Mit der Extrakraft des Sauerstoffs

Zwei Industriekonsortien wollen Kohlestrom mit verbesserten Anlagentypen effizienter und sauberer als bislang produzieren. Die eignen sich vor allem für die Nachrüstung alter Kraftwerke.

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Von
  • Kevin Bullis

Zwei Industriekonsortien wollen Kohlestrom mit verbesserten Anlagentypen effizienter und sauberer als bislang produzieren. Die eignen sich vor allem für die Nachrüstung alter Kraftwerke.

Kohle bildet in vielen Ländern nach wie vor das Rückgrat der Energieversorgung. 2011 wurden 30,3 Prozent des globalen Energiebedarfs aus Kohlekraftwerken gedeckt – Tendenz steigend, vor allem in China. Dabei entstehen gewaltige Mengen CO2, die weiter den Treibhauseffekt anheizen. Weil die Umweltauflagen für Kohlekraft strenger werden, arbeiten Ingenieure verstärkt an Technologien für „saubere“ Kohlekraftwerke. Zwei neue Anlagenkonzepte setzen hierfür nun auf die Kohleverbrennung in Gegenwart von reinem, unter hohem Druck stehendem Sauerstoff.

Diese „Oxy Combustion“ hat drei Vorteile. Der Wirkungsgrad liegt fünf bis sechs Prozent höher als bei Verbrennung mit Luft unter atmosphärischem Normaldruck. Den aus der Luft entfernten Stickstoffanteil, der in der Erdatmophäre gut 78 Prozent ausmacht, kann man durch CO2 ersetzen, das aus der Verbrennung zurückgeführt wird. Aufgrund des Druck verflüssigen sich die Schadstoffe, die bei der Verbrennung entstehen, in den Abgasen, so dass sie sich leichter auffangen lassen.

An sich ist das keine neue Idee. Bisherige Anlagen waren jedoch nicht wettbewerbsfähig, weil sie zunächst den Luftstickstoff vom Luftsauerstoff abtrennen mussten, was die Kosten erhöhte. Die beiden Konsortien wollen diesen Kostenblock mithilfe einer effizienteren Anlagentechnik kompensieren.

Die US-Firma ThermoEnergy und der italienische Anlagenbauer ITEA haben bereits eine 15-Megawatt-Pilotanlage in Singapur und eine 5-Megawatt-Anlage in Süditalien laufen. Die Kleinkraftwerke könnten innerhalb von 30 Minuten von einer zehnprozentigen auf volle Leistung hochgefahren werden, sagt Robert Marrs, Vizepräsident von ThermoEnergy. Konventionelle Kohlekraftwerke bräuchten hierfür einige Stunden. Die Schnelligkeit der Anlage könnte helfen, schwankende Erträge aus erneuerbaren Energien flexibler auszugleichen als bisher.

Damit werde die Technik wohl immerhin konkurrenzfähig zu älteren Kraftwerken, wenn diese nachgerüstet werden, um die künftigen Emissionsauflagen der US-Umweltbehörde EPA zu erfüllen, hofft Marrs. Weil das Wasser, das bei der Verbrennung entsteht, in der neuen Anlagenkonstruktion recyclet werden kann, wäre zudem der Eigenverbrauch des Kraftwerks geringer – was wiederum den Kohleverbrauch des Kraftwerks senkt. Mehr noch: Die Technik würde sich für Gebiete eignen, die häufig von Dürren geplagt werden, ergänzt Marrs.

Das andere Anlagenkonzept hat ein Firmenkonsortium entwickelt, zu dem das Start-up Net Power, die Kraftwerkssparte von Toshiba, der Energieerzeuger Exelon und der Anlagenbauer Shaw gehören. Die „Unity Power Alliance“ will den Wirkungsgrad von Kohlekraftwerken von derzeit durchschnittlich 30 auf 50 Prozent anheben.

Die effizientesten Kohlekraftwerke arbeiten heute mit einer Gasturbine und einer Dampfturbine. Die läuft mit Wasserdampf, der von den heißen Abgasen der Gasturbine erhitzt wird. In der neuen Konstruktion zweigen die Ingenieure einen Teil des Kohlendioxids aus den Abgasen der Gasturbine ab und führen es wieder in diese zurück. Der Effizienzgewinn, den sie dadurch erreichen, kompensiert die Kosten für die Trennung von Luftstickstoff und -sauerstoff. Das restliche Kohlendioxid ist bereits so rein und komprimiert, dass es anschließend ohne weitere Behandlung in unterirdischen CO2-Speichern eingelagert werden könnte.

In einer Demonstrationsanlage will das Konsortium die Technologie zunächst mit Erdgas als Energieträger testen, auch wenn sie eigentlich für vergaste Kohle entwickelt wurde. Shaw finanziert hierfür eine Demonstrationsanlage mit einer Leistung von 25 Megawatt, die Mitte 2014 fertig werden und nicht mehr als ein herkömmliches Gaskraftwerk gleicher Größe kosten soll. Net Power wird dann das abgeschiedene CO2 an Ölfirmen verkaufen, die es in teilausgebeutete Lagerstätten pumpen, um so die Förderung zu steigern.

Auf dem Papier sähen die Konzepte „plausibel“ aus, sagt Ahmed Ghoniem, Professor für Maschinenbau am MIT, der bereits als Berater für ThermoEnergy tätig war. Über die Wirtschaftlichkeit könne man im Moment jedoch nur spekulieren. Die Frage sei, ob die Technologien mehr Geld einsparen helfen als existierende Verfahren zur Begrenzung von Emissionen. „Wenn Sie eine CO2-Einlagerung hinzufügen, steigen die Kosten“, sagt Ghoniem.

Der Weiterverkauf an Ölförderer könnte diese Kosten wettmachen. Ghoniem sieht für den Anfang die Umrüstung älterer Kraftwerke als wichtigsten Markt. 2015 werden 90 Prozent der amerikanischen Kohlekraftwerke ein Betriebsalter von mindestens 30 Jahren haben. Die neuen Verfahren würden aber nicht über einen Nischenmarkt hinauskommen, solange es in den USA und anderen kohleintensiven Ländern keinen verbindlichen Preis für CO2-Emissionen gebe, betont Ghoniem. (nbo)