Missing Link: Telematische Infrastruktur – die abgespahnte Seite des Systems

Seite 3: Sonderdienst E-Mail und Datenaustausch

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(Bild: Tyler Olson/Shutterstock.com)

Wo bleibt das Positive? Geht es nach der Gematik, so werden die Ärzte und andere Leistungserbringer durch KIM und das e-Rezept aufgeheitert und motiviert. KIM ist ähnlich wie De-Mail ein Sonderdienst für den sicheren Mail- und Datenaustausch. Ähnlich wie bei De-Mail wird es mehrere KIM-Anbieter geben. Bislang sind nur die CompuGroup Medical und das KIM-Angebot der Kassenärztlichen Vereinigungen zugelassen. Weitere KIM-Anbieter wie Telekom und T-Systems oder Arvato befinden sich noch in der Zulassungsphase.

KIM ist nicht nur für den Austausch von Patientendaten gedacht, sondern auch zur Kommunikation mit der Krankenkasse, weshalb eine SMC-B der Praxis und eine KIM-E-Mail-Adresse ausreicht. Während die Kassenärztliche Vereinigung ihren Ärzten eine E-Mail-Adresse finanziert, aber 100 Euro für die Einrichtung und 23,40 Euro pro Quartal verlangt, wirbt CGM für sein KIM mit gestaffelten Preisen. Bei CGM geht man offenbar von einem Run auf attraktive KIM-Adressen aus: "Wer nicht KIMmt zur rechten Zeit, der muss nehmen was übrig bleibt", lautet der Werbespruch.

Technisch ist KIM ein POP3/SMTP-Maildienst, was dem Umstand geschuldet ist, dass die Ärzte ihre digitale Kommunikation 30 Jahre lang sicher im PVS aufbewahren müssen, also weit über die Gültigkeitsdauer von digitalen Zertifikaten hinaus. In der KIM 1.0 ist die Größe der Dateianhänge auf 25 MB beschränkt. Größere Dateien aus bildgebenden Verfahren sollen über andere Anbieter laufen, wie es von den Landeärztekammern geregelt wird, etwa für Niedersachsen mit Cryptshare.

Die wichtigsten Dienste, die abseits der Arztkommunikation über KIM alles laufen sollen, sind die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eAUB ab 1.1.2021 und der elektronische Heilkostenplan (eHKP) ab 2022. Ob der Arzt wirklich Vorteile von diesen Angeboten hat, die er an die Kassen schicken muss, steht in den Sternen. Denn beide müssen nach dem aktuellen Stand der Dinge nach wie vor ausgedruckt und dem Patienten ausgehändigt werden.

Erst mit dem e-Rezept können komplett digitalisierte Wege beschritten werden. In der Darstellung der Gematik ist das elektronische Rezept und die zugehörige App für das Smartphone ein "Game Changer". Deutschland wird das 18. europäische Land sein, das ein e-Rezept einführt. Das digital erstellte und signierte Rezept soll am 1. Juli 2021 eingeführt werden und bereits 2022 gesetzlich verpflichtend ausgegeben werden. Es besteht aus einem QR-Code, der auf einem Rezept-Server gespeichert wird.

Gleichzeitig wird dieser QR-Code für den Versicherten ausgedruckt oder in der App seines Smartphones gespeichert. In der ersten Stufe löst das e-Rezept das Muster 16 ab, in Stufe 2 sollen Betäubungsmittel-Rezepte, in Stufe 3 Intensivpflegeverordnungen und das grüne Rezept digitalisiert werden. Die e-Rezepte wandern künftig transportverschlüsselt auf einen zentralen Rezeptserver in der VAU und werden dort ebenso transportverschlüsselt von der Apotheke abgeholt, für die sich ein Versicherter entschieden hat: Er kann nämlich über seine App bei drei verschiedenen Apotheken nachfragen, ob sie ein Medikament führen oder eine Rezeptur anfertigen können. Für diesen Service möchte die Gematik ein "wettbewerbsneutral aufgeführtes Verzeichnis" von Online- und Offline-Apotheken anbieten.

Neben der Entscheidung für eine Apotheke soll es möglich sein, das e-Rezept in die App einer anderen Person zu schicken, wenn man etwa während einer Quarantäne nicht das Haus verlassen darf. Diese zeigt den QR-Code in der Apotheke einem Scanner, der die Abfrage auf dem Server startet. 500 Millionen Rezepte werden in Deutschland durchschnittlich pro Jahr ausgestellt, viele davon sind Folgerezepte, für die man in Zukunft nicht mehr eine Praxis aufsuchen muss. Weitere Zukunftsszenarien wie die Anonymisierung der Rezepte samt anschließender Bereitstellung für die Forschung oder – als Frühwarnsystem – für den Katastrophenschutz sind angedacht, aber nicht realisiert. Wer den Rezept-Server betreibt, ist noch nicht bekannt. Den Zuschlag soll "ein kompetenter Dienstanbieter bekommen, der die Wunschkriterien der Gematik erfüllt".