Missing Link: Von Corona-Patenten, mRNA-Open-Sourcing und öffentlichen Gütern

In der Pandemie ist niemand sicher, bevor alle sicher sind. China und Afrika arbeiten an alternativen mRNA-Plattformen – vielleicht sogar an einer offenen.

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(Bild: Shutterstock)

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Von
  • Monika Ermert
Inhaltsverzeichnis

Europa und die USA haben sich mit dem Vorschlag einer zunächst auf Covid-Impfstoffe beschränkten Patentfreigabe durchgesetzt. Statt der ursprünglich von 100 Ländern unterstützten einfachen Patentfreigabe-Regelung verabschiedete die Welthandelsorganisation nach mehr als 48 Stunden Verhandlungsmarathon die von den reichen Ländern verwässerten Lösung. Der Verzicht auf einen geregelten Wissenstransfer zur Bekämpfung einer Pandemie kostet etwa den Fahrt aufnehmenden afrikanischen mRNA-Hub rund 36 Monate mehr Zeit für den Start der Impfstoffproduktion.

"Missing Link"

Was fehlt: In der rapiden Technikwelt häufig die Zeit, die vielen News und Hintergründe neu zu sortieren. Am Wochenende wollen wir sie uns nehmen, die Seitenwege abseits des Aktuellen verfolgen, andere Blickwinkel probieren und Zwischentöne hörbar machen.

Wie ein Krimi zogen sich die Verhandlungen des ersten Ministertreffens der Welthandelsorganisation in Genf seit vier Jahren in die Länge. Bis in die Nachtstunden wurde am Dienstag dieser Woche gerungen. Am Mittwoch wurde die Konferenz in Genf um einen Extra-Tag verlängert. Teil des ersten Verhandlungspakets des ersten Ministertreffens der WTO seit 2017 war die lange diskutierte Freigabe von Verfahrens- und Substanzpatenten für Covid-Impfstoffe.

Ursprünglich von Südafrika und Indien im Oktober 2020 vorgeschlagen, sollte der mindestens temporäre Verzicht auf geistiges Eigentum die Produktion und Verteilung von Impfstoffen, Covid-Medikamenten und diagnostischen Produkten weltweit ankurbeln.

Die EU gehörte zusammen mit der Schweiz, dem Vereinigten Königreich und den USA zu den Gegnern, auch wenn die Biden Administration sich vor gut einem Jahr zu Verhandlungen bereit erklärte. Viererverhandlungen zwischen Südafrika, Indien, den USA und der EU brachten die jetzt verabschiedete Kompromissformel. Bis zuletzt wehrte sich das Vereinigte Königreich gegen den Text.

Was verabschiedet wurde, hat allerdings wenig mit der ursprünglich vorgesehenen Patentausnahme zu tun, sagt Ellen ‘t Hoen, Anwältin und Expertin für öffentliche Gesundheit. ‘t Hoen hat 2009 den von der UN unterstützten Medizin Patent Pool mit gegründet, der zur Lizenzierung Patent geschützter Medikamente gegen Aids ins Leben gerufen wurde.

"Das ist allenfalls eine mikroskopische Ausnahme. Im Prinzip ist das fast ein Rückschritt, gemessen an den Flexilibitäten, die den Staaten im TRIPS Agreement (Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums, d. Red.) zugestanden werden", so ‘t Hoen.

Denn der von den Ländern mit großen mRNA-Patentinhabern entworfenen Text beschränkt Pandemie-bedingte Ausnahmen zumindest vorerst allein auf den Patentschutz. Der könnte für die rasche Herstellung von Generika-Medikamenten zwar wirksam sein, so ‘t Hoen, nur die sind ebenso wie Diagnostika ausgeschlossen.

Für die komplexeren Vakzine dagegen bedarf es neben dem Ruhen von Patenten auch eines Transfers von Know-how zu Herstellungsprozessen – und der ist in dem von EU und USA befürworteten Text gerade nicht drin. Die Frage, ob auch Medikamente und Therapeutika befristet patentfrei werden, soll in einem halben Jahr neu erwogen werden. "Ein hohler diplomatischer Kompromiss", lautet ‘t Hoen erstes Fazit.

