Missing Link: Wer sich Technologie nicht aneignet, bleibt Kolonie

Seite 3: Kampf gegen den Monopolisten

Inhaltsverzeichnis

Der Telekom-Monopolist war nicht erfreut. Wie schwer war eine Zusammenarbeit?

Der Telekom-Markt hat tatsächlich zurückgeschlagen. Für uns stand Innovation und Entwicklung im Mittelpunkt. Aber die Kommerzialisierung änderte vieles. Der Return of Invest wurde wichtiger und auch wir mussten feststellen, dass manche Cabinas Publicas zum Umschlagpunkt für Sex-Seiten wurden. Das versprach die besten Gewinne. In gewisser Weise folgten naive Betreiber in Peru einfach dem Modell der großen Länder und Firmen. Unser Verhältnis zu Telefonica blieb schwierig. Kleine Anekdote: bei einem Termin mit einem Direktor von Telefonica, schaute der mich nur kurz an, sah meine Hautfarbe und erklärte, dass er nicht mit Indianern spreche. Wir schickten also das nächste Mal einen Weißen, ein RCP-Mitglied von einer der Universitäten.

Wie erklären Sie sich diese Unversöhnlichkeit?

Als wir an den Start gingen mit unserem Netz boten wir die erste Möglichkeit, sich international zu vernetzen. Journalisten nutzten unsere Angebote und wir waren anerkannte Vorreiter. Mit Fujimoris Coup kamen dann viele religiös-evangelikale Abgeordnete ins peruanische Parlament. Die Korruption nahm sehr zu. Und Telefonica nutzte die Gunst der neoliberalen Stunde. Als wir zu einem Gespräch mit dem Präsidenten und Außenminister eingeladen waren, tauchte plötzlich auch Telefonica auf und das Treffen fand in deren Beisein statt. Wir nahmen kein Blatt vor den Mund und sagten ihnen auf den Kopf zu, dass ihre Monopolstrategie nicht rechtmäßig ist. Danach war ich Telefonicas Feindbild. Ich schaffte es als solcher sogar in eine Broschüre einer Generalversammlung, wo es so ungefähr hieß, der größte Feind von Telefonica in Peru heißt Jose Soriano.

Der größte Feind ...

(lacht.) Ja. Jemand hat mir ein Foto davon geschickt.

Haben sie das noch?

(lacht) Irgendwo ja. Schlimmer war, dass sie unsere Leitungen trennten und alles taten, um uns aus dem Geschäft zu drängen. Wir hatten das ganze Land mit 64k versorgt und dezentrale Caches gemacht. Aber am Ende setzte sich wieder das alte Telefonmodell durch und die Macht wurde von den Enden ins Netz zurückgezogen. Man darf bei all dem nicht vergessen, dass die Infrastruktur ja zu großen Teilen von der öffentlichen Hand gebaut worden war. Die Firmen nahmen Nutzern trotzdem zeitabhängige Gebühren ab. Telefonica hat sich seinen Markt in Peru durch Korruption gesichert. Das ist sehr gut recherchiert und belegt. Sie haben die Regierung bestochen, um ihre Monopolstellung zu behalten. Im Rahmen einer Novelle haben wir dafür gestritten, dass ein Telefonanbieter zumindest überall da, wo er Telefonservices anbietet, auch Internet anbieten muss.

Ihr Konzept der Cabinas Publicas wurde auf jeden Fall zum Exportschlager in viele andere Länder.

In einige Länder, ja. Ich wurde nach El Salvador eingeladen, um über Netze zu sprechen und traf bei der Konferenz auf den für Kommunikation zuständigen Minister und forderte ich ihn auf, doch 10 Millionen für die Vernetzung in seinem Land zu investieren – und das hat er dann am Ende auch tatsächlich gemacht. Wir bekamen also Cabinas Publicas in El Salvador und in Paraguay. Auch Telekommunikationsanbieter stiegen mit ein und wir hatten 61 Unis. Einige der großen, reichen Unis zogen nach einigen Jahren aber aus dem RCP-Netz zurück und übergaben Wissen und Betrieb ihres Netzes am Ende doch wieder an Telefonica.

Sie haben RCP etwa 2000 verlassen, etwa als die Internetblase platzte. Was haben Sie getan?

Ich war sehr besorgt über das Platzen der Blase und habe auf vielen Konferenzen darüber gesprochen. Ich habe immer vertreten, dass wir Werte schaffen müssen. Das waren für mich Lösungen für die Probleme der Menschen. Besiegelt hat meinen Weggang von RCP dann das aggressive Agieren von Telefonica. Sie begannen, enorme Gebühren für unsere Leitungen zu erheben und agitierten gegen mich. Am Ende bot uns ein Rentenfonds aus den USA, der Verbindungen zu Telefonica hatte, viel Geld an. Mir bot man Geld, ein Haus und eine Position im Bereich Infrastruktur in einem anderen Land. Das wäre lukrativ gewesen. Aber ich habe abgelehnt, weil ich es unethisch fand. Das habe ich auch öffentlich gesagt. Am Ende wurden 43 Prozent verkauft für 18 Millionen Dollar. Aber das Geld hatte einen negativen Effekt, es gab Streit unter den RCP-Teilnehmern darum. Da zog ich mich zurück. RCP hatte zu dem Zeitpunkt rund 1 Million Nutzer.

Wo steht RCP heute, existiert es noch?

Die Arbeit ist nicht komplett zerstört, immerhin haben wir Ingenieure ausgebildet und die Möglichkeiten des Netzes in viele Ecken des Landes gebracht. Aber das Netz wurde letztlich 2003 abgewickelt. Das ganze illustriert die Probleme eines neoliberalen Systems.

Sie sollten ein Buch über ihre Auseinandersetzungen mit dem Telekom-Monopol schreiben …

(lacht) Ich schreibe selbst nicht mehr, weil ich fast nichts mehr sehe. Die Geschichte ist aber vor allem eine Geschichte anderer Leute, der wahren Protagonisten des Internets (lacht). Ich war immer nur ein Koordinator, immer an zweiter Stelle, das ist vielleicht der Trick, um etwas Großes zu bewegen (lacht).

Jose, vielen Dank für das Gespräch.

(bme)