Missing Link: Stellenausschreibung fĂĽr das Digitalministerium
Politiker und Wirtschaftsvertreter haben sich vor der Wahl fĂĽr ein Digitalministerium stark gemacht. Doch wie soll das aussehen und wer leitet es?

Schöner Arbeitsplatz – wenn man Digitalkompetenz und öffentliche Verwaltung zusammen denken kann.
(Bild: In Green/Shutterstock.com)
Der Wahltag zum 21. Deutschen Bundestag wird einige Veränderungen mit sich bringen. Und die Chancen stehen gut, dass Deutschland danach zum ersten Mal ein Bundesministerium für Digitales erhält, das auch wirklich primär die Digitalkompetenzen bündeln wird. Wer auf Dreiviertel-Digitalminister Volker Wissing folgt, muss jedoch ganz schön viele Qualifikationen mitbringen – ein Höllenjob. Der Weg zum möglichen Digitalministerium war lang und von Pleiten geprägt. Aber ob das, was nun kommt, wirklich schlagkräftig sein kann, hängt nicht nur vom Titel ab. Sondern auch davon, was die Aufgabenstellung ist und wer es wird. Genau das will das heutige Missing Link versuchen: Eine Stellenbeschreibung für Deutschlands künftigen Digitalminister.
Was Sie können müssen
Am Anfang stehen einige Feststellungen: Die Digitalpolitik ist spätestens mit dem Amtsantritt von Donald Trump ein zentrales Schlachtfeld der politischen Auseinandersetzungen. Das anzuerkennen ist für jeden Bundeskanzler, der aus der heutigen Wahl hervorgeht, das ganz zentrale, wenn ein Digitalminister seinen Job ernsthaft machen soll. Denn daraus leitet sich ab, dass die Digitalpolitik nicht als Beiwerk oder als Nebenjob zu einer Hauptaufgabe zu erledigen ist.
Die zweite Feststellung: Digitalpolitik ist deutsch – aber eben nicht nur deutsch. Sie ist an vielen Stellen europäisch, an manchen Stellen auch international. Vom kommunalen bis zur internationalen Standardisierung und Abkommen: Digitalisierung ist eine Multi-Level-Aufgabe, die einen entsprechend fähigen Akteur und entsprechenden Unterbau erfordert.
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Die dritte Feststellung: Digitalpolitik muss konsistent werden. Das heißt: Sie muss von einem klaren, wertegeleiteten Bild aus durchdacht und in alle entsprechenden Vorhaben und deren Umsetzung übertragen werden. Wer die Grundprinzipien der Selbstbestimmung des Einzelnen, wirtschaftliches Wachstum und Stabilität sowie eine enge Verzahnung mit der Wissenschaft will, muss das vom Datenschutz über die IT-Sicherheit und das Abhängigkeitsmanagement und Finanzierungsfragen in wirtschaftlicher Perspektive aus einem Guss denken.
Was Ihr Digitalministerium leisten muss
Deutschlands Digitalpolitik ist keine. So einfach lässt es sich bislang beschreiben. Denn das Sammelsurium an Ideen und Zuständigkeiten ist nahezu endlos, diametral unterschiedliche Interessen und Pfade werden parallel verfolgt. Wer ethische KI sagt, kann nicht gleichzeitig den Datenschutz reduzieren. Wer sichere Infrastrukturen sagt, kann nicht gleichzeitig massenhaft chinesische oder US-Hardware in Strom-, Telekommunikations- und anderen Infrastrukturen verbauen lassen. Wer digitale Souveränität sagt, kann nicht darauf abstellen, dass es doch leider keine Alternativen zu Microsoft und Amazons AWS geben würde.
Hier braucht es ein klares Bekenntnis: Ein Digitalministerium nimmt für Deutschland die Zügel in die Hand, um klare Pfade zu beschreiten. Weg von nichteuropäischen Anbietern, hin zu dauerhaft verlässlichen und kontrollierbaren Lieferketten – insbesondere, was den Staat selbst angeht. Es braucht also ein kohärentes und konsistentes Ziel, und auf dieses muss dann tatsächlich hingearbeitet werden – auch in den anderen Ressorts. Denn alleinstehend wird das Digitalministerium auch in Zukunft nicht sein.
Was Sie brauchen
Damit das überhaupt gelingen kann, muss Kompetenz im Digitalministerium gebündelt werden. Kompetenz meint im politischen Bereich zum einen inhaltliches und prozedurales Wissen, zum anderen aber auch die formelle Zuständigkeit: Das Digitalministerium muss klare Verantwortlichkeiten bekommen. Die erste davon ist die Zuständigkeit für alle Digitalisierungsvorhaben der Verwaltung des Bundes. Und zwar von den Infrastrukturen bis zu den Prozessen: Hier muss massiv standardisiert und zentralisiert werden. Bund, Länder und Kommunen haben über die Jahre Milliarden in der Verwaltungsdigitalisierung versenkt. Das muss ein Digitalministerium beenden und die zuletzt entstandenen Einsichten, dass Verfahren von Anfang bis Ende digitalisiert werden müssen und nicht jede Kommune und jeder Bereich dabei eine eigene Insellösung haben sollte, konsequent durchhalten. Und dabei zugleich die Standards nicht verringern, wie etwa bei der eID oder der elektronischen Patientenakte zuletzt passiert, um überhaupt mal eine Lösung zu haben – sondern sie möglichst hochzuschrauben.