"Die Patentausnahme bringt uns in der jetzt verabschiedeten Form wenig", sagt Lara Dovifat von der Medikamentenkampagne von Ärzte ohne Grenzen. Die Patientenhilfsorganisation behandelt auch Covid Patienten in 76 Ländern weltweit und kennt das Problem des Mangels. Viele Patienten, die man mit schweren Covid-Verläufen behandele, sterben, weil Medikamente wie etwa Baricitinib von der Firma Elli Lilly zu teuer und bezahlbare Generika des Patentschutzes wegen nicht verfügbar seien, klagten Ärzte ohne Grenzen, nachdem Bundeswirtschaftsminister Habeck seine Haltung zur Patentfreigabe stark relativiert hatte.

Was dieser Mangel verursacht, hat auch das unabhängige Panel for Pandemic Preparedness aktuell nochmals unterstrichen. Das mit internationalen Wissenschaftlern besetzte Panel hatte Vorschläge für den besseren Zugang zu Behandlungs- und Impfmöglichkeiten und für mehr Pandemie-Resilienz der Weltgemeinschaft gemacht.

Die Bilanz nach einem Jahr fällt vernichtend aus: "In den 12 Monaten seit der Veröffentlichung unseres Berichtes sind weitere 2,8 Millionen Menschen an Covid gestorben", schreiben die Wissenschaftler im Fachmagazin Lancet. Mit weiteren 400.000 Toten allein zwischen April und August sei zu rechnen. Die Impfraten in armen Ländern seien nach wie vor viel zu gering. Das Entstehen neuer Varianten werde begünstigt. Das Verschleppen echter Reformen, etwa durch den Aufbau lokaler Impfproduktion, lege den Grundstein für die nächste Katastrophe.

Impfstoff gebe es genug, sagen die Pharmafirmen, er komme aber nicht an. Der Versuch, lokale Impfproduktion zu torpedieren, den das British Medical Journal dokumentiert, sieht allerdings nach Angst vor Konkurrenz vor Ort aus.

(Bild: bmj)

Winnie Byanyima, Direktorin von UNAIDS und Ko-Vorsitzende der People’s Vaccine Alliance, brachte ihre Sorge zum Ausdruck, dass die Teilpatentfreigabe auch eine negative Blaupause für Zugang zu neuen Aids-Behandlungen sein werde.

Zusammen mit 220 Organisationen weltweit appellierte Ärzte ohne Grenzen noch am Mittwoch an die WTO-Delegierten, die Placebo-Patentausnahme auf keinen Fall zu verabschieden. Eine Befürchtung der Aktivisten und Helfer ist, dass die westliche Welt das Placebo als Erfolgsgeschichte verkauft und zum Tagesgeschäft übergeht.

WTO-Generalsekretärin Ngozi Okonjo-Iweala, die sichtlich erleichtert darüber war, dass sie den lange auf der Kippe stehenden Gesamtdeal durchgebracht hatte, sagte zur Mini-Patentausnahme: "Ja, es ist nicht die volle Ausnahme, aber wir konnten den Text doch noch ein bisschen verbessern."

Einen Rückschritt bedeutet die Ausnahme nicht nur, weil nur Impfstoffpatente erfasst sind. Auch durch Einschränkungen, wer die Patente aussetzen kann, fällt hinter die TRIPS-Regeln zurück. Nur Entwicklungsländer dürfen die Ausnahme nutzen. Länder wie Brasilien, die diesen Status aufgegeben haben, schließt das aus. Entwicklungsländer mit eigenen Kapazitäten für die Produktion sollen die Ausnahme ebenfalls nicht nutzen und sich zum Verzicht explizit verpflichten. Das stellt die Nutzung des Mechanismus für Länder wie Indien und China in Frage.

China, das als erstes Land im großen Stil klassisch produzierte Totimpfstoffe an andere Länder geliefert hatte, wehrte sich bis zum Ende gegen eine derartige Klausel, stimmte aber laut WTO nach in der letzten durchgearbeiteten Verhandlungsmacht doch noch zu.

Die Beschränkung schützt beispielsweise westliche mRNA-Pandemiegewinner wie Pfizer/Biontech und Moderna, die astronomische Gewinne durch das Impfgeschäft verbuchen konnten. Biontech schätzt seinen Umsatz für 2022 auf 13 bis 17 Milliarden Euro ein.

Dem Ziel, so schnell wie möglich so viel wie möglich Impfstoff in einer Pandemie zu produzieren, ist die Einschränkung von Bereichen und möglichen Ländern aber kaum zuträglich, fürchtet Dovifat. "Es müsste gerade in einer Pandemie doch darum gehen, so viel wie möglich so schnell wie möglich zu produzieren."

