Missing Link: Wer sich Technologie nicht aneignet, bleibt Kolonie

Seite 2: Die Saat: Netzwerkorganisationen in Lateinamerika

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UUCP für Mail und Usenet Kommunikation ...

Wir nutzten es anfangs lediglich für E-Mail. Das Problem war, dass wir etwa in den Unis unterschiedliche Systeme hatten, die nicht miteinander kommunizieren konnten. Uns wurde klar, dass wir diese Netze für alle Menschen in den Unis zugänglich machen mussten, und darüber hinaus. Ein entscheidendes Treffen fand 1988 in Santo Domingo statt. Da kamen die ganzen Netzwerkleute aus ganz Lateinamerika zusammen, außerdem die UNESCO und die DG13. Viele Teilnehmer dieses Treffens waren später international aktiv und haben die Netze mit aufgebaut, etwa Carlos Alfonso und Tadao Takahashi. Takahashi war maßgeblich bei der späteren Gründung der Federación de Latinoamérica y el Caribe para Internet y el Comercio Electrónico (ECOM-LAC). Dieses Treffen war auch der Ausgangspunkt für die Gründung LACNIC. LACNIC wurde 2002 offiziell die IP-Registry für ganz Lateinamerika.

Es ist eines der fünf regionale IP-Registries (RIRs) …

Zugleich begann ich zu der Zeit, auch Netzwerker aus anderen Ländern in die Region zu bringen, allen voran Randy Bush und Ted Hope. Sie halfen uns, in Peru ein nationales Netzwerk aufzubauen, das über das UUCP-Netz der Unis hinausging. In der Zeit wurden Personal Computer immer wichtiger. Für normale Sterbliche waren die natürlich unerschwinglich. Wir mussten sie aus Europa oder den USA importieren.

Sie waren einer der Hauptinitiatoren des ersten nationalen Netzes in Peru. Was können Sie darüber erzählen?

Ich kam 1990 nach Peru zurück, wo es ein landesweites Netz zu der Zeit nicht gab. Die Computer-Abteilungen der großen Unis in Lima hatten ihre IBM-Großrechner. Tatsächlich fehlte sogar ein UUCP-Netz zwischen den Unis. In diese Zeit fiel der erste Besuch von Randy Bush, der über TCP/IP sprach und dann auch ein Treffen in Stanford organisierte. Bei dem konnten Netzwerkadministratoren aus ganz Lateinamerika ganz praktisch Netze konfigurieren. Wir lernten, wie man Verkehr von einem Server über einen anderen zu einem Zielserver schickt. Nebenbei sprach ich mit Cisco und konnte dann die ersten Cisco-Router mit nach Hause nehmen. Danach war es mir möglich, den ersten netzwerkfähigen Unix-Server in Peru aufzusetzen und ihn mit dem Server an der Uni Oregon zu verbinden. Das war Randys Basis. Randy und ich wurden wirklich gute Freunde. Ich erklärte ihm, dass wir nicht einfach wollen, dass er Dinge für uns tut. Wir wollen vielmehr, dass er uns zeigt, wie wir sie tun können. Wir wollten auch nicht, dass der unsere Fragen durch Anfragen an Dritte beantwortet. Wir wollten, dass er uns die Kontakte verschafft, sodass wir unsere eigenen Netze aufbauen konnten, also menschliche Netze. Konnektivität ist wichtig, aber wir können immer irgendeine Leitung finden, um Konnektivität herzustellen, Telefonleitungen, Radio, Satelliten.

Satelliten, waren die schon ein Thema?

Tatsächlich hatte ich zu diesem Thema eine gewaltige Diskussion mit Daniel Pimienta, Direktor bei der DG13. Denn die damals herrschende Meinung war, dass die Latenz von Satellitenverbindungen einfach zu groß war. Ich war aber überzeugt, dass Satellitenverbindungen uns unabhängiger von den Telefonanbietern machen würde. Wir hatten ein Monopol in Peru und natürlich hatte der Monopolist keinerlei Interesse, uns Kapazitäten für die Vernetzung anzubieten. Wir haben also tatsächlich eine Satellitenverbindung über den PanAMSat genutzt, dafür habe ich auch die entsprechenden Institutionen zusammengebracht.

Das war dann wohl der Start von Red Cientifica Peru?

