Missing Link: Von der Tragik zur Komödie der Allmende - über Gemeingüter, Open Source und freies Wissen

Seite 3: Allmende und Open Source

Inhaltsverzeichnis

Bestes Beispiel für eine solche Güterproduktion ist der Bereich der freien Software. Open-Source-Anwendungen schreiben zahlreiche Programmierer verteilt über den Globus gemeinsam, der entstehende Quellcode ist frei verfügbar und kann weiterentwickelt werden. Rechtliche Vorgaben wie die maßgeblich von Richard Stallman entworfene GNU General Public License (GPL) gewährleisten gleichzeitig, dass auch Modifikationen wieder der Allgemeinheit zur Verfügung stehen. So werden Betriebssysteme wie Linux oder Android am Leben gehalten und sichergestellt, dass nicht Google oder eine andere Internetgröße die von der Community mitentwickelte Software plötzlich "privatisiert" und in Eigenregie lizenziert.

"Missing Link"

Was fehlt: In der rapiden Technikwelt häufig die Zeit, die vielen News und Hintergründe neu zu sortieren. Am Wochenende wollen wir sie uns nehmen, die Seitenwege abseits des Aktuellen verfolgen, andere Blickwinkel probieren und Zwischentöne hörbar machen.

Das Urheberrecht der Produzenten bleibt dabei in der speziellen Form des Copyleft prinzipiell erhalten, aber gleichsam umgedreht: Es schreibt den Rückfluss neuer Schöpfungen an die Entwicklergemeinde vor. Ermöglicht werden damit "kollektive Erfindungen". Open Source lässt sich so auch als allgemeine Kreationsmethode auffassen. Der US-Rechtswissenschaftler Yochai Benkler nennt dies die "gemeinsame Peer-Produktion", in der die Beteiligten an der Gemeingüterwirtschaft freiwillig und gleichberechtigt kooperieren. Sie produzieren dabei weniger für den Verkauf als vielmehr für die direkte Nutzung. Dieses Konzept überträgt der Harvard-Professor etwa auf den Mobilfunk, wo ihm zufolge freie Funknetze eine lokale, selbstorganisierte Versorgung ermöglichen.

Zu Open Source ist etwa die Open Access-Bewegung dazugekommen, die sich für die freie Publikation von Forschungsergebnissen der Wissenschaft einsetzt. Daneben läuft die Produktion von Open Content, womit die freie Weitergabe von Informationen und Inhalten gefördert werden soll. Leicht bedienbare Werkzeuge zur kollaborativen Texterstellung wie Wikis oder soziale Netzwerke öffnen einer Vielzahl von Akteuren interaktive Kommunikationswege jenseits der traditionellen Massenmedien.

(Bild: Vintage Tone, shutterstock.com)

Bekanntestes Beispiel für die gemeinschaftliche Inhalteproduktion ist die Online-Enzyklopädie Wikipedia. Sie wird unter anderem unter der GNU Free Documentation License zur Verfügung gestellt, einer Adaption der GPL. Jeder kann somit ohne Gebühren die Inhalte aus der Wissenssammlung im Web nehmen, nach Belieben verändern und weiter veröffentlichen. Die einzige Einschränkung ist, dass die Modifikationen unter derselben Lizenz zu veröffentlichen sind und Wikipedia als Quelle zu nennen ist.

Mehr Abstufungsmöglichkeiten bietet die "Creative Commons"-Initiative (CC), die der US-Rechtsprofessor Lawrence Lessig im Jahr 2000 ins Leben gerufen hat. Hier kann sich der Autor von Inhalten wie Texten, Musikstücken oder Filmen anhand mehrerer Lizenzvarianten aussuchen, welche Rechte er sich vorbehalten und welche er abgeben will. Das prinzipielle Urheberrecht bleibt dabei gewahrt. Der Kreative entscheidet aber darüber, ob andere ein Werk unter Hinweis auf den Schöpfer frei nutzen, weiterverarbeiten oder sogar auch kommerziell vermarkten dürfen.

Eine spezielle Sampling-Lizenz regelt unter dem CC-Dach zudem, inwieweit einzelne Sequenzen oder Klänge aus Musikproduktionen entnommen und für eigene Kreationen legal verwendet werden können. Ziel ist es auch hier, ein großes Reservoir an Werken zu schaffen, auf das die Nutzer gemeinschaftlich im Sinne der von Lessig propagierten Remix-Kultur zugreifen dürfen.

Auch wenn derlei Modelle immer wieder an praktische Grenzen stoßen: Für die Wissensallmende gilt die von Hardin bekannt gemachte Tragik grundsätzlich gerade nicht. Eine Idee lässt sich im Gegensatz zu den Weltmeeren auch nicht "überfischen". Carol Rose, Rechtsprofessorin an der Universität Arizona, geht daher in diesem Bereich von einem deutlich heiteren Ausgang der Geschichte in Form der "Komödie der Allmende" aus.

Die freie Verfügbarkeit und die offene Verbreitung von Wissen gelten zugleich als Grundvoraussetzung für Innovation. Hier kommen wieder die Schultern der Riesen zum Tragen, ohne die auch noch so kreative Geister nicht weit blicken können. Offenes Design und offene Baupläne etwa für Güter, die per 3D-Druck gefertigt werden, seien unerlässlich für bahnbrechende Erfindungen, resümiert nicht nur Benkler. Innovationen fallen nicht vom Himmel, sondern basieren auf Vorentwicklungen und dem verfügbaren Wissensstand.

In Teilen der Wirtschaft setzt sich so der Ansatz von Open Innovation durch, mit denen das Wissen von Mitarbeitern oder Nutzern sowie Partnern wie Startups, Forschungseinrichtungen oder Behörden erschlossen und in den Produktionsprozess eingebunden werden soll. Letztlich lassen sich gemeinschaftliche Formen der Wissensmehrung übers Internet als umfassendes Modell für Open Innovation verstehen.