Chinesische Hersteller haben zuletzt Bemühungen um einen eigenen mRNA-Impfstoff forciert, und könnten vielleicht ein alternativer Provider für mRNA Impfstoffe werden. Gleich mehrere Unternehmen liefern sich aktuell mit laufenden klinischen Tests ein Rennen, um die erste Zulassung zu ergattern.

Fast zeitgleich meldeten CSPC Pharmaceutical Group in Shijiazhuang, der Impfstoffhersteller CanSino in Tianjin, und StemiRNA in Shanghai, dass sie die Zulassung für klinische Studien haben.

CanSino hat einen der ersten Vektorimpfstoffe (Adenovirus Impfstoff) an den Start gebracht und startete Anfang April die klinische Studie für seinen mRNA-Impfstoff. Der CEO des Unternehmens Yu Xuefeng unterstrich gegenüber der South China Morning Post, mRNA Impfstoffe seien für Chinas Kampf gegen den Coronavirus unverzichtbar. Die Firma StemiRNA meldet, man habe nach ersten klinischen Phasen in Laos auch in China Patientenstudien gestartet und plane bereits den Bau von Produktionsstätten in Pudong.

Noch weiter ist das Unternehmen Abogen. Dessen Gründer, Ying Bo, arbeitete mehrere Jahre für Moderna, bevor er 2019 in China mit Abogen gründete.Yings ursprüngliche Idee war die Nutzbarmachung mRNA für die Krebstherapie. Wie die westlichen Kollegen bastelt er jetzt an einem mRNA Covid-Impfstoff, ARRCoVax.

Ausreichend Geld konnten alle mRNA-Aspiranten auftreiben – Abogen warb zwischen April und Dezember 2021 800 Millionen Dollar ein. Trotzdem brauchten sie Zeit für die Entwicklung des Ökosystems ihrer mRNA-Plattform, sagte Analyst Brian Yang von der Pekinger Firma Pharma Intelligence gegenüber dem Fachblatt The WIRE China.

McKinsey prophezeite in einem Bericht zu Chinas Biotech-Sektor von einer "Morgenröte chinesischer Biopharma-Innovationen" und verwies etwa auf die rasant gestiegene Marktkapitalisierung von 3 Milliarden Dollar in 2016 auf 380 Milliarden; und der Regulierer habe sich auch auf einen Boom eingestellt. Die Zulassungsbehörde für Medikamenten (Center for Drug Evalution) sei von 150 Prüfern 2015 auf 700 2018 aufgebaut worden.

Chinas Biopharma Boom

(Bild: McKinsey)

Wenig geholfen hat der Aufbau von Prüfungskapazitäten durch Fosun Pharma. Das Unternehmen arbeitet seit Anfang 2020 mit Biontech zusammen, um klinische Studien durchzuführen und Cominarty letztlich in China zu kommerzialisieren. Die ersten 100 Millionen Dosen für China – in Deutschland produziert – sagte Biontech Fosun Pharma im Dezember 2020 zu. Doch die erwartete Marktzulassung für den ausländischen mRNA-Impfstoff kam nicht und fehlt bis heute.

Ob die Idee der Souveränität den Ausschlag gab oder die Kosten für den Stoff made in Germany, darüber wird in Fachkreisen viel gerätselt. Solange Chinas Zero Covid Strategie aufzugehen schien, gab es auch wenig Widerspruch. Inzwischen aber mehren sich die Stimmen, dass man lieber aus dem Ausland zukaufen als weitere harsche Lockdowns verhängen und Opfer hinnehmen sollte. Immer wieder wurde in jüngster Zeit der chinesische Pulmologe Zhong Nongshan in chinesischen Staatsmedien mit positiven Einschätzungen zu Effektivität von mRNA als Booster-Impfstoff zitiert.

Studien hätten gezeigt, dass eine Zweifachimpfung mit den klassischen Impfstoffen, auf die Chinas Regierung bislang vor allem setzte, nicht so gut schütze wie eine Kreuzimpfung. Mehrfach sprach sich Zhong dafür aus, von den westlichen Erfahrungen rund um mRNA zu lernen. Auch der Chef des Chinesischen Zentrums für Krankheitskontrolle und -prävention (CDC), Gao Fu, warf im April ein, man dürfe mRNA Impfstoffe nicht ignorieren, nur weil man bereits über andere Impfstoffe verfüge.