RCP, genau. Es war offen für alle, Unis, Wirtschaft, Unternehmen, NGOs, Militär und auch Vertreter von Nutzern, etwa Indigene. Die Kontrolle über RCP lag bei seiner Generalversammlung. Wir betrieben auch die peruanischen Top-Level-Domains, .pe, und auch die Zonen edu.pe, gov.pe, com.pe et cetera. Für unsere Satellitenverbindung, die uns via Fort Lauderdale in Miami mit dem Internet verband, war Ted Hope ganz wichtig. In Fort Lauderdale war ein Hub der National Science Foundation. Diese Verbindung war praktisch der erste peruanische Exchange-Punkt für internationalen Verkehr für Lateinamerika. Dann haben wir Leitungen beim Monopolisten gekauft, nur das nackte Kupfer ohne alles. Wir haben 64k bekommen (lacht) und konnten alle RCP-Unis anbinden. Individuelle Nutzer nutzten Modems, um in unser Netz zu kommen. Den Leitungsdeal machten wir gerade noch bevor Telefonica dann Perus Monopolisten kauften. Ziel war, ein maximal unabhängiges Netz zusammenzubauen. Wir bekamen einmal moderne Modems angeboten, mit denen sich unsere Nutzer ins Telefonnetz einwählen sollten. Es waren tolle Dinger, praktisch der Cadillac (lacht) unter den damaligen Modems. Aber wir ließen die entsprechende Firma wissen, dass wir das Geld lieber für eine große Satellitenantenne hätten, um uns mit Miami zu verbinden (lacht).

Und das klappte?

Ja (lacht), obwohl es den Monopolisten nicht gefallen hat. Ich habe meine Kollegen in Venezuela, Bolivien, Kolumbinen und Ecuador, alle Netzpioniere in ihren Ländern, angerufen und meinen Sekretär losgeschickt, kleine Flaggen zu kaufen. Dann haben wir uns in einem ganz kleinen Raum vor diese Flaggen gesetzt und ein Abkommen unterschrieben: die Andean Network Organisation. Damit setzten wir auch einen Kontrapunkt der kleinen Länder gegen die großen Netzmächte Mexiko, Brasilien und auch Argentinien. Wir wollten die Kleinen auch auf die Internetkarte setzen.

Wie hat sich das Netz in der Region entwickelt?

Nach dem Stanford-Seminar starteten wir, wie gesagt, mit den ersten Routern in Peru. Erst routeten wir intern in den Unis und unserem Hauptstandort. Unsere angehenden Ingenieure setzten Spiegel und Caches. Insgesamt brachten wir es damals auf rund 80 Server in Peru und boten in einer ersten Runde auch Bibliothekaren, Ärzten, Journalisten und Künstlern an, sie online zu bringen. Als Nächstes wandten wir uns auch den Inhalten zu und programmierten eine Seite mit Kochrezepten.

Wie brachte man denn individuelle Nutzer online?

Wir haben ziemlich schnell realisiert, dass wir natürlich nicht genügend Computer in Peru hatten, um für einen breiten Zugang sorgen zu können. Noch nicht mal die Unis gaben allen Studierenden oder Lehrenden einen Online-Zugang. Vielmehr bleiben die Informatikabteilungen gerne unter sich. Daher starteten wir die Cabinas Publicas.

Die sind wirklich weit über die Grenzen Perus hinaus bekannt, können Sie darüber mehr erzählen?

Im Grunde ist es ein kleines LAN, das mit einem Server verbunden ist. Jeder kann kommen und es benutzen. Die erste Cabina haben wir am RCP-Sitz im Cultural Center Ricardo Palma aufgebaut. Er hatte 20 PCs und 20 Macs. Dann haben wir Cabinas Publicas an den Unis eingerichtet und damit die Unis auch getrieben, endlich eigene Netze für Studierende anzubieten.

Laut einem Bericht war der Plan 50 RCP finanzierte Cabinas zu eröffnen, 200 kommerzielle und 750 von NGOs, richtig?

Ja. Das Basismodell sah so aus, dass die Leute zum General Assembly der RCP kamen und um eine Anbindung baten. Da sind indianische Amazonasgemeinden gekommen. Manchmal war es echt schwer, Konnektivität herzustellen und ab 95 setzten wir manchmal dann auch auf IP über CB-Funk. Wichtig war aber, die Gemeinden sollten das Operative und das Geschäft selbst betreiben. Wir sorgten einfach nur für die Anbindung.