Missing Link: Von Freier Software und Open Source, von Halloween und dem Basar

Seite 2: Entwickler-Basare, Open-Source-Dorfräte und die protestantische Arbeitsethik

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Raymonds Rede über den wimmelnden Basar der Entwickler, erstmals auf dem Linux-Kongress 1997 in Würzburg vorgetragen, mag den Anstoß bei Netscape gegeben haben, er beflügelte indes noch ganz andere Arbeiten. Mit Alan Cox meldete sich prompt ein prominenter Entwickler auf Slashdot zu Worte, der beschrieb, wie der Basar und der "Dorfrat" mit seinem Cliquen-Denken das Linux-Projekt um ein Haar vermasselte. Pekka Himanen, ein Finne wie Torvalds, schrieb das Buch The Hacker Ethic and the Spirit of the Information Age, in dem er die Arbeit der Hacker aus dem Geiste der protestantischen Ethik von Max Weber ableitete, freilich mit dem Unterschied, dass "Spaß" das Movens der Bewegung ist, ganz nach dem Diktum von Torvalds, nach dem das "Vergnügen" das Ziel der Evolution ist. Auf der Business-Seite rutschte das Buch "Der Red Hat Coup" von Robert Young in die Beststeller-Listen. Schließlich erklärte Young den Lesern, wie man mit Open Source tatsächlich Geld machen kann.

Natürlich wurde auch Kritik laut, besonders von Richard Stallman und der von ihm inspirierten Free Software Foundation. Man kritisierte, das Linux fälschlicherweise nur Linux genannt wurde und "Open Source" als Begriff viel zu ungenau war. Andere, wie etwa der Software-Guru Nikolai Bezroukov bezweifelten rundweg, dass das Basar-Modell der quelloffenen Entwicklung überhaupt funktionieren würde, wenn mehr als 120 Personen an einem Kernel schrauben. Seine Kritik des "Vulgär-Raymondismus" führte wiederum dazu, dass sich Soziologen wie Informatiker an die Arbeit machten und die Freie Software/Open Source-Bewegung empirisch untersuchten. Bereits 1999 präsentierte Walt Scacchi vom Institute for Software Research erste Ergebnisse, die später verfeinert wurden.

Linus Torvalds kommentierte in einem Interview mit c't im Jahr 1996 die Beziehung zwischen der Free Software Foundation und Linux: "Für ihn [Richard Stallman] (ist) die freie Software bis zu einem gewissen Grad das Ziel selbst (...). Für mich liegt das primäre Ziel darin, das beste System zu haben, und dass es frei verfügbar ist, liegt einfach daran, daß ich es für eine gute Idee halte. Beide Gruppen verfolgen letztlich dasselbe Ziel (beide wollen offensichtlich das beste System frei verfügbar haben)."

(Bild: Krd, Creativce Commons CC BY-SA 4.0, Zitat: c't 11/96, S. 366 ff.)

"Wir änderten die Welt", aber dann? Ein Jahr nach der Ankündigung von Netscape verließ Projektleiter Jamie Zawinski das Open Source-Projekt und zog eine nüchterne Bilanz. Netscape, das mit seinem Browser die (Internet-) Welt revolutioniert hatte, war zu groß geworden, um kreativ zu sein. Auch der Entschluss, den Sourcecode freizugeben und die Entwicklung des Browsers als Open-Source-Projekt von Vielen voranzutreiben, funktionierte nicht. Ein Jahr nach diesem Entschluss hatte man nicht einmal eine Beta-Version des nächsten Browsers zur Freigabe parat.

Das Projekt des nächsten Betriebssystems für das Internet wurde nicht von den Entwicklern im Basar adoptiert. Rund 100 Vollzeit-Entwicklern, die bei Netscape beschäftigt waren, standen 30 Freiwillige gegenüber, die Mehrheit davon im Teilprojekt des Crypto-Tools. "Meine größte Sorge und mit ein Grund, warum ich so lange noch dabei geblieben bin, ist, dass die Leute nun auf Mozilla.org gucken und das Scheitern als typrisch für ein Open Source-Projekt ansehen. Ich möchte allen versichern, das bei allen Problemen, die das Mozilla-Projekt hatte, es nicht der Open Source-Ansatz war, der es zum Scheitern brachte. Open Source funktioniert, aber es ist kein Allheilmittel."

Die Entwicklung, die Linux und Linux-Software durchgemacht haben, zeigt indes, dass Open Source funktioniert. "Mit Linux ist etwas passiert", könnte man in leichter Abwandlung eines Foren-Klassikers formulieren. Dennoch kann man im Rückblick auf diese 20 Jahre auch Linus Torvalds zustimmen, der 2001 über seine persönliche Überzeugung schrieb: "Es muss etwas grundfalsch gelaufen sein, falls Betriebssysteme in fünfzehn Jahren noch so ein großes Thema sein sollten." (jk)