versuch schaffte.

Das Drama war schnell vergessen, weil Heide Rosendahl im Wettkampf bereits mit dem ersten Versuch die Goldmedaille holte. Später gewann sie am Goldenen Sonntag Silber im Fünfkampf und erlief als Schlussläuferin der 4-mal-100-Meter-Staffel mit Weltrekord überraschend die Goldmedaille im direkten Duell mit Renate Stecher, der DDR-Weltrekordlerin und Olympiasiegerin über 100 Meter.

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Auch die Leichtathletik hatte ein paar Momente, die Geschichte schrieben. Da war der Hürdenläufer John Akii-Bua, der aus Freude über seinen Sieg mit neuem Weltrekord tänzelnd und lachend die Ehrenrunde einführte. Da waren die US-Amerikaner Vince Matthews (Gold) und Wayne Collet (Silber), die während der Siegerehrung für ihren 400-Meter-Lauf unter den Pfiffen des Publikums quatschten und tänzelten und deswegen von den Sommerspielen ausgeschlossen wurden. Bis heute wird darüber gestritten, ob ihr Verhalten als politischer Protest gedacht war.

Völlig unpolitisch war eine ziemlich verquere Aktion des Schülers Norbert Südhaus, der beim abschließenden Marathon mit einem selbst gebastelten Athleten-Kostüm Minuten vor dem angekündigten Olympiasieger Frank Shorter unter dem Beifall des Publikums ins Olympiastadion einlief. Nur wenige Sportreporter erkannten sofort, dass hier ein Betrüger unterwegs war. Südhaus rechtfertigte seine Tat als Versuch, das Publikum nach dem Terroranschlag vom 4. September wieder aufzuheitern: "Die Spiele sind doch keine Spiele mehr. Sie sind zu ernsthaft, zu politisch, nur noch Wettkampfe", erklärte er gegenüber einem Reporter.

Natürlich waren die Olympischen Sommerspiele 1972 politisch, nicht nur wegen der deutsch-deutschen Rivalität. Sport&Politics gehören eben zusammen, mitunter auch Geheimdienste wie die Stasi mit ihrer Aktion Flamme. Bis zum Terroranschlag versuchte Bundeskanzler Willy Brandt, die Spiele als Einstieg in den Bundestagswahlkampf zu benutzen. Beim Basketball-Finale kam es zum "Kampf der Systeme" USA gegen die Sowjetunion, mit einem Drama, das mehrfach verfilmt wurde.

Beim Radrennen erschienen nicht akkreditierte nordirische Rennradfahrer am Start, die gegen die irische Mannschaft protestierten. Die IRA-Aktivisten wurden verhaftet und ins Gefängnis geworfen. Zwei Tage vor Beginn der Sommerspiele wurde Rhodesien auf Antrag der afrikanischen Delegierten ausgeladen, die angereisten Sportler mussten das Olympische Dorf verlassen und in eine Kaserne ziehen, wo sie von der Bundeswehr bewacht wurden. Diese hatte 10.000 Mann abgestellt, bei den Spielen unbewaffnet für Ordnung zu sorgen.

An einen Terroranschlag dachte kaum jemand, obwohl palästinensische Gruppen 1972 bereits mehrere Anschläge durchgeführt hatten, einen davon auf dem Flughafen München-Riem mit einem Toten. Eine Zeitung schrieb von der "ersten Schlacht des Nahostkrieges auf deutschem Boden", eine andere wunderte sich, "dass der Krieg gegen Israel sogar bis nach Europa getragen" worden sei. Dazu mehr im nächsten Missing Link.

(bme)