Die zweite ist die Zuständigkeit für alle digitalen Infrastrukturen, auf die Bürger und Unternehmen sich in ihrem Alltag verlassen müssen. Also sowohl die Mobilfunkinfrastrukturen als auch alle Varianten von Datenkabeln, von der Frequenzpolitik bis hin zur Unterseeinfrastruktur und zum Weltraum.
Die dritte Zuständigkeit ist die Zuständigkeit für alle grundlegenden EU-Themen: Von KI über Datenschutz und Datennutzung, von Plattformregulierung und digitalem Wettbewerbsrecht und Verbraucherschutz über die Verwaltungsdigitalisierung bis hin zur Frage von digitaler Wirtschaftsförderungspolitik, also etwa dem Aufbau neuer Kapazitäten für souveränitätskritische Produkte, Vorprodukte und Dienstleistungen. All das muss das Ministerium können. Und dazu gehört auch, dass die Forschungsvorhaben, die hierfür relevant sind, aus dem Forschungsministerium verlagert werden – denn bislang ist das ein struktureller Streuschuss ohne konkrete Ziele.
Für all das ist ein massiver fachlicher Unterbau vonnöten. Nicht nur, dass das Ministerium selbst sich mit Spezialisten ausstatten muss – davon gibt es in Deutschland durchaus einige, auch in Ministerien. Sondern auch, dass die Bundesregierung dem Digitalministerium kompetente Behörden zuweisen muss. Ohne das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik und die digitalrelevanten Teile der Bundesnetzagentur, ohne Zuständigkeit für die Rechenzentren des Bundes, für Digitale Identitäten und die Verwaltungsdigitalisierung geht es nicht. Denn für das Tun, für das Umsetzen, kann nicht das Ministerium selbst zuständig sein.
Was Ihnen blĂĽht
Was aber heißt das alles für einen potenziellen Digitalminister? Minister müssen keine Fachspezialisten sein. Aber sie brauchen, um ihren Job gewissenhaft ausfüllen zu können, ein Grundinteresse an einer Thematik. Gerade bei einem so vielfältigen Bereich wie der Digitalpolitik. Denn hier wird tatsächlich ein tieferes Grundverständnis von Problematiken erfordert – welches zudem auch noch in einem riesigen Lobby-Haifischbecken und in internationalen Minenfeldern spielt, die von Sachpolitik oft meilenweit entfernt sind.
Bleibt noch ein Grundproblem: Wer könnte ein solches Ministerium überhaupt leiten und das dafür nötige politische Gewicht mitbringen? Diese Frage wird in Berlin seit Wochen in Fachkreisen intensiv diskutiert. Doch es gibt parteibuchübergreifend keinerlei offensichtlichen Kandidaten, der sowohl die nötige Vertrautheit mit der Thematik als auch das politische Gewicht mitbringt, um sich im Kabinett und auf europäischer Ebene durchsetzungsfähig genug zu zeigen. Der CSU-Politikerin Dorothee Bär wird nachgesagt, dass sie gerne Familienministerin würde, Lars Klingbeil soll Ambitionen auf das Verteidigungsministerium haben und Renate Nikolay, die stellvertretende Generaldirektorin der Generaldirektion Connect bei der EU-Kommission und derzeit wohl erfahrenste deutsche Digitalpolitikerin, wäre in Berliner Parteikreisen wohl nur schwer vermittelbar.
Dabei bräuchte es ein Schwergewicht. Denn wenn in den kommenden Monaten Geld für neue Vorhaben in die Hand genommen werden soll, wird das keine einfache Debatte werden – egal wie sinnvoll die Idee eigentlich auch sein mag. Was auch dazu führen wird, dass einige der bisherigen Digitalprojekte eingestampft werden müssen. So ist der Glasfaserausbau nur noch im absoluten Ausnahmefall überhaupt förderwürdig und ob es ein Dateninstitut braucht, darüber darf ebenfalls gestritten werden. Und wenn Milliarden nicht nur für Chipfabriken nötig werden sollten, dann wird auch das keine einfach zu organisierende Sache werden. Entsprechend muss hier jemand ans Ruder, der das auch tatsächlich durchboxen kann. Bloß ist derjenige nicht in Sicht.
Vielleicht doch weiterwurschteln?
Weder Friedrich Merz noch irgendein anderer Politiker der Parteien, die sich in den vergangenen Monaten für ein starkes und eigenständiges Digitalministerium ausgesprochen haben, hat bislang einen ernsthaften Personalvorschlag unterbreitet. Quereinsteigern aus der Wirtschaft fehlt meist das Wissen um die Verwaltung, ein Großteil der bisherigen Digitalpolitiker hat bislang nicht das Format erreicht, um Minister zu werden – oder beendet mit dem Zusammentritt des 21. Bundestages gar seine Karriere. Vielleicht wäre es da nur konsequent am Ende eines kurzen, aber digitalpolitisch überaus ernüchternden Wahlkampfes zu sagen: Es hat zwar bislang nicht gerade gut funktioniert – aber wir lassen es lieber auch in der kommenden Regierung mit dem Digitalministerium. Denn wenn niemand da ist, der es wirklich kann, wäre es am Ende vielleicht besser, so weiterzuwurschteln wie bisher. Oder Volker Wissing, der ja inzwischen eh schon parteilos ist, den Bereich einfach weitermachen zu lassen. Denn wenn sich kein geeigneterer Kandidat findet, ist eine Stellenausschreibung vielleicht derzeit doch keine so gute Idee.
(nie)