Zhong rettete in seinem jüngsten Statement vergangene Woche bei einer Biotechkonferenz in Guangzhou dann aber doch Xi Jinpings Ehre, indem er notierte, in Tests hätten die in China entwickelten mRNA Impfstoffe der zweiten Generation sogar noch bessere Wirksamkeit gezeigt als Pfizer/Biontechs Vakzin.

Hätten Chinas Unternehmen in den Genuss von der WTO-Patentausnahme kommen können, hätte es vielleicht die ein oder andere Patentstreitigkeit weniger gegeben. Auch wenn es keine Transparenz über die Patentdickichte gebe, die sich um die verschiedenen mRNA Impfstoffe ranken, hält ‘t Hoen Patentklagen für gut möglich.

Aufhören lassen könnte beispielsweise ein chinesischer Zeitungsbericht, der über die Tests eines der Impfstoffe meldete. Laut dem an den Tests beteiligten Krankenhaus handele es sich bei dem chinesischen Kandidaten um einen Impfstoff, der "auf der Grundlage der antigenen Molekularstrukturmerkmale von zwei international zugelassenen mRNA Impfstoffen konzipiert und entwickelt" worden sei.

Von Reverse Engineering sprachen viele Medien auch beim ersten mRNA Kandidaten aus Afrika, den das Biotech-Unternehmen Afrigen in Kapstadt kürzlich ankündigte. Afrigen ist zusammen mit dem südafrikanischen Impfstoffhersteller Biovac Projektträger des mRNA-Hubs der Weltgesundheitsorganisation. Auf der Basis einer lokalen mRNA-Plattform sollen, so das im vergangenen Jahr angekündigte WHO Projekt, in zahlreichen Ländern Afrikas und mittelfristig auch Lateinamerikas mRNA Impfstoffe gegen Covid, aber eben auch weitere in den Ländern des Südens verbreitete Krankheiten produziert werden.

Afrigen Direktorin Petro Terblance berichtigt in ihren Antworten gegenüber heise online: "Wir haben Modernas Impfstoff nicht reverse-engineered", schreibt sie. Anders als beim Reverse Engineering habe man eben nicht Modernas Produkt auseinandergenommen, analysiert und dann nachgebaut." Vielmehr hätten Afrigens Wissenschaftler gemeinsam mit der Wits Uni die von der Stanford Universität veröffentlichte Coronasequenz genutzt, ein Plasmid designt und diese Sequenz als genetischen Input für die Entwicklung eines Impfstoffes genutzt. Auch Moderna habe genau diese Sequenz benutzt in seiner Entwicklung. Afrigen habe aber nichts anderes als öffentlich verfügbares und eigenes Wissen genutzt in dem Prozess. Jetzt bereite man präklinische Tests vor, um die eigene mRNA-Plattform an den Start zu bringen.

Bei Unterstützung durch die Pharmaunternehmen könnte man deutlich schneller sein. Weil alle klinischen Studien und Zulassungsschritte neu gemacht werden müssten, braucht man dafür 36 Monate mehr.

(Bild: Afrigen Cleanroom)

Das laut Beobachtern mit viel Energie gestartete mRNA-Hub-Netzwerk hat laut Terblanche aktuell 14 Partner. Die WHO suche aber nach weiteren, um den Globalen Süden mit eigenen Produktionskapazitäten auszustatten und Firmen in den verschiedenen Regionen zu ermächtigen, mRNA-Impfstoffe zu entwickeln und zu produzieren.

Und wie sieht es für den Hub und Afrigen mit Sorgen wegen Patentklagen aus? Man operiert unter einer freiwilligen Patentfreigabe von Moderna. Das US-Unternehmen, dessen mRNA-Entwicklung fast vollständig durch öffentliche Mittel finanziert wurde, hatte zu Beginn der Pandemie verkündet, zunächst seine Patentrechte nicht durchzusetzen. Aktuell, weil man noch in der Phase der Entwicklung sei, so Terblanche, sei man überdies von der sogenannten Bolar Klausel geschützt. "Wir wissen auch, welche IP wir über freiwillige Lizenzen oder eben die eine TRIPS Patentfreigabe beschaffen müssen", so die Südafrikanerin.

Natürlich suche man auch nach innovativen technischen Schritten, um Patente, wo diese bestehen, möglicherweise zu umgehen. "Afrigen wird eher ein Produkt aufgeben als Patente verletzen", versichert sie, aber wir setzen darauf, dass wir freiwillige Lizenzen bekommen werden, um unsere mRNA-Plattform für mRNA-Impfstoffe an den Markt bringen zu können.

Könnte Terblanche also auf Patentfreigaben – in Zeiten von Pandemie oder auch für den Kampf gegen die vielen Armutskrankheiten des Kontinents – vielleicht sogar verzichten. "Eine Patentausnahme ist wertvoll. Das TRIPS Abkommen an sich war schon dafür konzipiert, den Zugang zu verbessern und Technologietransfers in Zeiten öffentlicher Gesundheitskrisen zu erlauben." Ein Waiver könnte Zugang zu vertraulichen Informationen und Geschäftsgeheimnissen verschaffen, um die Produktion schneller anschieben zu können, hofft sie. Außerdem könnte die Patentausnahme Forschern erlauben, freier zu forschen. "Ich denke, es wäre innovationsfördernd in ärmeren Ländern", sagt Terblanche.

Damit widerspricht sie fast diametral den Aussagen des Verbands forschender Pharmaunternehmen (vfa). In dessen Reaktion auf die Entscheidung für die Miniversion der Patentausnahme wird die Unverzichtbarkeit eines strikten Patentschutzes unterstrichen. Ohne den Patentschutz würde man "unsere Möglichkeiten zur Eindämmung neuartiger Erreger unnötig aufs Spiel" setzen. Die Patentaufhebungen träfen übrigens nicht nur Hersteller aus Industrienationen. "Sie konterkarieren auch Bemühungen von Schwellenländern, sich durch im Land entwickelte Impfstoffe unabhängiger zu machen", versichert der vfa und verweist auf die vielen Partnerschaften, die man schon eingegangen sei.

Terblanche antwortet auf die Frage nach den Partnerschaften zwischen dem mRNA-Hub und großen Patentinhabern, man habe sehr gute Verbindungen zu Forschungsorganisationen in aller Welt und verhandele mit einigen Biotech-Firmen über Verfahren zur Verstärkung der Thermostabilität. "Mit den großen Pharmaunternehmen pflegen wir freundschaftliche Beziehungen. Eine Zusammenarbeit gibt es aber nicht."

Tatsächlich hat die von Biontech mit gesponserte Stiftung kenUP zum Start des Hubs versucht, Stimmung gegen den Hub und für Biontechs Containerlösung zu machen. Die Vorarbeiten für den ersten schlüsselfertigen mRNA-Covid-Impfstoffcontainer sollen nächste Woche in Ruanda beginnen. Je notwendigem Containerpaar könnten damit 50.000 Impfstoffdosen pro Jahr lokal produziert werden.

Solche schlüsselfertigen Lösungen würden – im klassischen Sinne von kommerzieller Software – vielleicht etwas raschere Lösungen bieten. Biontech verspricht, zwölf Monate nach der Fertigstellung der Container könnte produziert werden. Zugleich würden die Empfänger allerdings deutlich weniger in ihre eigene Innovationsfähigkeit investieren, und sich eher in eine Abhängigkeit begeben.

Dovifat und ‘t Hoen blicken daher mit einer gewissen Skepsis auf die Entwicklung. "Für Länder, die keinerlei eigenen Produktionskapazität haben, kann es funktionieren. Es kann aber nur ein erster Schritt sein", meint sie. Die zentrale Kritik an Biontech, Pfizer und Moderna bleibe jedoch, dass sich diese bislang kategorisch geweigert hätten, mit dem Covid-19 Technology Access Pool oder dem Hub zusammenzuarbeiten. "Wir könnten viel mehr, viel schneller machen", unterstreicht Dovifat und ‘t Hoen. Mit der Einigung bei der WTO für die Minilösung sei das Thema des gerechten Zugangs bei Weitem nicht geklärt.

"Zugang zum geistigen Eigentum wird im Rahmen des Pandemic Preparedness Vertrags der WHO diskutiert werden müssen. Außerdem halte ich die Vorschläge für einen Rechtsrahmen bei der WTO zur Sicherung globaler öffentlicher Güter für einen guten Weg." Europa und hier vor allem das Europäische Parlament könnten derweil viel mehr tun, um weitere Mittelvergaben an die Pharmaunternehmen an Open-Acess-Bedingungen zu knüpfen.

(bme)